John Wick: Chapter 4 (2023, Regie: Chad Stahelski)
bei den üblichen Plattformen zur Leihe
Es passiert auch selten, dass der vierte Teil einer Reihe die zugrunde liegende Idee am besten umsetzt und spielerisch perfektioniert.
(Spontan würde mir nur „Mission: Impossible“ einfallen, das nach gutem Start mit Brian De Palma einige fürchterliche Episoden hatte, bis gegen Ende daraus ein verlässlicher, aber nicht strunzdämlicher Actionoverkill wurde)
„John Wick 4“ macht im Grunde nichts anderes als der John Wick der Episoden 1 – 3 und natürlich bin ich gern der erste, der fragt, warum es dafür eine Laufzeit von 169 Minuten benötigt, aber Regisseur Chad Stahelski hat Wick noch nie in so viel geilen Style getaucht. War dieses Franchise bisher von einer zu glatten Pseudo-Coolness geprägt, die sich irgendwo zwischen „Matrix“ und „Pulp Fiction“ einreihen wollte, ist diesmal ein Wille zum Neon (Japan!) und zum großen Bild (Frankreich!) zu erkennen, das mehr an „Atomic Blonde“, einen der besten Actionfilme des letzten Jahrzehnts, erinnert.
Natürlich ist auch die vierte Inkarnation von John Wick randvoll mit den üblichen Ärgernissen wie zu lange Fights, zu quatschige Bösewichte und generelle Unglaubwürdigkeit bei aller hübschen Choreographie, aber dennoch unterhält Wick diesmal besser.
P.S.: schön absurder Auftritt von Berghain-Türsteher Sven Marquardt als flamboyanter Haudegen. (7/10)
Bullet Train (2022, Regie: David Leitch)
bei den üblichen Plattformen zur Leihe
Als wäre der „Bullet Train“ direkt aus den späten 90ern eingerauscht: ich hätte nicht gedacht, dass es so einen satirisch zugespitzten Quasi-Tarantino heutzutage noch gibt. Vor 20 Jahren hätte ein Guy Ritchie in Bestform diesen Film gedreht!
Zu meiner noch größeren Überraschung hat „Bullet Train“ aber auch irren Spaß gemacht, war in all seiner grundsätzlich derivativen Anlage überaus originell in den Verwicklungen, Kills und Plot-Auflösungen. Eine beeindruckend starke Darstellerriege (Brad Pitt in einer seiner lässigsten Rollen seit langer Zeit und der wie immer beeindruckend schwermütige Brian Tyree Henry stechen noch einmal hervor), fancy Kameraarbeit und eine durchgeknallte Story mit genügend emotionaler Grundierung machen aus diesem (mehr oder weniger) One-Location-Film wirklich eine schöne Achterbahnfahrt.
Wegen mir dürfte das Mainstream-Kino gerne wieder mehr auf diesen Zug springen! (7/10)
Spider-Man: No Way Home (2021, Regie: Jon Watts)
bei den üblichen Plattformen zur Leihe
Hätte ich nicht zwingend erwartet, aber „Spider-Man: No Way Home“ ist tatsächlich ein seltenes Glanzlicht in der späten Marvel-Phase und einer der allerbesten Filme des MCU.
Zum allerersten Mal macht der ganze Multiverse-Quatsch auch irgendeinen Sinn und gibt einen Meherwert für die Story anstatt immer alles zu einem noch egaleren Brei einzustampfen. Die wirklich herausragend gute Idee, die alten Spider-Mans in diesen Film zu holen UND durch das Multiverse auch noch eine halbwegs sinnvolle Begründung dafür zu finden, nötigt mir Respekt ab.
Wie schön es auch ist, Tobey Maguire mal wieder zu sehen! Und Andrew Garfield ist – trotz seiner eigenen schlechten damaligen Spider-Man-Versuche – geradezu knuddelig linkisch. Willem Dafoe zeigt als importierter Green Goblin zudem, wie vielschichtig man auch im zweidimensionalen Marvel-Universum einen Bösewicht anlegen kann.
