vonChristian Ihle 21.08.2024

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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The Palace (2023, Regie: Roman Polanski)
auf Amazon Prime

Eine Reiche-Menschen-in-Hotels-Farce von Roman Polanski, die gern so bissig wäre wie “Triangle Of Sadness”, aber letztlich mit einem Hündchen endet, das einen Pinguin fickt.
Don’t ask.

Alle sind hier im maximalen Overacting-Modus – und zwar so sehr, dass Mickey Rourkes Quasi-Donald-Trump-Rolle als die geerdetste Performance heraussticht.

Fast schon bewundernswert, dass mit diesen Zutaten “The Palace” eher ein etwas öder Schwank um Nichts wird und nicht so hart nervt, dass man sofort wieder ausschalten möchte.
Ist das jetzt schon ein Kompliment? (5/10)

Twisters (2024, Regie: Lee Isaac Chung)
im Kino

Die Neuinterpretation des nicht so stürmisch überzeugenden Katastrophenfilm “Twister” von 1996 fügt zwar ein Mehrzahl-“s” dem Titel hinzu, ist aber sonst gar nicht so sehr dem Schneller / Höher / Weiter – Prinzip verhaftet wie man bei dieser Titelgebung glauben möchte.

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Die Stärke von Regisseur Lee Isaac Chung liegt sicherlich in der Zusammenführung von disparaten Charakteren und der angedeuten Romanze im Zentrum – aber weniger im Katastrophenfilmmodus, der ja nun eigentlich der Kern des Films sein sollte.

“Twisters” zentrales Problem ist in der Hinsicht auch nicht wirklich zu lösen: im einen Moment fahren die professionellen Tornado-Jäger wild lachend und laut countrymusikspielend mitten ins Auge des Hurrikans, um dort allerlei Quatsch zu machen, aber das aus Zuschauersicht gleiche Naturphänomen soll dann auch wiederum 15 Minuten später für irre Spannung sorgen, weil jetzt ist’s dann eine gefährliche Windhose, aufpassen! Bei mir hat das jedoch den Effekt, dass ich entweder die Spaß-Ebene als völligen Quatsch empfinde oder die Spannungs-Momente nicht mehr ernst nehmen kann. (5/10)

A Killer’s Memory (2023, Regie: Michael Keaton)

Der deutsche Verleihtitel und das amerikanische Original ergeben zusammengenommen eine gute Synopsis für Michael Keatons erste Regiearbeit seit 15 Jahren: deutsch der etwas reisserische, aber auch Melancholie andeutende Titel “A Killer’s Memory” sowie das profanere Original “Knox Goes Away”. Sie spiegeln gut wider, was Keaton mit seiner Geschichte eines Auftragsmörders im Stadium fortschreitender Demenz erreichen wollte.

Während der Beginn sich noch in dieses relativ neuen Genre des im Alter sich dem Actionfach zuwendenden Oscar-Actors (siehe: Liam Neeson) einzureihen scheint, konzentriert sich Keaton im Fortgang mehr auf eine düstere Betrachtung des Verlusts des eigenen Gedächtnisses sowie der mentalen Fähigkeiten generell.

Demzufolge ist “A Killer’s Memory” auch weniger spannend oder gar actiongeladen, hat seine Längen, aber durchaus emotional angreifende Szenen – auch wenn ich die Schauspielleistungen sowie Regieeinfälle, die die Demenz visualisieren sollen, eher durchschnittlich finde. (5/10)

Tausend Milliarden Dollar (1982, Regie: Henri Verneuil)
auf Amazon Prime

Ein Paranoia-Film, der mal nicht den Deep State fürchtet, sondern ganz hellseherisch die Multinationalen Konzerne.
Meine Güte, würde Henri Verneuil heute der Kopf schwirren, hätte er ahnen können, wie dominant Großkonzerne 40 Jahre nach Filmerscheinen werden würden.

Manches erscheint mir erzählerisch naiv, anderes begründet sich im weiteren Verlauf durch das mehrdimensionale Schachspiel, das der Gegner spielt.

Insgesamt kein ganz großer Wurf von Verneuil wie beispielsweise “I wie Ikarus”, aber dennoch sehenswert mit einigen starken Szenen (Favorit: die Welt-Tagung des Konzerns in einer großen geschmacklosen Halle, an einem riesigen runden Tisch. Als wäre Vladimir Putin der Setdesigner des War Rooms aus “Dr. Stangelove”) (6/10)

Death Wish II (1982, Regie: Michael Winner)
auf Amazon Prime

Ein Sequel, das beinah als Remake laufen könnte – nur dass wir jetzt in Los Angeles selbstjustizen statt in New York.

