vonChristian Ihle 15.04.2025

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer (2023, Ariane Louis-Seize)
auf amazon prime

Ich weiß nicht, warum ich bei einem Titel wie „Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer“ doch von der Twee-igkeit und Cuteness des Films überrascht war, aber there you go.

Diese kanadische Vampirette erzählt von einem jungen Untoten-Girl, das partout nicht beißen will und deshalb den Entschluss fasst, sich den süssen, linkischen und von sich aus schon lebensmüden Schulkameraden vorzunehmen. Geht natürlich auch schief.

Netter Film, eine besonders schöne gemeinsam Vinyl-Schallplatten-Hörszene, aber letztenendes auch etwas zu nice, um emotional zu greifen. (6/10)

Lenny (1974, Bob Fosse)
auf amazon prime

Eines der ungewöhnlicheren Biopics. „Lenny“ erzählt die Lebensgeschichte des progressiven Comedians Lenny Bruce, aber im Stil einer Fake-Dokumentation mit klassischen talking heads-Szenen seiner wichtigsten Lebensbegleiter. Zudem schichtet Bob Fosse Lenny Bruces Lebensgeschichte achronologisch, schneidet immer wieder einen „aktuellen“ Stand-Up-Auftritt zwischen die Interviews und macht das mit so einer roughen, quasi cinema-verite-esquen Herangehensweise, dass man irgendwann wirklich vergisst, hier Dustin Hofman als Lenny Bruce zu sehen, sondern sich „Lenny“ wie eine wirkliche Dokumentation anfühlt.

Kurioserweise sind die Schwachpunkte des Films eher Lenny Bruce‘ moderne Stand Up Auftritte, die womöglich für die damalige Zeit wirklich erderschütternd waren (Bruce wurde etliche Male von der Bühne weg verhaftet), aber seine kulturelle Wucht nur noch in Ansätzen ins Jetzt transportieren können.

Neben einer guten Performance von Dustin Hofman (oscarnominiert in diesem Jahr neben Nicholson für „Chinatown“ & Pacino für „Der Pate 2“ – Gewinner allerdings Art Carney) überzeugt vor allem Valerie Perrine als Bruce‘ große Liebe und gefallener Engel, die mit so einer echten Natürlichkeit spielt, dass es einem das Herz bricht (ebenfalls oscarnominiert, gewonnen hat aber Ellen Burstyn). (7/10)

Tusk (2014, Kevin Smith)
auf Netflix

Ein Film, der von seiner absurden Grundidee lebt, die aber wirklich konsequent bis zum Ende durchgezogen wird.

Der beste Kevin-Smith-Film seit „Clerks 2“ (2006) – was vielleicht auch daran liegt, dass er hier endlich mal etwas anderes macht als nur sein View Askewniverse wieder neu aufzuladen. „Tusk“ hat seine Stärken klar im ersten Drittel mit einer schön aufgebauten Geschichte eines Internet-Unsympathen („Podcaster“), der sein Geld mit dem Verhöhnen anderer Leute Unglück verdient.

Sicher funktioniert nicht alles in diesem Film, Johnny Depps nicht endenwollender Monolog ist weniger witzig als Wandfarbe beim Trocknen zuzusehen, und vor allem im letzten Part wird alles etwas schludrig dahingerotzt. Die Stärken von Smith liegen eben doch im Worldbuilding und in den Dialogen, aber eben nicht in kohärentem Plot-Erzählen, im Inszenieren von Action oder wenigstens im Schneideraum.

