Asteroid City (2023, Regie: Wes Anderson)
Im Kino
Mit „Asteroid City“ ist Wes Anderson nun wirklich in seiner Meta-Phase angekommen.
Bereits der Vorgänger „French Dispatch“ war ja in vielen Momenten ein Film über Wes-Anderson-Dinge, aber „Asteroid City“ übersetzt diesen Ansatz noch mal ins Konkrete und ist aufgebaut wie eine Wes-Anderson-Matrjoschka. Ein Präsentator (Bryan Cranston) erzählt in schwarz-weiß von einem Autor, der ein Theaterstück schreibt. Den Autor (Ed Norton) wiederum beobachten wir – immer noch in schwarz-weiß – wie er seinen Hauptdarsteller findet. Der Hauptdarsteller (Jason Schwartzman) nun spielt seine Rolle im Stück „Asteroid City“, der pastellendsten Welt vorstellbar.
In diesem Meteoritendorf findet auch die eigentliche Action des Films statt, allerdings sind durch die Welt-in-Welt-Konstruktion die bei Anderson ja nun eh schon nicht in Übermaß vorhandenen Emotionen gleich zweifach weiter von einer Realität entfernt.
„Asteroid City“ ist natürlich wunderbar anzusehen, vielleicht sogar der „schönste“ Anderson-Film überhaupt, und randvoll mit exzentrischen Charakteren, die ihre manchmal ins Absurde ragenden Textzeilen mit größter Nonchalance auftragen. Dennoch fühlt sich „Asteroid City“ auch leerer an, künstlicher und noch abstrakter, so dass ich hoffe, dass Anderson hiermit einen Endpunkt dieser Art des Erzählens gefunden hat und wieder nachfühlbare Momente der Gebrochenheit einführt, wie sie von „Rushmore“ über „Royal Tenenbaums“ bis zu „Fantastic Mr Fox“ immer das Herzchen hinter all dem stilistischen Glanz waren. (6/10)
Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil 1 (2023, Regie: Christopher McQuarrie)
Im Kino
Ein angesichts seiner Spielzeit von 2,5-Stunden-plus erfreulich kurzweiliger Action-Blockbuster aus dem Hause Cruise/McQuarrie.
Als Bösewicht hat man diesmal einen Mann aus Ethan Hunts Vergangenheit namens Gabriel ausgegraben (Esai Morales als Ersatz-Bardem), doch hinter dem Latino Villain steht als Endgegner eine „Entity“, ein wildgewordenes AI-Programm. Und so könnte, könnte „Mission: Impossible“ en passant einen interessanten Kommentar zur sich immer schneller verändernden Realität abgeben, doch wird dermaßen viel Unsinn verzapft in den verschiedenen Plot-Erzähl-Gremien-Runden, dass ich nur noch mit den Augen rollen konnte, wenn das nächste mal die datenallwissende „Entity“ wieder etwas total verrücktes gemacht / vorhergesehen hat (aber fünf Minuten zuvor Ethan & Kollegen ihre Computerspielereien hat durchgehen lassen…).
Soll ich mich nun über all die unsinnigen Elemente echauffieren oder „M:I 7“ einfach akzeptieren, für das, was es sein will?
Mein Grundproblem ist die wirklich übertriebene Unmöglichkeit der Mission in „Mission: Impossible“ und, ja, das bedeutet wahrscheinlich, dass ich mir wirklich zu viele Gedanken darüber mache. Wenn man die jüngsten Episoden der „Mission:Impossible“-Reihe nicht zu unrecht als next generations James Bond betitelt hat, ist „Dead Reckoning“ spiritueller Bruder in der Bond-Reihe aber eben die Roger-Moore-Ära, also der grenzenlos überzogene Action-Karneval, der zur Not mit den Augen zwinkert, wenn es mal so hart over the top geht, dass selbst der stumpfeste Zuschauer zweifelnd vor der Leinwand sitzt. (6/10)
Avatar – The Way Of The Water (222, Regie: James Cameron)
auf Disney+
Sind denn alle irr geworden? Schon der erste „Avatar“ war ja völlig überschätzter Ethno-Kitsch, aber diese Fortsetzung macht ja alles nur noch schlimmer, länger und öder!
