Der Schwarm (2023, Regie: Luke Watson, Barbara Eder, Philipp Stölzl)
ZDF Mediathek
E01/02: Sagen wir’s mal so: kurzweilig genug ist es, so dass ich nach 45 Minuten immer überrascht war, dass die Folge schon zuende ist.
Aber im Grunde ist „Der Schwarm“ nur poliertes Trashfernsehen. Die beiden Start-Episoden sind eigentlich 1:1 die ersten 20 Minuten eines üblichen Roland-Emmerich-Katastrophenfilms, nur eben mit weniger Bumms und auf größere Länge ausgewalzt. Bisher reine Exposition, die vor sich hinraunt und etwas zu viele austauschbare junge Wissenschaftsgesichter ins kalte Wasser wirft.
E03-08: Wird leider nach der langen Exposition (die noch gut bis zur vierten Folge dauert) schlimmer statt besser. Wenn erstmal der Schleier des Rätselhaften weggezogen ist, hat es einen ähnlichen Effekt wie damals in den „Star Wars“-Prequels, als man das Jedi-Wesen mit Blutplättchen erklärt hatte. Schade vor allem um Leonie Benesch, die als einzige hier bleibenden Eindruck hinterlässt (Naja, vielleicht auch noch Klaas Heufer-Umlauf, allerdings wohl nicht in der Art wie er es sich gewünscht hätte…)
Anschaubar, aber wenn das eine der teuersten Produktionen der europäischen Fernsehgeschichte ist, sollten vielleicht wirklich langsam mal die Tiere die Macht übernehmen.
Bin also am Ende eher Team Frank Schätzing
Escape Room 2: No Way Out (2021, Regie: Adam Robitel)
bei den üblichen Anbietern zum Kauf
Während der erste Teil von „Escape Room“ noch ein leidlich unterhaltsamer Horrorfilm war, ist die mehr oder minder direkt daran anschließende Fortsetzung heillos überkonstruiert. Selbst wenn man die Grundidee abkauft, dass hinter den Escape Rooms eine gewaltige Verschwörung der Reichsten steckt, die hier zur Befriedigung des eigenen Sadismus für viel Geld die Logik zum ‚Nonescape Room‘ eines Gladiatorenkampfes umbauen, sind die Vorbereitungen, die in diese Situationen fließen müssten, abenteurlich.
„Escape Room“ ist gleichzeitig zu elaboriert in seinem Konstrukt wie zu berechenbar in seiner operativen Ausführung, als dass er als Film funktionieren würde. Vor allem raubt diese Mega-Verschwörungs-Idee im Hintergrund die Nachvollziehbarkeit des ersten Teils. Dass all die Rätseleien natürlich absurd sind und keinesfalls in den dargestellten Szenen lösbar wären, hilft der Immersion auch nicht – ganz abgesehen davon, wieviel Vergnügen es bereitet, jemanden beim Rätsellösen zuzuschauen statt einfach selbst zwei Stunden mit Knobeleien zu verbringen?
Der Mann mit zwei Frauen / The Bigamist (1953, Regie: Ida Lupino)
in der Arte Mediathek
Ida Lupino war eine der wenigen Frauen, die nach dem zweiten Weltkrieg in Hollywoods Männer-Phalanx an Regisseuren eingebochen war. Mit „The Bigamist“ greift sie ein heißes Eisen an: ein Mann mit Doppelleben, zwei Frauen, zwei Familien – die nichts voneinander wissen.
Interessant ist aber vor allem, wie Lupino diese Geschichte inszeniert: zu Beginn entwickelt sich „The Bigamist“ wie ein Film Noir. Ein Vertreter einer Adoptionsagentur stellt Nachforschungen an und entdeckt, dass Harry Graham wohl nicht nur der erfolgreiche Sales-Mann und treusorgende künftige Familienvater ist, als der er sich ausgibt.
Doch Lupino geht nicht den erwartbaren, einfachen Thriller-Weg, sondern wählt nach Aufdeckung des Geheimnisses den Weg ins Melodram. Weder wird Harry Graham von seinem Lug & Trug freigesprochen, noch wird er als hinterhältiges, gaslightendes Monster beschrieben. Lupino erschafft runde Charaktere mit Fehlern, aber auch Tugenden. Erklärt die Gründe, so schlecht die Resultate, zu denen sie führen, auch sein mögen.
