vonChristian Ihle 26.03.2019

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Jordan Peele geht mit dem Nachfolgefilm zu seinem gefeierten und sensationell erfolgreichen „Get Out“ nicht den einfachen Weg, sondern wagt einen – je nach Perspektive – wilden Genremischmasch oder ständig morphenden Film, der sich mit den Grenzen des Horrorfilms nicht zufrieden gibt.

An „Us“ ist sehr viel sehr gut: die Bilder, der Anspruch, die Performances von Lupita Nyong’o (Mutter) und Shahadi Wright Joseph (Tochter), die vor dräuender Spannung fast explodierende erste halbe Stunde und der Home Invasion – Part, der auf Augenhöhe mit den besten des Genres ist.

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Und doch hakt etwas in „Us“. Der ständige tonale Wechsel zwischen alberner Satire und blankem Horror vermindert die Wucht von beidem und die unterliegende Allegorie ist bei allem Respekt für den weitreichendem „scope“ schwammig erzählt. Und so ist auch der Schluss-Twist (der sich wirklich sehr sehr lange ankündigt) entweder eben in sich nicht schlüssig oder Grundaussage des ganzen Films.

Wie schon bei „Get Out“ bekomme ich das Gefühl, dass Peele alles hat, um ein brillanter Regisseur zu sein, aber nicht unbedingt seine Stärken im Drehbuchschreiben besitzt. Jordan Peele hat einen wirklich großartigen Film in sich, aber auch „Us“ ist dieser noch nicht.

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https://blogs.taz.de/popblog/2019/03/26/wir-us-von-jordan-peele/

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kommentare

  • Danke für die ausführliche Analyse!
    Interessant ist ja, dass der Film nicht nur eine Art satirischen Blick auf die „Hands Across America“-Kampagne liefert, sondern auch konstruktiv eine echte Menschenkette als mögliche Lösung bietet. Die wirkt dann nur seltsam entseelt und zombiehaft, womit sich für mich die Frage stellt, ob der mögliche „Sieg“ der Unteren sich nicht bloß in einer Pose erschöpft, da am Ende ja keine Verbindung zwischen Unten/Oben besteht, sondern nur die einseitige Auslöschung der Oberen durch die Unteren. Halte den Film aus dieser Perspektive für eher pessimistisch. Vielleicht ja wirklich eine Art innerer Konflikt dieser Zwischenidentitäten und Assimilierungsphänomene jener, die mal unten waren und jetzt nach oben dringen, dort aber keinen natürlichen Ort und keine Anbindung finden und deshalb bloß solche hohlen Kampagnenmotive imitieren können.

  • Mit der Spannung hast du Recht. Da hat Peele zwischen den dunklen Gestalten der Doppelgänger und deren entrücktem Acting eine ordentliche Balance zwischen diffusem und unmittelbarem Horror hinbekommen. Wobei es mit dem plumpen Erzählen der Sachlage durch die „Bösen“ für mich auch schon wieder vorbei war, ja.
    Zur Thematik, die den gegenwärtigen Identitätsdiskursen sicher viel verdankt, habe ich mir wenig Gedanken gemacht, mich hat dieses plumpe Erzählen der Hintergründe zu sehr abgestoßen, da habe ich mich wohl trotzig verweigert.
    Deine Interpretation würde mich aber sehr interessieren, daher gerne her damit!

  • Eine Interpretation zu US/WIR noch nachgereicht:

    spontan aus der Hüfte geschossen hätte ich gesagt (SPOILER!) dass es um die Spaltung der Gesellschaft in zwei Teile (oben / unten) geht und wohl auch um den Verrat am früheren Glücksversprechen der 80er (jeder kann es nach oben schaffen oder zumindest alle halten zusammen, um Armut zu beseitigen, das Hands Across America – Motiv eben. Wahrscheinlicher: dass in den 80ern die Spaltung der Gesellschaft begonnen hat und dass Hands Across America eine Lüge war, ein Opium fürs Volk).

    Mit dem Twist im Hinterkopf würde ich Peele dann aber so interpretieren: nicht deine Herkunft determiniert per se deine Zugehörigkeit, sondern die soziale Struktur um dich herum sorgt für deine Position. Denn wenn ich den Twist richtig verstehe, dann hat ja die „untere“ Adelaide mit der „oberen“ Adelaide in Kindheitstagen die Plätze getauscht und obwohl die untere Adelaide eigentlich der unteren Klasse zugehört, ist sie nun dennoch (mehr oder weniger *) in der oberen Klasse „zuhause“, weil sie unabhängig ob sie „unten“ oder „oben“ zu Beginn war, die sozialen Vorteile des „oben“ seit Kindheit leben durfte und eben deshalb ein „oben“-Leben führt. Und im Gegensatz dazu ihr eigentliches „Original“ (?) aber trotz „oben“-Herkunft ein „unten“-Leben, weil sie im dortigen sozialen Konstrukt gefangen ist.

    Was ist dann die Moral von der Geschicht? Herkunft determiniert Klasse nicht?

    * „mehr oder weniger“: bei ihr speziell müsste man die Doppelgänger-Angst ja umdeuten, dass es sich hier um das Aufdecken der eigenen Falschheit handelt, also dass sie Angst hätte, enttarnt zu werden.
    Bei allen anderen würde diese Perspektive aber nicht ziehen. Was hier der Doppelgänger aus der unteren Klasse bedeutet, der sein „Recht“ einfordert? Schwer schlüssig zu sagen, finde ich. Dass eine Revolution ansteht, wenn es der Gesellschaft nicht gelingt, das hands across america Prinzip wiederzuentdecken und mit Leben zu füllen? Dass es für jedes Leben in Wohlstand ein Leben in Armut gibt und dass sich das nur über blutige Verteilungskämpfe, die Vernichtung der oberen Klasse, lösen wird?
    Da habe ich auch mein Problem mit „Us“, weil ich hier nicht so richtig lesen kann, was denn nun Peeles Aussage mit dem Konstrukt ist und wen er hier positiv/negativ besetzen will. Weil meine Interpretation mal hingenommen und zu Ende gedacht, spräche er ja im Blick auf seine zentrale Familie *für* den Kampf des Oben gegen Unten. Ist das dann am Ende eine doch sehr konservative Sicht der Dinge, die obige Ansätze konterkariert??

  • In der ersten Hälfte fand ich allerdings, dass Peele durchaus die Spannung schon hinbekommen hat – im Grunde bis die Doppelgänger tatsächlich agierten.
    Hast du eine Interpretation zu den darunter liegenden Themen? Ich habe an anderer Stelle eine geschrieben, poste ich hier auch gleich mal.

  • Ging mir ebenso. Wie bereits „Suspiria“, den du ja auch als durchwachsen empfunden hast, wollte mir auch dieser Film zu viel. In „Us“ habe ich wie in „Suspiria“ zwar viele Diskurse, Thematiken, aber wenig Spannung gefunden. Schade wirklich um das audiovisuelle Design und die grundsätzlich interessante Idee.

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