Mag sein, dass sich in 3D auf größter Leinwand noch ein wow-Faktor einstellen kann, reduziert auf 2D ist selbst die vermutete Kernkompetenz des Films dünn – manche Szenen sind natürlich fantastisch (zumeist alles unter Wasser), doch die größte Strecke des Films wirkt wie ein „Let’s Play“ eines extrem künstlichen Videogames.
Die weit über 3 Stunden Laufzeit sind zudem nicht hilfreich, wenn vieles davon entweder für Erklärbär-Spaziergänge durch die Flora & Fauna bzw das Wasserreich des Planeten verwendet werden oder die üblich-öden CGI-Kämpfereien am Ende.
Dass es Cameron aber nicht mal schafft, in dieser unendlich langen Spielzeit ein halbwegs klares Bild der Zusammenhänge zu entwerfen und beispielsweise seine anfangs im Film noch angekündigte Kolonalisierung des Planeten auf ein schnödes Racheduell zwischen zwei blauen CGI-Figuren mit anhängender Familie zusammenschmort, springt dann wirklich unter jeder Messlatte durch. (3/10)
Eindeutig #teambradshaw:
„James Cameron’s soggy new digitised film has beached like a massive, pointless whale. The story, which might fill a 30-minute cartoon, is stretched as if by some AI program into a three-hour movie of epic tweeness. (…)
The effects now, technically impressive as they are, amount to high frame-rate motion smoothness which is soulless and inert, creating not so much an uncanny valley but an uncanny Mariana Trench down in the depths. Cameron’s undersea world is like a trillion-dollar screensaver. (…)
The submarine world of this film is, in its way, its chief character and its whole point. The move from land- to sea-based existence is the way a new film was created. But the sea world is imagined with a lot of cliche. Frankly, there isn’t a single interesting visual image and the whole thing has the non-briny smell of a MacBook Pro. Finding Nemo was more vivid.
And what do we find aside from the high-tech visual superstructure? The floatingly bland plot is like a children’s story without the humour; a Young Adult story without the emotional wound; an action thriller without the hard edge of real excitement.“
(Pete Bradshaw im Guardian)
The Five Devils (2022, Regie: Léa Mysius)
auf mubi
Atmosphärisch starke, inhaltlich etwas überfrachtete Mischung aus Kleinstadterzählung, dysfunktionaler Menschen&Familien-Geschichte, Randgruppenbullyingdrama und übersinnlichen Elementen.
Die junge Vicky hat einen außergewöhnlichen Geruchssinn, der ihr zuweilen sogar ermöglicht, an vergangene, zum Geruch gehörende Momente zu springen. So lernt sie die unter der Oberfläche verborgenen Geheimnisse und Probleme ihrer eigenen Familie kennen und entdeckt auch den ursprünglichen Sündenfall, der zum Auseinanderreißen der Kleinstadt geführt hat.
Genau in diesen eher genrehaften Stellen erreicht „The Five Devils“ seine größte Dringlichkeit und dank des starken Soundtracks leben auch manche zwischenmenschlichen Momente auf. So recht wird allerdings nie klar, was das Übersinnliche mit dem Sinnlichen zu tun hat, und wieso dieses Element überhaupt eingeführt werden muss, wenn die Geschichte und ihre Dynamiken auch klarer ohne erzählt werden könnten. (6/10)
Mr. Deeds geht in die Stadt (1936, Regie: Frank Capra)
bei Apple, Amazon zur Leihe oder auf YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=H1KdnHhuZoQ
Eine klassische „Reiner Tor“-Geschichte von Frank Capra, in der dem unbescholtenen, etwas naiven, immer tubaspielenden, aber herzensguten Mr Deeds ein Millionenerbe zusteht, er dafür in die große Stadt zieht und dort von der Verschlagenheit der Menschen enttäuscht wird.
Für seine ersten eineinhalb Stunden ist das toll und trotz seines Alters von fast 90 Jahren flott erzählt, endet aber leider in einer wirklich absurden Gerichtsverhandlung, die so drunter und drüber ist, dass ich jeglichen Glauben an die Geschichte verloren habe.
