Von Gero Riekenbrauck
Happy Birthday, Charlie! Wenn man so viele Lebens- und Bandjahre auf dem Buckel hat wie Charlie Harper mit seinen U.K. Subs, kann man öfter mal eine Jubiläumstournee starten, einen Grund gibt es immer. Mal abgesehen davon, dass die Band ohnehin gefühlt unablässig unterwegs ist, waren es in entsprechender Abfolge die 30th Anniversary Tour, gefolgt vom entsprechenden Event zum 40sten. Aktuell wurde anlässlich des Jubelfestes zu den „Charlie Harper`s 80 Years Birthday Shows“ in das SO36 geladen.
Der Geschichte nach wurde die Band von Charlie Harper, der bis dahin eher dem Blues Rock zugetan war, in London des Jahres 1977 (nach anderen Chronisten fälschlich 1976) nach einem Konzert von The Damned gegründet und ist seitdem nicht mehr wegzudenken. Dabei spielten stets zwei wesentliche Konstanten eine Rolle, nämlich einerseits Charlie Harper selbst und andererseits die unzerbrechliche Liebe zum klassischen Punkrock mit stakkatohaft eingängigen Hooklines im Dreiminuten-Format. Im Auskenner-Journalismus wird zwar immer mal wieder die Frage erörtert, ob Punk nicht bereits im Jahre 1977 schon tot war, für die U.K. Subs hat diese selbstreferentielle Diskussion aber nie eine Rolle gespielt.
Mit Charlie Harper als einzig verbliebenem Gründungsmitglied löste sich die Band nie auf, sondern veröffentlichte parallel zum regen Tourneeleben und nach ein paar anfänglichen Singles in den Jahren 1979 bis 2016 die stattliche Zahl von 26 LPs. Warum 26?
Weil die Albumtitel der Reihe nach durchalphabetisiert wurden, angefangen mit dem offenbar pragmatisch-herkunftsbezogenen „Another Kind Of Blues“ bis hin zu „Ziezo“. Ordnung muss eben sein. Es folgten weitere Alben außerhalb der Nomenklatur. Aktuell steht die Veröffentlichung der EP „Carnaby St.“ an, die gewissenermaßen als transatlantischer Brückenschlag zwischen den beiden zwei Genre-Hochburgen London und New York gemeinsam mit den Dead Boys (oder was mit Gitarrist Cheetah Chrome davon übriggeblieben ist) eingespielt wurde. Der Titel lässt eine Reminiszenz an die Zeiten des Swingin` London erwarten, und tatsächlich werden hier die Stones, die Beatles und die Yardbirds geadelt. Großartig, anhören!
Von all dem historischen Klimbim wollte das Publikum aber in der auch am zweiten Auftrittstag ausverkauften Stammlocation SO36 nichts wissen. Vollstoff Punkrock, it´s Partytime, schließlich gab es den drei Tage zurückliegenden Geburtstag Charlie Harpers zu feiern. Das führte tatsächlich zu einem aus dem Publikum heraus intonierten Geburtstagsständchen. Irgendwie rührend, Punkrock hat auch empathische Züge. Gekommen waren die, die immer kommen. Neu- und Altpunks, Normalos, alle vereint in der Lust auf pure Energie, hier und da auch auf Gepoge oder Crowdsurfing. Sehr gut eingeführt wurde der Abend von einer Schweizer Band namens „Nasty Rumors“ bis schließlich der Top-Act seine Aufstellung einnahm. Der Fokus des Publikums lag eindeutig auf Charlie Harper.
Bemerkenswert, wie agil und zackig er das Programm durchzog, immer noch eine echte Rampensau. Mal das Mikro in der Hand, mal im Ständer drängte es ihn immer zum Publikum, ein Art Flummi in Horizontalbewegung. Ihm zur Linken Stephen Straughan an der knietief hängenden Gitarre mit leicht geducktem Ausfallschritt, während das vor über 20 Jahren in die Band zurückgekehrte Frühmitglied Alvin Gibbs am Bass unablässig umhertänzelte. Das Set wurde solide durchgespielt, angetrieben von dem seit 2023 engagierten deutschen Drummer Stefan Häublein. Als Auftaktstück war die Wahl gefallen auf „Rockers“ von dem Album-Debüt „Another Kind Of Blues“ mit dem zwar anders konnotierten, aber gleichwohl mit dem für den Jubilar passenden Refrain „Born a Rocker, Die a Rocker“, frei übersetzt: Rocker auf Lebenszeit. Die Debüt-LP war dann auch mit acht weiteren Songs in der insgesamt 21 Stücke umfassenden Setlist deutlich bevorzugt, was den traditionellen Anspruch der Band unterstreicht. Gegen Songs wie z. B. „Strangehold“ oder „Tomorrow`s Girls“ gibt es ja wirklich nichts einzuwenden. Die Folge-Scheibe mit dem Kennbuchstaben „B“ („Brand New Age“) war auch mehrfach vertreten, u. a. mit Großsongs wie „Emotional Blackmail“ oder „Warhead“. Dann gab es noch ein bisschen was von „Dimished Responsibilty“, „Endangered Species“ und ein paar spätere Stücke, natürlich auch „Riot“. Nach einigen Zugaben und etwas mehr als einer Stunde war Schluss, kurz und knackig durchgerockt. Das machte aber nichts, denn die U.K. Subs kommen wieder – ganz bestimmt.
Ein Tipp noch für Enthusiasten: Charlie Harper und TV Smith (Ex-The Adverts) geben am 07.07.2024 ein Akustikset auf zwei Schiffstouren über die Spree. Veranstaltet wird das Ganze von dem umtriebigen Impresario Mario Irrek. Vielleicht gibt es noch Tickets. All aboard and cast off!
Autor: Gero Riekenbrauck.
Fotos: Martin von den Driesch
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