vonChristian Ihle 09.01.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Nebenan (2021, Regie: Daniel Brühl) auf Netflix

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Daniel Brühls Regiedebüt – nach Drehbuch von Daniel Kehlmann, auf Grundlage einer Brühl’schen Idee – ist nah am Theaterstück. Mehr oder weniger ein Zwei-Personen-Stück mit manch äußerem Einfluss spielt sich „Nebenan“ beinah ausschließlich vormittags in einer Berliner Eckkneipe ab und nimmt Gentrifizierungsdruck wie Abstiegsangst als Benzin für seinen Plot-Motor. 

Zu meiner eigenen Überraschung ist das Buch so wendungsreich geschrieben, dass mich die immer wieder zu ’stilistierten‘ Performances, das aseptische Setting und die Klischee-Kanonade (von der Kneipenwirtin mit frecher Berliner Schnauze zum Alt-DDRler mit Ostalgie) nicht einmal gestört haben. „Nebenan“ entwickelt sich nämlich zu einem Brüderchen der Gimmick-Thriller wie „Searching“, die mit wenig Aufwand einen wie Uhrwerk laufenden Plot in Gang setzen, der die ganze Spielzeit hinweg fesselt. 

Auch wenn man schon merkt, dass Brühl ein Novize auf dem Regiestuhl ist, ist sein eigenes Spiel als Schauspieler „Daniel“, der auf dem Weg zu einem wichtigen Casting für ein Hollywood-Superhelden-„Franchise“ ist, erstaunlich selbstironisch/-kritisch. Muss man auch erst einmal können, sich so weit von der ‚Ego-Maschine Schauspiel‘ zu distanzieren. (7/10)

Bis wir tot sind oder frei (2020, Regie: Oliver Rihs) auf Netflix

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Die Geschichte um einen Ausbrecherkönig, der von einer Anwältin aus dem linksradikalen Millieu verteidigt wird, ist auf dem Papier eigentlich eine interessante Sache. Leider ist „Bis wir tot sind oder frei“ irre hölzern gespielt und wirklich alle Charaktere so unsympathisch, dass nie ein Interesse an ihnen aufkommt.

Sollte vielleicht wirklich aufhören, Filme von Oliver Rihs zu schauen. Schon der dritte Fehlschlag bei drei Versuchen (Schwarze Schafe, Affenkönig). (4/10)

Point Blank – Aus kurzer Distanz (2010, Regie: Fred Cavayé) auf MUBI

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Adrenalin-Kino, das zwar überkonstruiert ist und bei mancher Entwicklung arg am Suspension Of Disbelief kratzt, aber so schnell und twistig erzählt, dass Fred Cavayés Thriller immer unterhält.

Es fehlt etwas die Tiefe seines inhaltlich durchaus verwandten „Ohne Schuld“ (aka „Anything for Her“ bzw. „Pour Elle“) von 2008, aber auch hier gründet Cavayés Idee wieder erfolgreich darauf, im Kampf um die Kernfamilie einen Normal Joe zum Äußersten zu treiben. (6/10)

White Noise (2022, Regie: Noah Baumbach)

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Dass Netflix Noah Baumbach, dem New Yorker Auteur und modern day Woody Allen, 80 Millionen Dollar in die Hand drückt, um eine absurde Katastrophen-Comedy nach Don DeLillo Vorlage zu verfilmen, ist entweder wahnsinnig oder wunderschön – am Ende aber letzteres in Theorie und ersteres in Praxis.

Denn so sehr ich Baumbachs pointiert geschriebene, kleine Beziehungsgeschichten aus New York liebe, so wenig weiß ich mit „White Noise“ anzufangen. Wie so oft, wenn eine Komödie zur Farce wird, verliere ich den Zugang. So auch in Netflix neuestem Prestige-Projekt, das zwar viele hervorragende Teile hat – Adam Driver & Greta Gerwig in den Hauptrollen, LCD Soundsystem im Soundtrack, ein wirklich toll inszeniertes Katastrophen-Action-Setpiece im Zentrum, nichtzuletzt einige schöne Hitler-Scherze – mich aber als Ganzes nie berührt. Selbst in seiner Grundassage („Fernsehen bad“?) ist De Lillo /Baumbach hier für mich kaum mehr als weißes Rauschen. (5/10)

Broadway By Light (1958, Regie: William Klein) auf MUBI oder bei Vimeo

https://vimeo.com/91514090

Hauptsächlich bekannt ist William Klein als Fotograf. Für dieses filmische Essay holte er sich zwei (spätere) französische Großmeister zur Unterstützug. Alain Resnais übernahm den Schnitt und Chris Marker schrieb den einleitenden Kommentar. 

In „Broadway By Light“ taucht Klein in die Neonwelt des alten New York ein und zeigt die in der Nacht leuchtende Neonreklame. Kurz, aber hypnotisch und dennoch mit subtiler Konsum-is-everything-Kritik:

„The first film I’ve seen in which colour was absolutely necessary” (Orson Welles)

Wäre ein hervorragender Film für das Neonlichtermuseum in Warschau! (6/10)

Blank Narcissus: Passion of the Swamp (2022, Regie: Peter Strickland) auf MUBI

Expliziter Kurzfilm mit schöner Grundidee: ein (fiktiver) alter Regisseur spricht als eine Art DVD-Kommentar aus dem Off über die Entstehung des kleinen Amateurfilmchens, das er mit seinem damaligen Liebhaber gedreht hat. 

Hübsch gefilmt, mit Wehmut im Text & Sperma im See. (5/10)

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kommentare

  • Bis wir tot sind oder frei (2020, Regie: Oliver Rihs) auf Netflix

    Die hier formulierte schlechte Kritik kann ich in keiner Weise nachvollziehen.

    Die Schauspieler sind grandios, die Umsetzung der wahren Geschichte wahrheitsgetreu, vielleicht etwas verträumt bezüglich dem möglichen Verhältnis zwischen der Anwältin und Walter.
    Marie Leuenberger als Anwältin überzeugt in jeder Minute mit Körperhaltung und Ausstrahlung.

    Die bis heute erhaltenen Awards sprechen für sich:
    Best Actress Award für Marie Leuenberger im Hauptwettbewerb von PÖFF Black Nights Film Festival Tallinn.
    4 Preise am Avanca Film Festival: den Best Feature Film Award, Best Actress Award, Best Cinematography Award und den Don Quijote Award.

    Vielleicht kennt der Autor die Geschichte vom 8-fachen Walter Stürm nicht und deshalb auf eine so schlechte Note gekommen.

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