vonChristian Ihle 26.06.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Ödipussi (1988, Directed by Vicco von Bülow)
auf Netflix

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Kürzlich in einer Kneipen-Diskussion: gibt es irgendeinen deutschen 80er-Jahre-Humor, der gut gealtert ist? Otto? Didi? Sketchup?

Meine Antwort wäre nun auf jeden Fall: Loriot! Ich hätte nicht gedacht, dass Vicco von Bülows erster Kinofilm so meine Lachmuskeln beansprucht. Die von Loriot selbst gespielte Hauptfigur erinnert in seiner minimalistischen, nie den Joke lachend ausspielenden Art tatsächlich an Leslie Nielsens große Auftritte in der „Nackten Kanone“, nur dass der zerstörungswütige Irrsinn der Z/A/Z-Produktionen hier auf bundesrepublikanisches Möbelrücken eingedampft ist. Wie wunderbar Loriot aber das Kleingärtnertum der BRD aufspießt und dennoch nicht platt über die Stereotypen lacht, sondern in seiner Ödipussi-Figur herrlich den Zwiespalt zwischen verinnerlichter Ordnungsliebe und unterdrücktem Lebenwollen ausspielt, ist fabelhaft.

Im Rückblick wirklich schade, dass Loriot mit „Ödipussi“ und Pappa Ante Portas“ nur zwei Kinofilme gedreht hat!

Die Känguru-Chroniken (2020, Regie: Dani Levy)
auf Netflix & Amazon Prime

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Gut, ein marxistisches Känguruh in Kreuzberg auf dem Feldzug gegen Gentrifizierung – was kann schief gehen?

Leider viel, denn Dani Levys Bestseller-Verfilmung ist dann doch recht öd und platt geworden, gelingt kaum ein Lacher und verbreitet in erster Linie Langeweile. Das Herz mag auf dem linken Fleck sein, aber das allein trägt ja keinen Film.

Die schwarze Narzisse (1947, Regie: Emeric Pressburger & Michael Powell)
auf mubi

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Farbenprächtiger Abenteuerschinken um Nonnen im indischen Hochgebirge. Powell / Pressburger malen die schönsten Bilder in den hellsten Farben, aber die Geschichte hat doch zum Gutteil Patina angesetzt. Auch wenn am Ende die Intensität mit zunehmendem Wahnsinn der Nonnen steigt, ist der Weg dorthin lang und steinig. Fritz Langs „Tiger von Eschnapur“ ist sicher mehr pulpy, aber dafür auch mitreissender.

Hellbender (2021, Regie: John Adams & Zelda Adams & Toby Poser)
auf Amazon Prime

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Erstaunlich gut aussehender No-Budget-Film von einer Familie Horrorfreaks, die ihre eigenen Spielfilme drehen.

Inhaltlich ist „Hellbender“ als Coming-of-Age für Witches zwar etwas dünn und gegen Ende weniger überzeugend als in seiner ersten Hälfte, aber das ist schon sehr respektabel. Tochter Zelda Adams zudem überzeugend.

Fall (2022, Regie: Scott Mann)
auf Amazon Prime

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Neuzugang für das Subgenre der Minimalistischen Extremsituation-Survival-Thriller, diesmal: zwei Mädels klettern auf einen baufälligen, 600 Meter hohen Radioturm im Nirgendwo und – potzblitz! – bleiben dort in der luftigen Höhe hängen. Was nun?

Eineinhalb Stunden Überlebenstaktiken, die dadurch etwas anstrengend werden, dass beide Protagonistinnen nicht unbedingt zum Knuddeln sind. Die hyperaktive Antreiberin ist eine YouTube-Schnickse, die hart auf viele Klicks aus ist, und die trauerklößige Zögerliche trägt noch das Trauma des beim Freeclimbing abgestürzten Freunds mit sich herum.

Die Bilder sind aber stark (man hat wohl die oberen 30 Meter eines Radioturms auf einen Berggipfel gebaut, so dass die Illusion der Höhe nicht durch CGI allein entsteht, sondern wirklich Shots mit freier Luft drumherum gemacht wurden) und sorgen selbst bei nicht akut vorhandener Höhenangst doch für merklich feuchte Hände.

Gegen Ende geht „Fall“ allerdings die Luft aus und das Ende ist abrupt kurz, nachdem wir 90 Minuten lang verschiedenste Rettungsaktionen scheitern sehen mussten, landen wir dann doch schnell mit einem Schnitt am Boden.

Atlantique (2020, Regie: Mati Diop)
auf Amazon Prime

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Ruhig erzähltes Drama mit Thriller-Untertönen über die Selbstbestimmung einer Frau und die Unterdrückung von Arbeitern. Generell überzeugend und mit guten Bildern, aber inhaltlich ist ausgerechnet der große Twist der Geschichte absurd, weil er keiner vom Film vorher etablierten Gesetzmäßigkeiten folgt. Deshalb ist „Atlantique“ zwar gut anzuschauen, aber auch frustrierend.

Und draußen die Nacht (2022, Regie: Marco Bellocchio)
Miniserie auf Arte

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Die 70er in Italien, Mann, waren die wild!

Brigate Rosse, Altfaschisten, korrupte Konservative, in die Regierung drängende Kommunisten, Aldo Moros Idee einer Koalition aus ND (quasi die italienische CDU) und der Kommunistischen Partei… Schaut man noch mal auf dieses Jahrzehnt zurück, dann kommt einem die Jetztzeit gar nicht mehr so arg polarisiert vor.

„Und draußen die Nacht“ ist eine gute Polit-Thriller-Serie über diese politischen Verwerfungen im Italien der 70er, die unter anderem in der Entführung des Präsidenten Aldo Moro gipfeln. Die Serie setzt allerdings schon etwas Wissen voraus und gibt sich nicht viel Mühe, die einzelnen Akteure und Fraktionen en detail vorzustellen. Aber ich nehme an, dass die wilden 70er Jahre in Italien und insbesondere die Entführung von Aldo Moro noch so präsent sind, dass dort viel Erklärbärerei gar nicht nötig ist.

Man merkt deutlich, dass mit Marco Bellocchio ein Kino-Altmeister hinter dieser Serie steht, denn Score und Einstellungen sind weit mehr als üblicher Fernsehbrei.

Bellocchio verweigert sich auch einer zu straighten Erzählung. Die tatsächliche Ermittlungsarbeit der Polizei vernachlässigt er fast völlig, er richtet seinen Blick in erster Linie auf die politischen Verflechtungen, die das Klima für diese Eskalation bereitet haben.
Und weicht für ein, zwei Folgen auch auf die Perspektiven einzelner Akteure aus (einmal eine Brigate Rosse Terroristin, einmal Aldo Moros Ehefrau). Insgesamt hätte es mir vielleicht die Ecke straffer erzählt sein können und vier (statt sechs) Folgen hätten „Und draußen die Nacht“ gut getan, aber dennoch klar über vergleichbaren Aufarbeitungen des deutschen Fernsehens über Politik der 70er.

P.S: Toller Soundtrack, bin ganz hin von Jeannettes „Porqué Te Vas“:

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