Trotz zweieinhalb Stunden Spielzeit bleibt „Spider-Man: No Way Home“ immer kurzweilig und dieses eine Mal ist sogar der übliche CGI-Irrsinn am Ende nicht ganz bescheuert, sondern fühlt sich annähernd real an.
Hut ab, spinn auf! (7/10)
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Erfolgreichster Film des Jahres 2021 in D: #2 mit 4,6 Zuschauern
Erfolgreichster Film des Jahres 2021 in USA: #1 mit 804 Mio $
Under the Rose (2017, Regie: Josué Ramos)
bei Amazon Prime
Ein zehnjähriges Mädchen verschwindet, ein Fremder kommt zu Besuch und stellt die Restfamiile vor seltsame Aufgaben, um das Mädchen wieder zu finden.
„Under The Rose“ ist ein kleines Kammerspiel, das aus seiner einfachen (und zugegeben, etwas überkonstruierten) Prämisse dank eines starken Drehbuchs und harter Konsequenz einen beeindruckenden Film zaubert. Dabei gelingt Regisseur Josué Ramos auch noch schleichend, die Bösewichter-Rolle innerhalb des Ensembles zu verschieben, bis man am Ende als Zuschauer doch einiges akzeptiert, was außerhalb des moralischen Rahmen liegen sollte.
Richtig stark. (7/10)
Christine (1958, Regie: Pierre Gaspard-Huit)
bei RTL+ zur Leihe
Farbenprächtiges Melodram mit Romy Schneider und Alain Delon zu Beginn ihrer Karriere.
Natürlich etwas plüschig, natürlich etwas staubig, aber eben doch weniger Heimatfilm als die „Sisi“-Reihe, mit der Romy wenig später zum Weltstar in Deutschland wurde. Am Ende greift das Melodram doch überraschend heftig zu. (6/10)
Tödliche Bekenntnisse / Read My Lips (2001, Regie: Jacques Audiard)
Der beste Jacques Audiard – Film, den ich bisher gesehen habe – und das beinhaltet „Un prophète“. Der junge Vincent Cassel ist hier in einem fantastischen Straßenköter-Mous unterwegs, die Frisur signalisiert bereits die mühsam zurückgehaltene Assigkeit. Cassel schafft eine Gleichzeitigkeit von Angst, Abscheu und doch Sympathie bei mir zu erzeugen.
Audiard filmt „Read My Lips“ (VIEL besserer Titel zu einem Film, in dem Lippenlesen ein plottreibendes Element darstellt als der generische deutsche Verleihtitel „Tödliche Bekenntnisse“) als Drama, das im Genre fußt, und schafft beides: einen harten Thriller, der mehr kann, als nur Spannung zu erzeugen. Stark. (7/10)
Judy (2019, Regie: Rupert Goold)
bei Netflix
Übliches Bio-Pic-Malen-nach-Zahlen, schlimm rührseliger Schluss inklusive – warum nur ist dieses Genre so populär?
Und wie albern ist bitte, dass Renée Zellweger für diese weinerliche Mimikry-Performance einen Oscar erhalten hat? (4/10)
True Story (2015, Regie: Rupert Goold)
bei Disney+
Als ein Reporter der New York Times (Jonah Hill) wegen Ungenauigkeiten in seinen Texten gefeuert wird, sieht er eine Geschichte über einen vermutlichen Familienmörder (James Franco) als seinen Weg zurück in den geliebten Beruf. Der Zugang zum Verdächtigen öffnet sich, als bekannt wird, dass dieser auf der Flucht sich als jener ausgegeben hat, der Verdächtige also angab, der gefeuerte Journalist zu sein.
„True Story“ erzählt sowohl die Geschichte von Michael Finkel, des in Ungnade gefallenen Reporters, als auch von der Verhandlung zu den Taten von Christian Longo. Neben dem True Crime Aspekt – war er’s nun oder doch nicht – widmet sich „True Story“ der Frage nach Wahrhaftigkeit in Reportagen.
Weitgehend gelungen, auch wenn Rupert Goolds Film nie wirklich seine versprochene Zuspitzung einlösen kann, und man als auf die Twists des Fiktionalen trainierter Zuschauer am Ende etwas enttäuscht von der Geradlinigkeit der realen Welt ist. (6/10)