Der österreichische Film „Der Boden unter den Füßen“ ist ein Höhepunkt der Berlinale. Besonders erfreulich ist, dass Marie Kreutzers neuester Film mehrfach unerwartete Abzweigungen nimmt und sich anders entwickelt als mich die Inhaltsangabe glauben ließ: Die erfolgreiche Unternehmensberaterin Lola wird aus ihrem Berufsalltag gerissen, als ihre psychisch kranke Schwester Conny einen Selbstmordversuch unternimmt…
Keineswegs driftet „Der Boden unter den Füßen“ nämlich in kalenderspruchartiges Gefühlskino ab und nagelt die Unternehmensberaterin an die Wand, sondern wird stattdessen uneindeutig in der Verlässlichkeit seiner Erzählung und entwickelt sich zunächst in Richtung eines Paranoia-Thrillers. Aber auch diesen Genre-Weg nimmt „Boden…“ nicht wirklich, sondern stellt Fragen über Lebenssinn und Machtstrukturen, Druck und Erfolg und erinnert so aufs Angenehmste an Christian Petzolds bis heute besten Film „Yella“.
Bemerkenswert bleibt zudem, dass dieser Film mit einer Selbstverständlichkeit ausschließlich durch Frauen getrieben wird, ohne dass Regisseurin Marie Kreutzer diesen leider immer noch ungewöhnlichen Umstand extra thematisieren müsste. Mavie Hörbiger in der Rolle der Chefin und Affäre der Hauptfigur hat eine besonders interessante Rolle, weil natürlich auch bei einer Chefin Machtstrukturen und Manipulationen nicht weniger im Subtext mitschwingen als das bei heteronormativer Affärengestaltung der Fall wäre.
Herzstück des Films ist aber die herausragend spielende Hauptdarstellerin Valerie Pachner, die in kleinsten Gesten den inneren Kampf ihrer Figur zwischen Kontrollzwang und Labilität transportieren kann.