Was man Werner Herzog sicher nicht vorwerfen kann: übergroße Bescheidenheit. Herzog erzählt in „Jeder für sich und Gott gegen alle“ sein Leben und lässt keinen Zweifel daran, dass es richtig war, genau so gelebt, all das erfahren, gegen all das gekämpft zu haben und wie ein Soldat im Dienste des Kinos immer weiterzumarschieren.
Ich kann mir vorstellen, dass dieser Gestus durchaus auch abschrecken kann, aber andererseits erzählt Herzog einfach die besten Geschichten – und hat so viele davon! Am stärksten wird seine erste Autobiographie, wenn Herzog von den nie realisierten Filmen spricht, von diesen vielen Ideen, die wahrscheinlich nicht mehr in sein Leben passen werden. Jeden einzelnen davon würde ich sofort anschauen wollen, egal ob es die immer gleichzeitig sprechenden britischen Zwillinge sind oder der Streifen mit Mike Tyson über alte fränkische Könige!
„Jeder für sich und Gott gegen alle“ ist dabei weniger schreiend komisch als Michael Cronins phänomenales Interviewbuch mit Herzog („Herzog On Herzog“, hiermit wärmstens empfohlen) und weniger existentialistisch als Herzogs Fitzcarraldo-Tagebuch „Conquest of the Useless“, sondern zugänglicher und auch vielschichtiger. Aber so unterhaltsam, dass ich sofort einen zweiten Band der Herzog’schen Lebensgeschichten lesen würde.
Favourite Quotes:
* Ich halte das 20. Jahrhundert in seiner Gesamtheit für einen Fehler.
* Ich war bei den Dreharbeiten zu „Echos aus einem düsteren Reich“ in der begehbaren Kühlkammer, wo französische Fallschirmeinheiten, als sie [Diktator] Bokassa vertrieben, den halben Innenminister, vielleicht war es auch ein anderer hochrangiger Politiker, tiefgefroren fanden. Er hing dort noch, wie man eine Schweinehälfte an der Ferse aufhängt. Bokassa hatte ihn wegen Hochverrats erschießen lassen und im Anschluss ein Bankett gegeben, bei dem seine Gäste den Innenminister aßen. Weil es aber nur etwa ein Dutzend Gäste waren, entschloss sich der Koch, nur den halben Minister zuzubereiten, die andere Hälfte fror er ein und hob sie auf.