Aber die starke erste Hälfte und die Konsequenz in der Erzählung entschädigt für manchen Leerlauf. Besser als ich erwartet hatte. (6/10)

Das fliegende Auge (1983, John Badham)
zur Leihe bei den üblichen Verdächtigen

In den frühen 80ern ein großes Ding* und in seinen Hubschrauber-Action-Szenen auch durchaus gut gealtert. Problem des Films ist mehr seine Paranoia-Movie-Ebene, die im Vergleich zu den großen Filmen dieses Genres aus den zehn vorangegangenen Jahren dann doch erstens mild und zweitens am Ende auch an den Haaren herbeigezogen wirkt. Als reiner Actionstreifen – auch dank Malcolm McDowell als Villain mit seinem verschlagenen Grinsen – brauchbar, als Thriller weniger. (5/10)

Favourite Fun Fact: „Die Abkürzung JAFO auf Lymangoods Mütze steht im Original für ‘Just Another Fucking Observer’, in der deutschen Übersetzung wurde ‘Junger Arsch fliegt, Oh-Gott’ angegeben.”“

* in Deutschland sogar einer der zehn erfolgreichsten Filme des Jahres (#9, 2,3 Mio Zuschauer – in den USA #17, 42 Mio. Einspiel)

Nomis – Die Nacht des Jägers (2018, David Raymond)
zur Leihe bei den üblichen Verdächtigen

Bizarrer Serienkiller-Film, der zwar lange Zeit unterhaltsam genug ist, aber mit absurdem Twist und wildem Overacting die Geduld arg überstrapaziert. Nicht förderlich ist auch, dass es zwei parallele Handlugsstränge gibt – einmal Polizei (Henry Cavill, bärtig & Alexandra Daddario, underused) vs Wahnsinnigem & einmal Wahnsinniger (Ben Kingsley) vs Wahnsinnigem – bei der vor allem letztere Konfrontation nie wirklich gelebt wird.

Die Performance von Brendan Fletcher ist so drüber, dass James McAvoy sicherlich überlegt hat, eine Plagiatsklage anzustreben. (5/10)

Greenland (2020, Ric Roman Waugh)
auf Netflix

Die Apokalypse – menschlich gesehen.

Ein kommender Kometeneinschlag wird die Welt as we know it vernichten, doch Ric Roman Waugh bastelt aus diesem Roland-Emmerich-Trademark-Szenario keine sich überschlagende CGI-Weltuntergangs-Orgie, sondern konzentriert sich auf die Frage, was das Ende der Welt mit der Beziehung so macht.

Klingt vielleicht doofer als es ist, denn gerade da „Greenland“ den Blick selten weitet, erzeugt er schon ein besseres Nachfühlen mit einer unvorstellbaren Situation. Es mag sein dass nicht jede Handlung zwingend erscheint oder jeder Charakter ausentwickelt wurde und natürlich der Film eine Hymne auf die nuclear family singt, aber im Gegensatz zu den meisten Katastrophenfilmen, die mich nach anfänglichem Adrenalin-Rush in ihrem Schneller-Höher-Weiter-Begehren mit fortschreitender Spieldauer ermüden, bleibt „Greenland“ bei sich und verliert dadurch auch mich nicht. (6/10)

Mörderischer Tausch / The Substitute (1996, Robert Mandel)
auf plex

Mentale Notiz an mich: nicht jeder Straight-To-Video-Klopper, den Quentin Tarantino in seinem Podcast* feiert, ist auch wirklich sehenswert.

„The Substitute“ ist quasi „Dangerous Minds“, aber mit Chuck Norris (hier gespielt von einem ältlichen Tom Berenger). Kurioserweise gelingt dem Actionfilm seine Nichtactionphase deutlich besser, also wenn Berenger als tougher Söldner im Rachemodus den Ersatzlehrer an der schlimmsten Highschool in Florida gibt und dabei das Lehrer sein schätzen lernt und die wilden Gang-Teens langsam emotional knackt.

Das letzte Drittel, ein absurder Drogen-Klopp-Film, ist dagegen ödestes 90ies Action-Video-Regal. Berengers Actionszenen zudem mit das Lustigste (im Sinn von: lachhaft), was ich seit langem gesehen habe. (3/10)

* super Podcast mit seinem alten Partner in Crime Roger Avery: The Video Archives. Hier die Folge mit „The Subtitute“

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2025/04/15/filmtagebuch-von-vampirischem-coming-of-age-zum-tarantino-klopper-tipp/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert