Megalopolis (2024, Francis Ford Coppola)
auf Netflix
Francis Ford Coppolas jüngster (und aufgrund seines Alters womöglich sogar finaler) Film wird wahrscheinlich als eine der letzten Wahnsinnstaten des alten (New) Hollywoods in die Geschichte eingehen. Eine vierzig Jahre in Entwicklung befindliche, letztlich absurd überbordende Erzählung, in die Coppola am Ende 120 Millionen Dollar seines eigenen Vermögens gesteckt hat, um sie doch noch auf die Leinwand zu bringen.
Aber abgesehen davon: ist „Megalopolis“ ein guter Film? Ich denke kaum jemand würde das mit voller Überzeugung unterschreiben, zu bemüht sind die historischen Parallelen zum Untergang geweihten alten Rom, zu grimassierend die Schauspielereien, zu cringe der Humor, zu künstlich die Trickeffekte, zu all over the place die ganze Erzählung.
Aber ist „Megalopolis“ uninteressant, langweilig? Das eben auch nicht, weil er ständig am Rand des Erträglichen balanciert und weil er so viel sein will.
Coppolas Statement-Film gehört in die Art Juwelen-Giftschrank, in dem auch „The Fountain“ (& „Mother“) von Aronofsky oder Richard Kellys „Southland Tales“ stehen: zu groß, um unwichtig zu sein – und zu wahnsinnig, um gut zu sein. (5/10)
Saturday Night Live (2024, Regie: Jason Reitman)
auf Netflix
Jason Reitman erzählt in „Saturday Night“ von der schweren Geburt der ersten Episode der legendären amerikanischen Sketch-Show, die selbst in dieser Startfolge bereits etliche künftige Größen mit John Belushi, Dan Aykroyd oder Chevy Chase im Ensemble hatte.
Vielleicht sogar passend verkommt dabei „Saturday Night“ aber selbst in gewisser Weise zu einer Sketch-Parade, die nur in seltenen Momenten tiefer schürft. In diesen gelungenen Episoden deutet Reitman die Spannungen des Generationskonflikts oder die selbst in der progressiven Counter Culture vorherrschende männliche Dominanz an. Aber dann tanzt schon der nächste Comedian in römischer Toga durchs Bild und weiter geht’s, meine Damen und Herren.
„Saturday Night“ bleibt aber immer unterhaltsam, auch wenn die LOLs per minute doch erstaunlich gering sind angesichts seines Themas. (6/10)
P.S.: ein kürzlich im New Yorker erschienenes Portrait über den hier von Gabriel LaBelle gespielten „Saturday Night Live“-Creator Lorne Michaels bietet mehr Tiefgang (und Witz)
Das Ereignis (2021, Regie: Audrey Diwan)
zur Leihe
Doppelschlag: 2021 gewinnt „Das Ereignis“ den großen Preis in Venedig, im Folgejahr wird Annie Ernaux, die Autorin der biographischen Vorlage des Films, mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Audrey Diwan inszeniert Ernauxs Geschichte über eine ungewollte Schwangerschaft und die verzweifelte Suche nach Abtreibungsmöglichkeiten in direkten, harschen Bildern. Hauptdarstellerin Anamaria Vartolomei spielt ihre Anne als nassforsche, nichtkleinzukriegende, selbstbewusste, aber auch an den Umständen zunehmend verzweifelnde junge Frau. Das wirkt manchmal zu progressiv, fast als hätte man eine heute sozialisierte Frau in dieses verkrustet-konservative Nachkriegs-Frankreich geworfen. Doch diesen Kritikpunkt beiseite geschoben überzeugt „Das Ereignis“ vor allem über die vermittelte Dringlichkeit und Diwans inszenatorischen Ansatz, nie wegzuschauen. (7/10)
Alien³ (1992, Regie: David Fincher)
auf Disney+
Laut der Statistik nach exakt 20 Jahren wiedergesehen. Der Eindruck ist aber auch zwei Jahrzehnte später gleich: es bleibt der schwächste aller Alien-Filme.
