Konklave (2024, Regie: Edward Berger)
im Kino
Der Papst ist tot, es lebe der Papst!
Doch wer soll’s werden?
Edward Berger erzählt nach einer Buchvorlage von Robert Harris die intrigenreiche Kür eines neuen Papstes im Konklave. Da werden Fallstricke gelegt und Gerüchtchen geschmort bis der weiße Rauch das Dach wegbläst. Ein herrlich übertriebenes Seemansgarn knüpft das Drehbuch, das von Berger größtenteils mit schönem Ernst bebildert wird, wenn Ralph Fiennes als einzig Aufrechter unter lauter verschlagenen Knechten Gottes stirnrunzelnd und am Glauben zweifelnd gen Himmel blickt. Was sich Harris alles einfallen lässt! Uneheliche Kinder, islamistische Terroranschläge, gekaufte Stimmen und ein irr absurder Plottwist am Ende.
Dachte immer, bei der FIFA ging es wild zu, aber katholische Kirche noch mal anderes Level!
Äußerst unterhaltsamer Schmonz. (7/10)
Trap (2024, Regie: M. Night Shyamalan)
zur Leihe bei Amazon, Apple & Co
Geht man mit dem Logik-Sezier-Messer an M. Night Shyamalans neuesten Thriller ran, dann bleibt nicht viel übrig. Kann man sich der suspension of disbelief aber hingeben und akzeptiert all die Plot’notwendigkeiten‘, dann ist ihm hier ein schön unterhaltsamer Popcorn-Krimi gelungen, der vor allem in seiner ersten Hälfte, einer Art inversem „Stirb Langsam“-Film, gefällt.
Sicher lebt „Trap“ stark von seiner Grundidee, eine Identifikationsfigur zu schaffen, die sich recht schnell als Serienmörder herausstellt, der einfach nur als guter Papa einen schönen Tag mit der adoleszenten Tochter auf einem Pop-Konzert verbringen möchte. Die dadurch im Zuschauer erzeugte Spannung zwischen Dafürhalten und Dagegensein ist ein interessantes Experiment. Verlässt „Trap“ in seinem letzten Akt allerdings das Setting der Gig-Arena, verliert Shyamalan erstens an Dringlichkeit und fallen zweitens die Absurditäten und Plot-Bemühtheiten doch arg ins Auge.
Dennoch: nach seinem Mittkarrierentief ist Shyamalan in den letzten Jahren doch wieder ein verlässlicher Lieferant für recht solide Mystery/Thriller-Kost geworden! (6/10)
Fun Fact: Der ursprüngliche Pitch für den Film war „What if Das Schweigen der Lämmer (1991) happened at a Taylor Swift concert?“.
City Of Darkness (2024, Regie: Soi Cheang)
ab 28.11. im Kino
Die beeindruckende Location der quasi-dystopischen (aber an realem Vorbild orientierten) Container-Stadt Kowloon Walled City in Hongkong ist der heimliche Hauptdarsteller dieses Martial-Arts-Films, der wie „The Raid“ im Chaos beginnt.
Soi Cheang inszeniert „City Of Darkness“ – der zweiterfolgreichste einheimische Film aller Zeiten in Hongkong – weitgehend unterhaltsam, doch zuviel CGI minimiert die eigentliche Wucht der Kampfszenen. Für mich auch völlig unverständlich – vielleicht aber auch ein Problem der Vorlage – dass der böse Bösewicht mit dem Ice Hockey Hair From Hell nicht nur ein fantastischer Kämpfer ist, sondern gleich auch noch magische Kräfte haben muss, die ihn praktisch unverletztlich machen (& die natürlich im geeigneten Moment durch völligen Quatsch aufgehoben werden). Auch das nimmt „City Of Darkness“ doch seine eigentlich ja gut inszenierten Fight-Momente!
Blickt man mal seitlich von den Handkantenschlägen ist die wirklich wahnwitzig überkonstruierte Story mit mehr plot conveniences als kaputt gehenden Trümmern das zentrale Problem der Erzählung.
Dann doch lieber wieder nur auf die Handkantenschläge schauen! (5/10)
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Fun Fact: in den 2000ern sollte das Buch bereits einmal verfilmt werden, unter der Co-Regie von John Woo & Johnnie To und mit einem All-Star-Cast aus Chow Yun-fat, Andy Lau, Tony Leung, James McAvoy und Nicolas Cage.
Blink Twice (2024, Regie: Zoë Kravitz)
zur Leihe bei Amazon, Apple & Co
Das Regie-Debüt von Schauspielerin Zoë Kravitz verspricht zu Beginn mehr als es letztlich halten kann.
Ein schön rätselhafter Start führt uns mit zwei Freundinnen zu einen Aftershow-Party-Ausflug auf die Insel eines Start-Up-Milliardärs (Channing Tatum), der nach einem nicht näher erklärten Fehltritt als frisch bekehrter Quasi-Buddhist nun im Einklang mit Frieden und Seele auf seinem Inselchen mit Traumvilla leben möchte – aber dabei natürlich nicht auf drogenbefeuerte Partyexzesse verzichtet, nur dass man halt Koks gegen Pilze tauscht und sich dabei enlighted fühlt!
Geschickt baut Kravitz in dieser Anbahnungsphase der späteren Eskalation kleine Szenchen ein, die einen kurz stutzen lassen, bis sie nach gut einer Stunde die Katze aus dem Sack lässt und das Geheimnis der Insel offenbart – doch ab hier wird „Blink Twice“ zum oft gesehenen Horrorfilmchen, das die schön aufgebauten Mysterien der ersten Hälfte nicht einlösen kann.
