La Ligne (Regie: Ursula Meier)
„La Ligne“ beginnt mit voller Wucht: es fliegen Schallplatten und CDs (ich entdecke gar „Unbelievable“ von EMF!) in Zeitlupe an die Wand, eine jüngere Frau rastet aus, eine ältere Dame wird gegen das Klavier geworfen, Mayhem, Schreie, Schläge, Rauswurf. Alles ohne Erklärung zu Vivaldi.
Nachher lernen wir: es war ein Kampf zwischen der erwachsenen Tochter Margaret (stark in ihrer Wildheit: Stéphanie Blanchoud) und der bald Großmutter werdenden, sich dennoch als begehrter Star fühlenden, kapriziösen Mutter Christina (ebenso gut: Valeria Bruni‑Tedeschi).
Ein richterliches Kontaktverbot auf 100 Meter ist die Folge und um die nie rational, sondern immer emotional, manchmal fast animalisch agierende Margaret daran zu erinnern, malt die jüngere Schwester in Handarbeit eine blaue Linie im 100-Meter-Radius um das Familienhaus, „La Ligne“.
Ursula Meier bleibt auch in ihrem neuen Film ihrem Lieblingsthema „dysfunktionale Familie“ treu, erdet ihre Geschichte aber deutlich mehr als damals im lecht surrealistischen „Home“.
Die Kämpfe zwischen Margaret und Christina sind mitreissend und werden von diesen beiden hervorragenden Schauspielerinnen getragen, die Dialoge und Szenen sind stark geschrieben.
Good Luck To You Leo Grande (Regie: Sophie Hyde)
Drei von sechs Filmen bei meiner diesjährigen Berlinale waren nun schon Lockdown-Filme. Es ist schon etwas frustrierend, endlich wieder in das große Kino gehen zu können, um dort dann kleine Theater-Filme zu sehen.
„Good Luck to You, Leo Grande“ ist im Grunde ein Zwei-Personen-Stück in einem Hotelzimmer über die Selbstfindung und das sexuelle Erwachen einer Frau in den allerbesten Jahren. Thematisch interessant, weil diese Perspektive so selten im Film zu sehen ist, und anfangs mit spritzigen (allerdings sehr ‚geschriebenen‘) Dialogen sowie einer fantastischen Emma Thompson gesegnet, verliert „Good Luck to You, Leo Grande“ im Versuch, Kindheitstraumata und ethische Fragen zum Thema Sex-Arbeit zu verarbeiten, allerdings seine Leichtfüßigkeit.
A Love Song (Regie: Max Walker-Silverman)
‚Van Life‘ – Slow Cinema über Liebe bzw. deren Vergeblichkeit in späten Jahren.
Gut gespielt (Dale Dickey!) und schön fotografiert, für Freunde der Kontemplation sicher eine schöne Scheibe. Mir ein wenig zu still.