David Finchers Regiedebüt versucht einerseits zwar angenehmerweise die Über-Material-Schlacht des direkten Vorgängers zu vermeiden, erzeugt aber nie die klaustrophobische Beklemmung des ersten Teils. Abgesehen von Ridleys Glatzenstyle – und einem beeindruckenden Menschen-Gesicht vs Alien-Face – Shot – fehlen „Alien 3“ auch Bilder, was natürlich angesichts der späteren Fincher-Karriere am meisten verwundert. Ein Stilist war er ja eigentlich immer. Aber gut, Finchers eigene Abneigung scheint am größten zu sein: „No one hated it more than me; to this day, no one hates it more than me.“ (4/10)
L’état et moi (2022, Regie: Max Linz)
zur Leihe
Leider kein Spielfilm nach Blumfeld-Drehbuch.
Max Linz‘ Farce über eine wiedergeborene Kommunardin fehlt leider jeglicher Witz, der in „Weitermachen Sanssouci“ – und mit Abstrichen auch bei „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ – vorhanden war. Übrig bleibt dann vor allem ein hohes Nervpotenzial. Grundsätzlich ist schon interessant, wie Linz ähnlich wie Julian Radlmeier ein recht eigenes Mini-Genre des selbstkritischen, überprätentiösen Berliner-Schauspielschul-Blicks entwickelt hat. Aber ein bisschen Spaß, ist das zuviel verlangt? (2/10)
Julie – Eine Frau gibt nicht auf (2021, Regie: Eric Gravel)
auf Amazon Prime
Ein gelungener Ansatz: die alltäglichen Herausforderungen einer alleinerziehenden Mutter mit den Mitteln eines Thrillers zu erzählen.
„Full Time“ (aka „Julie – Eine Frau gibt nicht auf“) spielt wie „Lola rennt“, doch geht es *nur* um die Problematik, bei streikenden Zügen das so dringend ersehnte Vorstellungsgespräch mit der Betreuung der zwei kleinen Kinder irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Klingt auf den ersten Blick vielleicht wie eine bemühte Fingerübung, aber funktioniert tatsächlich als treibender Film, der dabei im Vorbeirennen Dardenne-haft soziopolitische Fragen verhandelt.
Lediglich die etwas arge Schwarz-Weiß-Zeichnung der anderen Charaktere verhindert einen tiefergehenden Eindruck. Aber gut, die Bösewichter in echten Thrillern sind ja auch selten von ausnehmend großer Vielschichtigkeit. (6+/10)
Patty Hearst (1988, Regie: Paul Schrader)
auf Amazon Prime
Leider in schlimmer 80ies-Ästhetik gefangener Film über die Entführung der Millionenerbin Patty Hearst und ihre folgende Konversion zur Revoluzzerin. Zwar bringt Paul Schrader genügend individuellen Touch in die Geschichte ein und ist es ziemlich erstaunlich, einen jungen Ving Rhames hier als sexy Anführer zu sehen, aber leider ist die im Grunde doch irre faszinierende Geschichte schleppend erzählt und die Ergreifung von Patty wird doch sehr en passant beleuchtet. (4/10)
Die 2004er Doku „Guerrilla: The Taking of Patty Hearst“ ist die deutlich bessere Aufarbeitung dieser Geschichte und sei hiermit empfohlen.
Assignment – Der Auftrag (1997, Regie: Christian Duguay)
zur Leihe
Macht aus einer spannenden Vorlage einfach zu wenig: in „Assignment“ jagen Donald Sutherland, Ben Kingsley und Aidan Quinn die real life Terroristenlegende Carlos, den Schakal.
Der Plot ist dabei hanebüchen: Aidan Quinn spielt in einer Doppelrolle sowohl Jäger als auch Gejagten, sieht er als Navy-Soldat doch wie eine 100%-Kopie des Terroristen aus und wird deshalb von Sutherland für einen elaborierten Täuschungsplot verpflichtet. „Assignment“ dreht die Spannungsschraube nie genug an und der Look ist auch zu sehr den späten 90ern verhaftet. (4/10)