Ja, Panik – LOST
Mein liebstes Lied in diesem Jahr bisher und einer der seltenen Momente, wenn mein „der perfekte Popsong ist drei Minuten lang“-Mantra an seine Grenzen gerät, denn jedes Mal wenn Ja, Paniks „LOST“ nach exakt 3 Minuten und 3 Sekunden plötzlich die Arbeit einstellt und in der Stille verloren geht, denke ich mir: Nicht. Jetzt. Schon.
Die erste Strophe, begleitet nur von Akustikgitarre, ist beste Ja-Panik-Lyrik wie sie nur Andreas Spechtl schreibt…
„Für einen Moment
War ich verloren der Welt
Ich war lost in Berlin
Lost in Vienna
Lost in Mexico City
Lost wherever I’ve been
Wherever I’ve been“
…bevor, überraschend angesichts seiner jüngsten Veröffentlichungen ob mit oder ohne Band, eine Indie-Rock-Breitseiten-Gitarre einsetzt, der Chorus anschwillt und Ja, Panik so euphorisch-verzweifelt wie seit ewig nicht mehr ihre Rückkkehr ankündigen:
„Im Bett kein Spliff
Im Blut keine Pillen
Im Wein auch nicht
Ja, Panik topfit!“
Sing it!
Endless Wellness – Danke für Alles
Die neben EFEU beste neue Band aus Österreich bestätigt mit dem gerade erschienen Debütalbum all die Vorschusslorbeeren, die man ihnen dank der Vorab-Singles wie „Hand im Gesicht“ bereits hat zuteil werden lassen. Insbesondere „Danke für Alles“ ist ein smarter, sich quer durch die Popgeschichte – von Grauzone über Nena & Reinhard Mey zu Bryan Adams – referenzierender Song, der eine politische Message der jungen Generation geschickt mit textlichen Anklängen für Boomer bis GenX verknüpft und dabei mit seinem Fuzz-Folk wie Bright Eyes in kampfeslustig klingt!
Drei Sekunden · Deutscher Frühling
Schon lange keine so gute Suicide-Verbeugung mehr gehört wie in „Deutscher Frühling“ von Drei Sekunden. Das Elektronik-Duo war bereits Ende der 80er zusammen in der Band Animal Crakers aktiv, die einige Alben auf ZickZack veröffentlichten. Dort erscheint nun auch das Album des neuen Projekts, dessen erste Single mit motorischem Post-Punk, Alan-Vega-Yelps und dem schönen Refrain „Deine Augen sind viel grüner als der deutsche Frühling“ begeistert.
Oum Shatt – Over The World & Out
Immerhin fair: wenn es schon acht fucking Jahre dauert, bis die Berliner Schlafis wieder mal neue Musik veröffentlichen, bringen sie gleich ein sehr gutes Album mit. Herausragend ist vor allem „Over The World & Out“, das unverkennbar nach Oum Shatt klingt, deren eigentümliche Mischung aus Kraut, Surf, Psych und arabischen Einflüssen immer noch von niemand sonst gespielt wird. In ihren besten Momenten schafft die Band um Jonas Poppe und Chris Imler einen hypnotischen Dauerloop, der darüber aber nie die Pophooks vergisst. Bestes Beispiel: „Over The World & Out“.
C Turtle – Shake It Down
„Notebooks out, plagiarists!“ hatte Mark E Smith einst in Richtung Pavement gerufen, deren frühen Sound er doch als zu nah an The Fall empfand („Listening to Pavement, it’s just The Fall in 1985, isn’t it? They haven’t got an original idea in their heads.“). Ich kann zwar das Sentiment verstehen, aber natürlich waren Pavement immer mehr als ein The-Fall-Rip-Off.
C Turtle wiederum nimmt nun die Pavement-Spur auf und das meine ich als das größtmögliche Kompliment, ist Pavement für mich doch die vielleicht beste US-Amerikanische Indie-Band der 90er Jahre. C Turtles „Shake It Down“ oder auch „Have You Ever Heard A Turtle Sing“ könnten wirklich geradewegs aus Pavements legendärem „Slanted & Enchanted“ Debüt stammen.
Das mit den drei Minuten ist so eine Sache. Zwar sicher perfekt für ein Radio-Format oder das Musikhören mit anderen, jedoch finde ich das, wenn mich ein Stück so richtig bewegt, zu kurz, und finde Songs, die über fünf Minuten gehen und die packenden Grooves immer nochmal wiederholen, für den persönlichen Musikgenuss besser.
Ansonsten: Jede Suicide-Referenz ist wertvoll, ich werde mir das Drei-Sekunden-Ding heute Abend anhören, danke für den Tipp.