Ein reifer, erwachsener Film.
Der Navigator (1924, Regie: Buster Keaton, Donald Crisp)
in kompletter Länge auf YouTube und in der Arte Mediathek
Eher schwächerer Buster-Keaton-Film, was auch an der Wahl der Location liegt: Keaton ist ja immer dann stark, wenn er die Magie der Kinetik auf die Leinwand bringt und die absurdesten Zusammenstöße und Ding-Verwicklungen über die Zuschauer rollen lässt (wie beispielsweise in der irren Verfolgungsjagd in „Sieben Chancen“).
Da „Der Navigator“ aber praktisch ausschließlich auf einem führerlosen Schiff spielt, ist Keatons Bewegungsradius natürlich stark eingeschränkt und es lassen sich kaum diese typischen Buster-Situationen erzeugen.
Toll ist zwar als sich die beiden einzigen Gäste auf dem führerlosen Dampfer gegenseitig suchen, während der das Schiff in der Totalen gefilmt und so zu einer Kinodemonstration des Escher-Treppen-Prinzips wird!
Von diesen Szenen gibt es aber nicht allzu viele, so dass „Der Navigator“ nicht an die Glanztaten der physischen Keaton-Comedy heranreicht.
Hunted (2020, Regie: Vincent Paronnaud)
zur Leihe bei Amazon, Google, Magenta, Apple & Co
Starker Anfang, gutes Mittel, auströpfelnder Schluss.
„Hunted“ ist ein quasifeministischer Horrorfilm, ein Survivialthriller im Wald – aber statt wilder Tiere gibt hier Der Mann den Gegenspieler unserer Heldin.
Arieh Worthalter liefert einen guten Psychopathen, der hinter einer charmanten Fassade seinen Wahnsinn durchschimmern lässt.
Daughters of the Dust (1991, Regie: Julie Dash)
auf mubi
Nicht meine Tasse Dust.
Überstilisiertes Acting ist für mich – mit Ausnahme von einigen Fassbindern – wirklich der Tod jeden Films. Der sehr seine Entstehungszeit betonende Score hilft auch nicht weiter: anschwellende Synthies liefern verlässlichen Ethnokitsch. Mit seinem skizzenhaften Plot, aber schönen Bildern wirkt „Daughters Of The Dust“ wie einer dieser Berlinale-Forum-Beiträge, die ich immer zu meiden suche.
Die Einschätzung als 60.bester Film aller Zeiten (Sight & Sounds jüngster Zehnjahrespoll)? Für mich zumindest nicht nachvollziehbar.
Im Auftrag des Terrors (2007, Regie: Barbet Schroeder)
auf mubi
Dokumentation über den Rechtsanwalt Jacques Vergès, der viele (mindestens) streitbare Figuren vertreten hat.
Vergès beginnt seine Karriere verbittert über die französischen Unterdrückung Algeriens und unterstützt die dortige Freiheitsbewegung. Geprägt von dieser Erfahrung sieht Vergès in Frankreichs Staat einen Bösewicht, bei dem er auch keine Scheu hat, den Vergleich mit Nazideutschland zu ziehen (das sind für einen deutschen Zuschauer wahrscheinlich die befremdlichsten Szenen, denn bei allen Grausamkeiten Frankreichs in der Kolonialgeschichte sind wir hier natürlich nah an einer Relativierung des Holocausts). Dieser Standpunkt Vergés gipfelt in seiner Arbeit für den Nazischlächter Klaus Barbie.
Und hier setzt auch mein Kritikpunkt ein: Barbet Schroeder fängt viele zeithistorisch wichtige Wendemarken der europäischen, afrikanischen, asiatischen Politik der letzten 80 Jahre ein, fragt mir aber zu wenig nach. Es ist durchaus legitim, Vergès für sich sprechen zu lassen, aber gerade einen Rechtsanwalt könnte man schon auch mehr herausfordern, dass er seine Standpunkte präzisiert und genauer verteidigen muss – denn nie wird richtig klar, ob es nun (aus Vergés Sicht) ehrbare Anliegen waren, die dazu geführt haben, algerische Untergrundkämpfern, kambodschanische Diktatoren (Pol Pot), NS-Kriegsverbrecheer (Barbie) und internationale Terroristen (Carlos) zu verteidigen. Oder eben doch nur die Gier nach Geld, nach Aufmerksamkeit?