Erste eineinhalb Stunden aber stark. (6/10)
Mit Liebe und Entschlossenheit (2023, Regie: Claire Denis)
im Kino
https://www.youtube.com/watch?v=3zTrJjlwhJE
Viel französischer geht’s kaum: ein irre geschwätziger Film um eine Dreiecksgeschichte mit Juliette Binoche.
Sara (Binoche) hat vor vielen Jahren ihren Mann Francois (Grégoire Colin) für seinen Kollegen Jean (Vincent Lindon) verlassen, doch nun will Francois wieder mit Jean zusammenarbeiten und eine gemeinsame Agentur gründen. Prompt verguckt sich Sara wieder in Francois und betrügt nun Jean, mit dem sie ursprünglich Francois betrogen hatte.
Franzosen, eh?
Mehr als dieses von Gesprächen und Geschrei begleitete Hin-und-Her hat Claire Denis nicht zu erzählen, außer dass sie am Ende die Frage stellt, inwieweit Sara Getriebene oder (manipulativ) Handelnde ist. Am interessantesten ist aber die Figur des von Grégoire Colin blass gespielten Francois, hinter dessen glatter Fassade eine gewisse Verschlagenheit durchblitzt, die „Both Sides Of The Blade“ auch zum Thriller hätte entwickeln können. Doch diesen Weg geht Denis nicht und bleibt damit einer klassisch französischen, Chabrol’schen Tradition treu: Krimi-Konstrukte anzudeuten, sie aber nie einzulösen.
Westworld (1973, Regie: Michael Crichton)
bei Apple, Amazon, Sky zum Leihe
Es ist die alte Geschichte: Ein Vergnügungspark, menschenähnliche Roboter zum Interagieren, Erschießen, Beglücken.
Bewusstsein erwacht, Menschen werden nicht mehr beglückt, Yul Brunner nimmt ganz in schwarz Rache aus dem Roboterreich…
Zum Teil fühlt sich „Westworld“ angesichts aktueller AI-Diskussionen geradezu gespenstisch aktuell an für sein Entstehungsjahr von 1973 – und zwar immer dann, wenn der Blick auf die dystopisch-wissenschaftliche Seite geworfen wird und der Chefwissenschaftler beispielsweise äußert, wie komplex diese Maschinen wären und dass manche ja von anderen Computern gebaut wurden und man gar nicht genau wisse, wie sie eigentlich funktionieren… Leider ist viel vom restlichen Film eine recht staubige Westernparodie mit ständigen Salon-Schlägereien, die weit weniger smart sind.
Ganz interessant ist „Westworld“ filmhistorisch: inhaltlich praktisch ein direkter Blueprint für zwei der größten Blockbuster der 80er/90er. Zum einen hat Michael Crichton natürlich seine eigene Geschichte für „Jurassic Park“ noch einmal 1:1 aufgewärmt und desweiteren ist das letzte Drittel eine mehr als deutliche Steilvorlage für Camerons „Terminator“. (6/10)
STILL: A Michael J. Fox Movie (2023, Regie: Davis Guggenheim)
bei AppleTV+
Dokumentation über den 80ies Wirbelwind Michael J Fox, der ja bekanntermaßen seit gut drei Jahrzehnten an Parkinson leidet.
Regisseur Davis Guggenheim gelingt stark, die von Fox selbst erzählte Lebensgeschichte mit alten Filmausschnitten zu bebildern und eine Story zu erzählen, die die Bilder damals gar nicht in sich trugen. Fox ist zudem überaus sympathisch, unprätentiös und will um jeden Preis vermeiden, aus seiner Lebensgeschichte einen Tränenzieher-woo-poor-me-Film zu machen. Großen Respekt dafür.
Faszinierend sind zudem die Szenen, in denen Guggenheim & Fox zeigen, wie er in den 90ern seine Erkrankung (die sich zum Beispiel in zitternder linker Hand äußerte) in Filmen überspielte, als die Diagnose noch nicht öffentlich war. (6/10)