Das Leben ist eine Baustelle (1997, Regie: Wolfgang Becker)
bei Amazon, Apple, Magenta zur Leihe
In seiner Liebe zu Rocknroll und verkrachten Existenzen vor dem Background einer heruntergekommenen Stadt… näher an Kaurismäki war der deutsche Film selten als in „Das Leben ist eine Baustelle“.
Das von Regisseur Wolfgang Becker gemeinsam mit Tom Tykwer geschriebene Drehbuch nimmt sich die Freiheit, keinen geradlinigen Plot zu erzählen, weder einen rechten Anfang oder gar ein offizielles Ende zu finden und signalisiert damit erst recht seine grundsätzliche Message: Leben läuft eben, lauf einfach mit – so gut es irgendwie geht.
Darüber hinaus ist „Das Leben ist eine Baustelle“ zweifach bemerkenswert: nicht nur als Prä-Welterfolg-Film seiner beiden Autoren (Tykwers „Lola rennt“ wird im Folgejahr erscheinen, Beckers „Goodbye Lenin“ dann 2003), sondern auch als Einführung von Christiane Paul und Jürgen Vogel in den deutschen Film, garniert mit Nebenrollen von Meret Becker über Andrea Sawatzki & Martina Gedeck zu Armin Rohde & Heino Ferch – was sich jetzt wie eine Mischung aus Til-Schweiger-Filmcast und Babylon-Berlin-Besetzung liest, war damals jung, frisch, rauh.
Aber mehr noch als der schnoddrige Jürgen Vogel oder die verzaubernd-verrückte Christiane Paul als perfektes Manic Pixie Dream Girl ist die Stadt Berlin in der Hauptrolle. Man muss sich manchmal ungläubig die Augen reiben, dass dieses Berlin erst 25 Jahre alt ist, diese Ruine, Leerstelle, dieser Spielplatz, Neu-Entsteh-Stätte!
Und doch ist genau dieses Berlin eben das Berlin, das alle meinen, wenn sie bis heute von Berlin sprechen.
Ob Becker 1997 schon bewusst war, welchen einmaligen Moment einer Stadt im Umbruch er hier eingefangen hat? (7/10)
Beirut (2018, Brad Anderson)
bei Netflix
Solider Agentenfilm im Nahostkonflikt der 70er/80er, der vor dem Backdrop eines ausgebomten, zerkraterten Beirut spielt.
Vielleicht nicht die glaubwürdigste Geschichte in jedem Move, aber dennoch im Kern viel Wahres, um das dreidimensionale Schachspiel im Hintergrund herzuleiten, das sich in einer von so vielen widerstreitenden Interessen geprägten Region fast zwingend ergibt.
Auch wenn Jon Hamms Figur etwas over the top gezeichnet ist, lebt „Beirut“ schon von seiner Besetzung, die durchaus gern den „Mad Men“-Ball aufnimmt. (6/10)
Paris gehört uns (1961, Regie: Jacques Rivette)
bei La Cinetek zur Leihe
mubi nennt „Paris gehört uns“ eine „enigmatische Zeitkapsel“ – und wer wäre ich, würde ich hier widersprechen?
Seltsamerweise hatte ich Rivettes frühen Nouvelle Vague – Film immer als Beziehungsgeschichte in meinem Kopf abgespeichert, doch das ist natürlich nur ein Drittel der Wahrheit.
„Paris gehört uns“ ist vielmehr ein wirklich sehr verschlossener Paranoia-Thriller, wobei Thriller dann auch schon wieder mehr nach Genre klingt als was Rivette hier zusammenstellt. Ein Meta-Film über ein Theateraufführung, der Verschwörungstheoretikerfilm to end all Verschwörungstheoretikerfilme, ein Spiel mit dem Raunen, dem Wissen zwischen den Spalten oder auch nur den Glauben an jenes Wissen zwischen den Spalten.
Zu abstrakt um wirklich spannend zu sein, aber zu angenehm rätselhaft, um mich kalt zu lassen.
Schwierig – und doch luftig.
Jedenfalls: Sehr eigen!
(7/10)
Wendezeit (2019, Regie: Sven Bohse)
bei Amazon zur Leihe
TV-Doppelagenten-Krimi, der vom Kalten Krieg zum Mauerfall reicht und sich interessanterweise an realen Tatsachen orientiert.
Zu Beginn wie eine öffentlich-rechtliche Version von „Atomic Blonde“, aber insgesamt leicht überdurchschnittlich für Fernsehverhältnisse, allemal besser als Tatort & Co. (5/10)
Die Beschissenheit der Dinge (2009, Regie: Felix van Groeningen)
bei Sooner zur Leihe
Belgischer Elendstourismus in Filmform. Felix Van Groeningen geht aufs Land, in die Kneipen, zu den vokuhilatragenden Kleinkriminellen/Berufsalkoholikern und erzählt die Geschichte eines Aufwachsens in einer Familie des Saufens und der „toxischen Männlichkeit“.
Am Ende gelingt Van Groeningen eine gewisse Wärme, aber zuvor ist mir zu sehr immer die eine Note angespielt, ohne Witz und auch ohne mich berührende Dramatik.
Im Vergleich zu „Ex Drummer“, dem anderen, fast gleichalten belgischen Abstieg in die Niederungen der menschlichen Gesellschaft, fehlt aber der „Beschissenheit der Dinge“ die Radikalität und der Wille, dorthin zu gehen, wo es wirklich schmerzt und etwas auf dem Spiel steht – und sei es nur der gute Geschmack. (4/10)
The African Queen (1951, Regie: John Huston)
Zwischen Abenteuerfilm und Romanze schwankt John Houstons „African Queen“.
Nachdem die afrikanische Missionarsstelle eines britischen Pfarrers von deutschen Nazis niedergebrannt wurde, schlagen sich die Schwester des Pfarrers (Katherine Hepburn) und ein räudiger Kapitän (Humphrey Bogart) auf einem kleinen Kahn durch die Flußbiegungen des Dschungels. Dass die Beiden dabei ihr Herz füreinander entdecken, ist natürlich früh klar, aber dank des eher „fortgeschrittenen“ Alters der beiden Protagonisten (Bogart 52, Hepburn 44) doch keine alltägliche Filmsituation. Während Hepburn überzeugt, gelangt der von mir in seinen Film-Noir-Rollen eigentlich hochgeschätzte Bogart hier allerdings schon an seine schauspielerischen Grenzen. So recht will man ihm den auf See toughen, in Liebesdingen aber etwas täppischen Capt’n nicht abnehmen. Unrasiert sieht Bogey zudem wie verkleidet aus. (5/10)