Furiosa: A Mad Max Saga (2024, Regie: George Miller)
im Kino
Gonzo-Action maximal.
Es ist schon Wahnsinn, wie der 79jährige „Schweinchen Babe“-Autor George Miller hier die Action-Sau durch die Wasteland-Wüste treibt!
Die Setpieces, die Klamotten, die Karren, die Maskeraden – alles ist so einfallsreicher, originär wilder Dystopie-Irrsinn, wie man es seit „Frankensteins Todesrennen“ nicht mehr gesehen hat.
Dass die Geschichte – Kindheitstrauma, Rache, Gewalt – nicht viel hergibt, geschenkt. Denn obwohl „Furiosa“ sich auf einem dünnen Story-Drahtseil von Action-Set-Piece zu Action-Set-Piece hangelt, wird Millers neuester Eintrag in seinen „Mad Max“-Kanon nie repetitiv, sondern bleibt überraschend und mitreissend. Chris Hemsworth stiehlt als Dementus selbst der von Anya Taylor-Joy gespielten Furiosa jede Szene – so sehr, dass man dem anarchistischen Biker-Revolutionär mehr als einmal heimlich die Herrschaft über das wüstige Nichts in diesem Film wünscht.
(Frage mich allerdings, ob Hemsworth seine Figur bewusst wie eine muskelbepackte Parodie von Russel Brand angelegt hat oder das Zufall ist. Dementus trifft Brands pseudointellektuelle, megalomanische Überheblichkeit so exakt, dass ich mich manchmal kneifen musste, um mich daran zu erinnern, dass wir hier nicht den missbrauchbeschuldigten britischen Comedian sehen.)
„Furiosa“ ist der mitreissendste Actionfilm seit längerer Zeit und könnte einer für die Annalen sein, wäre Miller nicht ab und an dem CGI-Overkill verfallen. Besonders schmerzlich klar wird diese Schwäche in den kurzen Szenen aus „Mad Max: Fury Road“, die den Abspann bebildern und noch einmal klar machen, welch echte Wucht dessen Actionszenen damals hatten. (8/10)
The Bikeriders (2023, Regie: Jeff Nichols)
im Kino
Die auf einem Bildband beruhende Erzählung über einen der ursprünglichen Biker-Clubs (hier die „Vandals“ genannt, in echt wohl die „Outlaws“) von Jeff Nichols nutzt einen erzählerischen Kniff, der zugleich Stärke wie Schwäche ist. Die Geschichte der Vandals unter ihrem Anführer Johnny (ein murmelnd-brodelnder Tom Hardy) und dem jungen Wildcat Benny (ein star turn von Austin Butler) wird aus der Perspektive und via Interviews mit Kathy, der (Ex-?)Frau von Benny erzählt.
Dadurch ist die affirmative Direktheit der Bikerploitation-Filme der 60er natürlich eine Ecke entfernt, dafür aber auch immer die tragische Seite eines Lebens am Rand der Gesellschaft gespiegelt. Das gelingt zum Großteil gut, auch weil eben Austin Butler einen durch und durch glaubwürdigen James Dean – Type gibt und Jodie Comer als Kathy bei aller Benny-Anhimmelei dennoch genug Persönlichkeit hat, um die eigenständige Frau zu spielen, die zunehmend daran verzweifelt, dass sie sich ihren Mann mit seinem Club teilen muss.
Dennoch habe ich manchmal den Geruch des Benzins, den Rausch der Gewalt und die proklamatorische Kraft des Außerhalb-der-Gesellschaft-Lebens vermisst, die Filme wie „Wild Angels“ damals hatten („Just what is it that you want to do? We wanna be free to do what we wanna do!“) (6/10)
Planet der Affen: New Kingdom (2024, Regie: Wes Ball)
im Kino und bald bei Disney+
Ein seltsam egaler Film aus dem „Planet der Affen“-Kosmos, der mit seinem Neustart einer Erzählung (andere Affen, andere Menschen) keinen emotionalen Anker findet.
Weder ist „unser“ Affe so gut gezeichnet wie Caesar in den vorherigen Filmen noch interessieren die Menschen (ein altes Problem der Reboot-Reihe). Hier liegt diesmal aber sogar die größere Hürde, denn nie wird wirklich klar, was nun die zentrale Konfrontation sein soll: zwischen dem Menschenmädel und dem bösen Königsaffen? Oder doch Aff gegen Aff?