Ohne Frage unterhaltsam und gut wegzuschauen, aber ähnlich wie „The Menu“ in seinem hochglanzpolierten Sekten-Geraune einfach nicht ausreichend edgy, um tief genug zu verstören. (6/10)
May December (2023, Regie: Todd Haynes)
zur Leihe bei Amazon, Apple & Co
Interessant, dass man erst gegen Ende begreift, was Todd Haynes mit „May December“ wohl erreichen wollte. Lange wirkt sein Film wie ein Douglas-Sirk-Melodram, das auf Soap Opera – Inhalte heruntergekocht wurde.
Nach und nach merkt man aber, dass es ihm weniger um den potenziell skandalösen Inhalt – im Leben stehende Frau (Julianne Moore) lässt sich von 13jährigem schwängern – geht, also um keine Bewertung, inwieweit eine solche implizit mit Machtgefällen ausgestattete Beziehung „funktionieren“ kann, selbst wenn sie fast zwanzig Jahre später noch anscheinend glücklich existiert, sondern um das Wesen von Performance an sich.
Der Schlüssel ist dann doch die Grundkonstruktion: Natalie Portman will als Darstellerin in einer Verfilmung dieser Geschichte möglichst nah ans Echte Leben und nistet sich über mehrere Wochen bei Julianne Moores altersschräger Familie ein. Beide geben eine Masterclass in Manipulation und am Ende ist alles immer Performance, weil ein echter Kern gar nie von außen ergründet werden kann, denn die Welt und der Mensch sind so einfach nicht gestrickt.
Erfreulich luftig im Anschauen gerade wegen der Soap-Surface, aber doch in der Tiefe nachwirkend aufgrund seiner philosophischen Substanz. (7/10)
Die Nadel / Eye of the Needle (1981, Regie: Richard Marquand)
Zwar 1981 gedreht, aber atmet doch klar eine Mitt-70er-Atmosphäre.
Donald Sutherland spielt gelungen „Die Nadel“, einen eiskalten Nazikiller, der undercover in Großbritannien in einer Mischung aus Heiratsschwindler und Hochglanzspion reüssiert. Lange zieht sich „Eye of the Needle“ etwas hin, aber das Finale ist in prasselndem schottischen Dauerregen ein packend inszenierter Kampf an mehreren Fronten, das in seiner Konstruktion fast an Slasher-Filme erinnert, aber dazu plötzlich eine ungeahnte Vielschichtigkeit in Sutherlands Killer-Charakter erkennen lässt. (6/10)
The Town that Dreaded Sundown (2014, Regie: Alfonso Gomez-Rejon)
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Man muss „The Town That Dreaded Sundown“ zugute halten, dass er auf jeden Fall versucht, anders zu sein und nicht nur ein schnödes Remake eines Slasher-Klassikers aus den 70ern (der damals den kuriosen deutschen Titel „Der Umleger“ trug).
Im 2014er „Town that deaded Sundown“ existiert nämlich der 70er Jahre Film selbst, in dem Sinn, dass er eine Verfilmung von ‚realen‘ Ereignissen ist. So wird im Autokino von den 2014ern Figuren „Der Umleger“ aus den 70ern mit der Lust am Horror geschaut, der eine „reale“ Geschichte aus eben jener Kleinstadt erzählt. Und natürlich, so schreiben es dann doch die Konventionen des Horrorgenres vor, taucht ein neuer Mörder auf, der die alten Taten kopiert, die annodunnemals passiert und 1976 verfilmt wurden, was wir uns gerade mit den Bewohnern im Autokino von 2014 angeschaut haben.
Dazu wirft Alfonso Gomez-Rejon noch einige wirklich bizarre Kamerawinkel in den Topf und hat nicht immer gelungene Humoranwandlungen, so dass „The Town That Dreaded Sundown“ (2014) auf seine ganz eigene Art doch sehenswert, wenn auch nicht spannend wird. (5/10)
Tarantino: The Bloody Genius / QT8: The First Eight (2019, Regie: Tara Wood)
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„QT8“ wirft einen Blick auf Tarantinos erste acht Filme (also bis kurz vor „Once Upon A Time“) und setzt etliche Talking Heads aus dem Tarantino-Umfeld vor die Kamera – Michael Madsen und Tim Roth sind hier sicherlich die interessantesten Gesprächspartner.
In seiner Attitude schrammt die Doku von Tara Wood knapp an der Hagiographie vorbei, hat aber wenigstens zwei Momente, die Dissonanzen aufscheinen lassen. Zunächst wird ein missratener Stunt, zu dem Uma Thurman von Tarantino überredet wurde, zumindest angeschnitten. Dass Thurman im Vergleich zu vielen anderen engen Kollaborateuren in dieser Dokumentation dann nicht auftaucht, wirft zumindest die Frage nach dem warum auf. Die enge Verbindung von Tarantino zu Weinstein wird dagegen ausführlicher behandelt, fühlt sich allerdigs etwas wie ein unvermeidbares Zugeständnis und Nachklapp an.
Dagegen fehlen kritische Stimmen zu Tarantinos filmischem Werk völlig, „QT8“ ist also sicherlich keine akademische Diskussion über Vorzüge und Nachteile seines Schaffens, macht aber andererseits irre Lust, all diese Filme noch einmal anzusehen. Die kurzen Ausschnitte verdeutlichen nämlich die popkulturelle Wucht von Tarantino: wohl niemand aus „unserer“ Generation konnte dem entfliehen und das ist durchaus als Kompliment gemeint, denn im System Hollywood so idiosynkratische Filme zu drehen, die sofort „Tarantino“ sagen, aber dennoch eine solche Breitenwirkung erreichen, das hat tatsächlich niemand seit Kubrick (und vielleicht Lynch?) geschafft. (7/10)