vonChristian Ihle 22.02.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Golda (Regie: Guy Nattiv)

Guy Nattivs Film über die israelische Premierministerin Golda Meir ist dankenswerterweise kein Biopic, sondern eine Momentaufnahme: Israel 1973.
Ägypten und Jordanien greifen Israel in einer Zangenbewegung an, sozusagen das Rückspiel zum für Israel triumphalen Sechs-Tages-Krieg von 1967.

Nattivs Film beginnt mit Diskussionen in der israelischen Führung, wie intensiv die Kriegsvorbereitungen der Nachbarn sind, ob eine Mobilisierung der Bevölkerung verfrüht wäre und man die USA um Waffenlieferungen bitten solle.

Von dieser Situation aus entwickelt Nattiv einen Hinterzimmer-Kriegsfilm, der – sieht man von einigen Satellitenbildern ab – praktisch keine Kampfszenen zeigt, sondern die Unmöglichkeit makelloser Entscheidungen in Kriegssituationen thematisiert und Golda Meir (gespielt von Helen Mirren) als zweifelnde, aber im Notfall auch entschlossene Führerin zeigt.

Durch den russischen Angriff auf die Ukraine wirken Szenen immer wieder unangenehm nah an unserer Wirklichkeit und spielen manche tagesaktuelle Debatten fast gespenstisch nach (man denke nur an die Waffenlieferungsdiskussionen). Hier gelingt es Nattiv gut, die Abwägungen zu zeigen und die Problematiken, die jede Entscheidung – egal in welche Richtung – mit sich bringt. Darüber hinaus wird “Golda” allerdings selten richtig intensiv und fühlt sich etwas zu sehr nach Ausstattungskino an, als dass die hier gezeigte Kriegsdiplomatie außerhalb von Nahost-Politnerds viel Interesse hervorrufen dürfte.

Femme (Regie: Sam H. Freeman, Ng Choon Ping)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Nachdem die Dragperformerin Jules auf der Straße brutal vom übertättowierten Thug Preston zusammengeschlagen wurde, entdeckt sie ihn einige Wochen später beim Besuch einer Gay-Sauna. Da er sie ohne Drag nicht erkennt, schmiedet Jules einen Racheplan…

Was zunächst wie ein recht simpler Revenge-Thriller klingt, entwickelt sich nach und nach zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit Homophobie, Selbsthass und Verleugnung. Manche Charakterentwicklung im letzten Drittel ist mir zwar etwas zu sprunghaft, als dass ich sie wirklich abkaufen könnte, aber “Femme” findet ein stimmiges Ende seiner nahegehenden Geschichte.

Phänomenal gut spielt George MacKay seinen ungeouteten Ex-Knacki. Wie er den aufgestauteten Selbsthass spürbar macht und ständig gefährlich nah am Explodieren wirkt – aber dann in zwei, drei Szenen einen immer unterdrückten Drang zum Zeigen der eigenen Verletztlichkeit vermittelt, ist wirklich bemerkenswert.

Elaha (Regie: Milena Aboyan)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Die 22jährige Elaha steht kurz vor der Heirat und der Frage, ob sie ihr Abitur nachholen will. Die Restriktionen von Familie und Gesellschaft erwarten von ihr in erster Linie ein intaktes Jungfernhäutchen, dann eine Heirat, aber ganz sicher keinen Schulabschluss.

Regisseurin Milena Aboyan fängt gut die Beengung ein, die Elaha fühlt – daheim sind keine Türen absperrbar, geklopft wird eh nicht und wenn sie mal zehn Minuten später nach Hause kommt, führt die Mutter bereits Kontrollanrufe durch. Stark ist allerdings, wie Aboyan die Eltern nicht einfach als herzlose, traditionsgeile Monster zeichnet, sondern schon immer nachfühlen lässt, wie der äußere Druck ihrer Gesellschaftssituation zu dem harschen Regiment führt. Dennoch steht außer Frage, dass “Elaha” auf der Seite der Hauptfigur steht. Der auf ihr lastende Druck wird auch durch die beengte 4:3-Bildgestaltung förmlich spürbar gemacht.

“Elaha” ist sicher kein perfekter Film, denn vor allem das Ende ist deutlich zu lang geraten und manche Szene leidet am “Zeilen Aufsag”-Modus der NebendarstellerInnen, was gerade bei der sonst so naturalistischen Herangehensweisedem Gesamteindruck doch merklich abträglich ist. Immer wenn sich “Elaha” aber auf seine Figur im Zentrum konzentriert, wirkt der Film nach.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2023/02/22/berlinale-5-golda-femme-elaha/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert