Der „Waltz With Bashir“-Vergleich ist wahrscheinlich nicht zu vermeiden: eine animierte Biographie, die die schwierigen politischen Situationen im Nahen Osten widerspiegelt, und sich nicht scheut, mit knalligen Needle-Drop-Popsongs einen Gegenpart zur düsteren Erzählung zu schaffen (dort OMD und PiL, hier A-ha und Daft Punk).
„Flee“ erzählt die Geschichte einer Familie auf der Flucht: vom Sowjet-Krieg sowie den religiösen Fundamentalisten aus Afghanistan getrieben, versucht Amin – mit Mutter, großem Bruder und seine beiden Schwestern -nach Europa zu fliehen. Der Weg führt über ein Russland im Systemumbruch, Schleuserbanden, korrupte Polizei, Schweden und Dänemark. Dass Amin während dieser Flucht auch noch die Pubertät durchlebt (und dabei seine Queerness entdeckt), droht „Flee“ etwas zu einem überladenen Problemfilm zu machen, was aber von Regisseur Jonas Poher Rasmussen erstaunlich gut abgefangen wird.
Größte Stärke von „Flee“ ist aber, wie eindrücklich er die Logik und Notwendigkeiten der Fliehenden versteht und ausdrücken kann. Selbst ein ‚Asylbetrug‘ wird so schlüssig, einfach weil das Leben keine anderen Optionen mehr zeigt.
Vielleicht ein wenig zu glatt an mancher Stelle, um ganz die psychedelische Eindrücklichkeit von „Waltz With Bashir“ zu erreichen, aber ein beeindruckender und erschütternder Film, der zurecht eine Oscarnominierung zugleich für „Beste Dokumentation“ und „Besten Animationsfilm“ erhalten hat.
(Noch bis Ende Juli in der ARTE-Mediathek)