Chris Imler – The Internet Will Break My Heart
„Ich will ja nicht nerven / aber ich muss“ sprechsingt der ewig junge Chris Imler in seiner neuesten Single, die wieder so ein Banger wie „Country Club“ ist und schon jetzt einer der Favoriten auf meinen Songtitel des Jahres. Jens Friebe hat diesen Titel in der Presseinfo zum Lied auch gleich zum Anlass genommen, noch mal schön Zustand des World Wide Webs Heute abzuhandeln: „So so, das Internet, das ist ja ein ganz brandheißes Thema“ höre ich es schon hier und da blasiert in den Logen zischeln. (…) Während sie in autoritären Staaten von oben gedeckelt werden, dienen Soziale Medien in der sogenannten freien Welt vor allem dem Lumpenkapital zur Zersetzung humanistischer Standards, den Resten der Linken zur selbstzerstörerischen Polarisierung. Aber die niedlichen Tiervideos! Auch sie haben ihre Schattenseite, die Imler im Titelsong zur Sprache bringt: „Die Tiere in der echten Welt stehen unter Druck“.“
Kassie Krut – Reckless
Noisiger Dance-Punk, wie ihn früher das DFA-Label gern veröffentlicht hat. „Reckless“ erinnert zugleich an den Buchstaben-Part in „S.H.O.P.P.I.N.G.“ der Pet Shop Boys wie an LCD Soundsystem und in der unruhig-elektronischen Instrumentierung an Animal Collective. „We challenged ourselves to write a song with one bass note, one drum beat and just a couple simple chords“ und dennoch passiert in „Reckless“ so viel mehr als im trocken-minimalistischen Post-Punk der Dry Cleaning – Ecke.
Julian Casblancas & The Voidz – Prophecy of the dragon
Etwas untergegangen ist Ende des Jahres das neue Album des Strokes-Sängers Julian Casablancas mit seiner anderen Band The Voidz. Wie gehabt zieht sich Casablancas dort die Experiemtierstiefelchen an und stapft munter gleichzeitig in Richtung 80ies-Synth-Pop und 70ies-Prog-Rock los, was doch eine ziemlich ungewöhnliche Heirat bedeutet. Als alter Popper bevorzuge ich zwar den Vocoder-mit-1986er-Drums-Pop-Song „Flexorcist„, der durchaus auch auf dem letzten Strokes-Album seinen Platz gefunden hätte, finde aber seine Ausflüge ins weirde Terrain mit vielen Tempi-Wechseln zumindest interessant/spannend, wie im schön betitelten „When Will The Time Of These Bastards End“ oder das wirklich vogelwilde „Prophecy Of The Dragon“, das seine Synth-Lines mit Metal-Gitarren kombiniert und mit herrlichen Berlin-Lyrics garniert:
I’m busy, busy
I’m feeling fuckin‘ dizzy
East Berlin, taste the fucking decadence
I used to be a lounge lizard
Now look at me, I’m a wizard
Lambrini Girls – God’s Country
Gerade veröffentlicht die britische Punk-Band ihr Debütalbum, ein guter Moment um noch mal an die wunderbar-rotzige Single „God’s Country“ aus dem Vorjahr zu erinnern, die leider nicht auf dem Debüt enthalten ist. Dort schimpfen sich die beiden Punkettes Phoebe Lunny & Lilly Macieira wie weibliche IDLES durch einen herrlichen Rant gegen ihr Heimatland – „Daily Mail, bacon baps / Racist uncles want their country back / Flag-shaggers, Maggie Thatcher / Oh Britannia“ und droppen darin so viele „British“-Klischee-Begriffe, dass mir der Union Jack aufgeht:
„While the rich are getting richer and the poor are getting poorer
Keep calm and carry on while the state is corrupt
This is not democracy
And it’s never coming home
Three Lions, close the borders
State is lawless
But „God Save the King“
The Zew – Black Feather
The Zew spielt hervorragender Weird-Folk in der Tradition von Vashti Bunyan. Reduziert, aber kosmisch. Die Österreicherin Leonie Schlager, ansonsten in der hier auch hochgeschätzten Band ZINN. aktiv, veröffentlicht ihr Mini-Album „Zazel Wants to Fly“ als wunderschöne Doppel-7inch, was allein schon leisen Weird-Applaus verdient!