“Death Wish 2” schlägt ästhetisch die Brücke aus dem visuell eher harmlosen ersten Teil und dem durchgeknallt-exploitativen dritten Part. Die Vergwaltigungsszene und eine Opfer-Aufspießung sind erstaunlich plastisch für einen (mehr oder weniger) Mainstreamfilm der frühen 80er, allerdings verliert sich Death Wish in seiner zweiten Hälfte dann doch recht im Beliebigen. Auch fehlt jedes Gefühl für die “Szene”, gerade im Vergleich zu Paul Schraders “Hardcore”, der in einem ähnlichen Milieu an der Westküste spielt und ebenfalls den Selbstjustiz-Blick von außen in die sleazy Ecken der Entertainment-Metropole wirft. Hier sind alle Sandler, Punks und Misfits so unglaubliche Karikaturen, dass man ihre Grimassen wirklich nicht ernst nehmen kann – was wiederum dem Film gänzlich seinen Druck nimmt. (5/10)

Schwarzer Sonntag (1977, Regie: John Frankenheimer)

“Black Sunday” ist eine Mischung aus Paranoia-Thriller und Katastrophenfilm, der in seinem ersten Drittel etwas verwirrend von einer palästinensischen Terroristengruppe erzählt, im zweiten Akt dann die Vorbereitungen eines durchgeknallten Pärchens zu ihrem Anschlagsplan zeigt und im letzten Drittel endlich den Zeppelin auspackt und in ein Football-Stadion jagt.

Durch diese drei recht unterschiedlich erzählten Stränge ist “Black Sunday” mit 143 Minuten doch ein halbes Stündchen zu lang und verwässert auch etwas seinen Impact, aber reisst am Ende mit der Hubschrauber vs. Zeppelin – Verfolgungsjagd noch gut mit, ein erstaunlich großer Bodycount für 1977 inklusive. (6/10)

The Last Man on Earth (1964, Regie: Ubaldo Ragona, Sidney Salkow)
auf Amazon Prime

Erste Verfilmung der “I Am Legend”-Geschichte. Interessanterweise vier Jahre älter als “Night Of The Living Dead”, aber in der Darstellung der Zombies gar nicht so viel anders.

Zu Beginn schöne schwarzweiß Bilder einer verwaisten Welt, gefolgt von einem herzrührenden Rückblick auf ein Leben, das noch intakt war. Das Ende wiederum mit seinen faschistoiden Anklängen erinnert mich im Kontext des Films an Danny Boyles “28 Days Later”, der mir hier schon die eine oder andere Inspiration gezogen zu haben scheint. (6/10)

Rom, offene Stadt (1945, Regie: Roberto Rossellini)
bis 15.9. in der arte mediathek

Ein großer Klassiker des italienischen Neo-Realismus. Seine Stärke zieht Rossellinis praktisch mit Kriegsende gedrehter Anti-Nazi-Film vor allem aus seinen Umständen – der zerstörten Stadt als echter Kulisse und den Schauspielern, die all den Horror selbst gerade erst durchlebten. Ein fast kurioser Kontrapunkt sind die Nazi-Charaktere selbst, die ziemlich stilisiert wirken und hier bereits alle Klischees beinhalten, die die nächsten 50 Jahre Weltkriegsaufarbeitung prägen werden – bis hinein in die gerade in Italien ja so beliebte “Naziploitation”-Ecke.

Deshalb ist “Rom, offene Stadt” auch der weniger eindrucksvolle Film als Rossellinis drei Jahre später in Berlin gedrehter Schwesterfilm – und Meisterwerk – “Deutschland Stunde Null”, der ähnlich gelungen die realen Verwüstungen durch eine Naziherrschaft zeigt, dabei aber vielschichtigere Charaktere zeichnet. (6/10)

P.S.: Was mich immer wieder schockiert, sind die Widerstände, die es im “entnazifizierten Deutschland” noch bis in die 50er und 60er hinein gegen Filme dieser Art gab (vergleiche auch das unwürdige Theater um die Vorführung von Resnais’ Jahrhundertdokumentation “Nacht und Nebel”):

“Die FSK urteilte am 8. September 1950, der Film zeige „die historische Wahrheit, wenn auch überdreht“; „Heute jedoch, in einer neuen europäischen Situation, müssen von einer öffentlichen Vorführung völkerverhetzende Wirkungen befürchtet werden, die im Interesse einer allgemeinen, besonders einer europäischen Völkerverständigung unbedingt zu vermeiden sind.“ Insbesondere müsse eine empfindliche Störung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Italien befürchtet werden, „deren Auswirkungen nicht übersehbar wären und daher auch im Interesse des Herstellungslandes nicht verantwortet werden können.“ Der Arbeitsausschuss der FSK verbot deshalb einstimmig die öffentliche Vorführung des Films in der Bundesrepublik Deutschland. Für diese Linie fand die FSK in der Presse fast ausschließlich Zustimmung. So schrieb Bruno E. Werner am 5. November 1950 in der Neuen Zeitung: „Was 1946 Therapie hätte sein können, das ist 1950 neue Infektion.“

Als 1960 der Film der FSK erneut vorgelegt wurde, waren die Prüfer bereit, den Film freizugeben, da sich in den letzten Jahren „im politischen Klima sehr viel geändert habe und die heutige Situation eine andere Wirkung des Films möglich erscheinen lasse“. Der Film müsse aber einen neuen Vortext erhalten, der dem Besucher den Unterschied zwischen SS und Deutschen in Erinnerung rufe.” (wikipedia)

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