vonChristian Ihle 27.01.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Begemann in Begemann-Form: ein dreieinhalbstündiges Konzert (mit ca. 20 Minuten Pause), das aber dank der ausgedehnten Impro-Dialoge innerhalb der einzelnen Songs wahrscheinlich gar keine sooo lange Setlist ergäbe.

Wie Bernd Begemann selbst ankündigt: „Heute abend alle eure Lieblingslieder in Versionen, die ihr nie hören wolltet.“

Jene In-Song-Rants treffen mal mehr, mal weniger: Frauen sind Monarchieverehrer, nun ja. Andererseits immer noch köstlich: eine spontane „Tatort“-Analyse, die zwar erzählt, was man eh schon weiß, aber das doch sehr pointiert auf den Punkt bringt. Eine Lobrede auf Büchereien („Ihr habt doch einen Büchereiausweis, oder? Ihr seid doch keine fucking Tiere!“), die Sexylosigkeit der Hauptstadt („An alle Männer, die mitgeschleppt wurden wie auf ein Roland-Kaiser-Konzert. Lehnt euch zurück und schaut, wie es geht!“), Gentrifizierung („belästigt vom eigenen Golden Retriever / gefestigt in Barbour-Jacken-Kollektiven / trotzen sie der Gischt“), ein Verdammen der Monogamie oder seine eigene Erfolglosigkeit im Osten („habt ihr schon einmal festgestellt, dass jedes U2-Lied ein Kommentar zur deutsch-deutschen Lage ist?“).

Begemann spielt sich quer durch seine Diskographie, von neuen Turbohits wie „Sie fuhr einen lila Twingo“ über den 20 Jahre alte Seelenbrecher „Berlin war stärker“ zu 90er Jahre Songs wie „Kein Glück Im Osten“ oder zur Not eben auch den Publikumanimationsknaller „Verhaftet wegen sexy“ (letzterer übrigens auf Spotify, wahrscheinlich wegen Olli Schulz- Beteiligung, 25mal so erfolgreich wie der Begemann-Solo-Hit „Unten am Hafen“).

Am Ende wirft Begemann den iPod an, singt Neil Diamonds „Sweet Caroline“ sowie den Chanson-Showtune „C’est si bon“ und man denkt: schade, dass Deutschland kein Las Vegas hat.

Begemann wäre der weiße Tiger unter grauen Katzen in einer solchen Entertainer-Metropole.

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