Auch der McGuffin, ein mit Technologie und Waffen gefülltes Schatzkämmerchen, das beide Seiten knacken wollen, wirkt nur so halb überzeugend.
Ein Film, der nicht viel offensiv falsch macht, aber auch wenig wirklich richtig. (5/10)
Hit Man (2023, Regie: Richard Linklater)
Richard Linklater hat eine der ungewöhnlichsten Karrieren in Hollywood: mühelos wechselt er von nostalgischen Slacker-Hymnen zu Arthouse-Langzeitprojekte oder von Komödien mit Mainstreamappeal zu existentialistischen Animes. „Hit Man“ ist nun einer seiner massentauglichsten Filme überhaupt, eine romantische Thriller-Komödie über einen falschen Auftragsmörder.
Die Geschichte klingt unglaublich, soll aber auf wahren Begegebenheiten beruhen: ein US-Professor gibt im Nebenjob im Auftrag der Polizei vor, ein Auftragsmörder zu sein, und hilft so mit, die Killer-Beauftrager in den Knast zu bringen. Das funktioniert auch sehr gut bis ihn eine Frau kontaktiert, ihren Ehemann zu beseitigen… Zunächst Gewissensbisse, die missbrauchte Dame zu überführen, bis unser „Hit Man“ nach und nach in eine Geschichte mit mehrfachen Täuschungsversuchen hineingezogen wird.
Linklaters Komödie ist in gewisser Weise auch eine Gechichte über das Wesen von Schauspiel und die Frage nach Authentizität, aber verpackt in eine herrlich leichtfüßige Erzählung. (7/10)
My Night at Maud’s (1969, Regie: Éric Rohmer)
bei mubi
Dafür wurde der Tonfilm erfunden. Talky, talky, talky all night long!
Ein Problem für mich im Verständnis des Films sind Voraussetzungen zu akzeptieren wie „Der junge Ingenieur Jean-Louis, der kurz zuvor aus dem Ausland zurückgekehrt ist, bemerkt beim Besuch eines katholischen Gottesdienstes eine schöne junge, blonde Frau namens Françoise und beschließt, dass sie seine Frau werden soll“ (oder auch erstmal einmal zu kapieren! Wusste ewig nicht von welcher künftigen Ehe-Frau er denn nun spricht!)
Ich mein, ein wenig Kennenlernen zuerst? Mal miteinander quatschen? GV vollziehen? IRGENDETWAS vor dem Heiratsentschluss?
Frage: 1970 für besten fremdsprachigen Film nominiert und im Folgejahr, warum auch immer, für besten Original-Drehbuch. Hat jemand eine Ahnung, wie das zustande kam bzw. welche Regularien bei den Academy Awards die Nominierung eines Films in zwei verschiedenen Kategorien in aufeinanderfolgenden Jahren ermöglichte? (6/10)
Piggy (2022, Regie: Carlota Pereda)
bei Amazon Prime
Beginnt ganz interessant als Hybrid aus Mobbing-Movie und Slasher-Streifen, verliert sich aber in deinem letzten Drittel doch arg im Allzubekannten. Auch der richtige Ton wird nicht immer getroffen und ist mir die Motivation des Killers – sowohl im Kill wie im Verschonen – doch recht rätselhaft geblieben. Ordentliche Ansätze, aber letzten Endes auch nicht mehr. (6/10)
Das letzte Opfer (2022, Regie: Anders Rønnow Klarlund)
bei Amazon Prime
Kammerspiel-Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem Serienkiller und einer Psychologin. Der entscheidende (erste) Twist ist tatsächlich ein überraschender, den ich so nicht direkt habe kommen sehen.
Leider sind beide Lead-Acts eher auf der Overacting-Seite gebaut und mir deshalb „Das letzte Opfer“ zu sehr Theater statt Film. Aber durchaus anschaubarer dänischer Krimi, sozusagen das „The Guilty“ für Nordic Noir. (5/10)
Wie Jay in Modern Family mal formulierte: „Ich verstehe nur etwa zwanzig Prozent von dem, was hier vor sich geht.“
Aber sehr unterhaltsam zu lesen.