vonChristian Ihle 01.08.2024

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Eine ungewöhnliche Biographie über das Leben eines ungewöhnlichen Künstlers: der französische Autor Benjamin Berton nimmt sich der Lebensgeschichte der Indieikone Dan Treacy von den Television Personalities an.

Treacy war ein John-Peel-Liebling und Anti-Punk-Punk, ein Über-DIY-Fanatiker und Lofi-Genie – aber auch schwerer Alkoholiker, Drogensüchtiger, Knastbruder, Verlorener. Die wechselvolle Geschichte der Television Personalities und ihres Frontmanns als „auf und ab“ zu beschreiben, wäre letztlich euphemistisch, denn nach erstaunlichem Lofi-Punk-Erfolg mit frühen Singles wie „Part Time Punks“ traten die TVPs den Weg in die „Kultnische“ an und waren kurioserweise hierzulande eine größere Nummer als in ihrem Heimatland.Was ich auch selbst bestätigen kann: während ich die TVPs in den späten 2000ern in Deutschland den Bang Bang Club in Berlin ausverkaufen oder auf dem Dockville Festival als Nebenbühnen-Headliner sehen konnte, fand „mein“ Londoner TVP-Konzert im Nebenraum eines Pubs mit zwei völlig unbekannten anderen Gruppen statt, wo ich beim Eingang sogar noch gefragt wurde, für wen ich da bin, denn nach den Meldungen am Eingang werde später das (spärliche) Eintrittsgeld im einstelligen Pfundbereich aufgeteilt.

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Zur gleichen Zeit schrieben wiederum Bands wie MGMT oder Chuckamuck Lieder über Dan Treacy. Es war eben immer so: für wenige war er Alles, für viele Nichts.

Nachdem Treacy mehrere Jahre in wohl drogeninduzierter Wilderness und Obdachlosigkeit verlor, kämpfte er sich in den 2000ern noch einmal für einige Alben zurück (wobei auch tolle Songs wie „The Good Anarchist“ oder „A Memory Is Better Than Nothing“ entstanden sind), doch Dans Geschichte sollte nicht versöhnlich enden. Vor gut zehn Jahren stolperte Treacy nach einer Schubserei und fiel ins Koma. Daraus ist er in der Zwischenzeit zwar wieder erwacht, aber immer noch schwer angeschlagen. An seine Passion des Liederschreibens oder gar auf der Bühne stehen ist nicht mehr zu denken.

Berton beantwortet diese deprimierende Downward Spiral mit einem erstaunlichen Kniff: er fiktionalisiert Dans Biographie. Ständig tauchen Figuren aus Treacys Songs auf, die ihm Erklärungen zu mancher Lücke im dokumentierten Lebenslauf bieten oder einfach mit ihm gemeinsam schwadronieren über all die Momente, Legenden und Mythen, die sich um die Television Personalities ranken.
„Dreamworld“ ist ein Buch, dem man die Verehrung für das DIY-Indietum genauso anmerkt wie das Herzblut und die TVP-Begeisterung, was aber nicht als distanzlose Fanclub-Schreibe missverstanden werden sollte. Berton ist dafür auch ein viel zu erfahrener und respektierter Autor, der in Frankreich u.a. mit dem renommierten Prix Goncourt ausgezeichnet wurde.

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