vonChristian Ihle 10.07.2025

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Mit der Rückkehr von Pulp an die Spitze der britischen Albumcharts nach einer fast 25-jährigen Pause, einer ausverkauften Arena-Tournee und einem triumphalen Comeback in Glastonbury, scheint nun der perfekte Zeitpunkt zu sein, über ihre bekannten Songs hinauszublicken und tief in einige ihrer besten B-Seiten und ursprünglich nicht veröffentlichte Demos einzutauchen, die beim ersten Mal untergingen.

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Die Geschichte von Pulps ungewöhnlichem Weg zu fame and fortune ist bekannt: Sie kämpften sich durch die 1980er-Jahre, veröffentlichten drei unterproduzierte, kaum beworbene und weitgehend ignorierte Alben (unter Fire Records), bevor Sänger Jarvis Cocker Sheffield verließ, um am St. Martin’s College in London Film zu studieren. Das letzte dieser drei Alben, „Separations“, zeigte jedoch bereits vielversprechende Ansätze — besonders durch die vom NME gefeierte Single der Woche ‘My Legendary Girlfriend’, die andeutete, was noch kommen sollte. Die nächsten drei Singles von Pulp erschienen beim in Sheffield ansässigen Gift Records (später Warp), bevor sie bei Island unter Vertrag kamen, wo „His ‘n’ Hers“ erschien. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Im Folgenden nun 15 der besten Songs, die es nie auf „His ‘n’ Hers“, „Different Class“, „This Is Hardcore“ oder „We Love Life“ geschafft haben. Sie stammen hauptsächlich aus der Zeit von 1992 bis 1995, als Jarvis besonders produktiv war — und ähnlich wie bei Oasis in dieser Zeit waren Pulps B-Seiten oft besser als die A-Seiten ihrer Zeitgenossen. Man kann sich diese Playlist als Pulps Version von Oasis‘ „The Masterplan“ vorstellen — eine Gelegenheit, zu hören, was sie auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft sonst noch aufgenommen haben. Einige sind klassische B-Seiten, insbesondere aus der His ‘n’ Hers-Ära. Andere sind Demos, die erst mit den Deluxe-Ausgaben der Alben als Bonustracks veröffentlicht wurden, wieder andere fanden ihren Weg auf Soundtracks. Natürlich gibt es viele weitere großartige Songs, die es nicht in diese Auswahl geschafft haben — besonders aus der „This Is Hardcore“-Ära. Wer mehr hören möchte, dem seien die Deluxe-Versionen der angesprochenen drei Alben ans Herz gelegt (auch auf den Streaming-Diensten erhältlich).

Die Songs:

Seconds’ – Erstmals veröffentlicht auf der „The Sisters EP“ als B-Seite zu ‘Babies’, ist dieser Song dem Haupttrack mindestens ebenbürtig — und es ist fast kriminell, dass er es nicht auf His ‘n’ Hers geschafft hat. In letzter Zeit auch wieder in Pulps Live-Setlists aufgenommen.

Mile End’ – Vielleicht ihre bekannteste B-Seite, geschrieben über Jarvis’ Zeit in einem Hochhaus-Squat im East End von London. Wurde durch den Trainspotting-Soundtrack einem größeren Publikum bekannt und war B-Seite von ‘Something Changed’.

Like a Friend’ – Bekannt durch den Great Expectations-Soundtrack. Dieser Song ist ein fester Bestandteil ihrer Liveauftritte geworden. B-Seite zu ‘A Little Soul’.

Your Sister’s Clothes’ – Ebenfalls von der „The Sisters EP“, eine verdrehte Fortsetzung von ‘Babies’, erzählt aus der Sicht der Schwester.

Ansafone’ – Eine B-Seite von ‘Disco 2000’, eine scheinbar süße Ballade mit dem typisch verstörenden Unterton von Pulp.

59 Lyndhurst Grove’ – Eine B-Seite zu ‘Razzmatazz’. Angeblich teilweise aus Rache geschrieben, nachdem Jarvis von einer Party geworfen wurde – er soll dem Gastgeber später eine Kopie des Songs geschickt haben.

The Babysitter’ – Der letzte von vier Songs über Susan, eine jugendliche Schwärmerei von Jarvis. B-Seite zu ‘Do You Remember the First Time?’.

Sheffield: Sex City’ – Ein X-rated, langer, acid-house-beeinflusster Lobgesang auf Sex und Pulps Heimatstadt Sheffield. Auffällig ist ein Auszug aus „My Secret Garden“, gelesen von Candida Doyle, und Bestätigung, dass Pulp wie keine andere Band klangen. B-Seite der Originalveröffentlichung von ‘Babies’.

Tomorrow Never Lies’ – Schon mal überlegt, wie ein James-Bond-Titelsong von Pulp klingen würde? Hier ist die Antwort. Leider entschied sich die Broccoli-Familie für Sheryl Crow. B-Seite zu ‘Help the Aged’ (umbenannt von ‘Tomorrow Never Dies’ aus rechtlichen Gründen).

Catcliffe Shakedown’ – Ein unveröffentlichtes Demo aus den Different Class-Sessions. Thematisch ähnlich wie ‘Mile End’, inspiriert von einem kleinen Bergbaustädtchen außerhalb von Sheffield, wo Pulp probte.

O.U. (Gone, Gone)’ – Okay, Puristen werden anmerken, dass dies technisch gesehen eine A-Seite ist, die ‘Babies’ und ‘Razzmatazz’ vorausging. Aber sie verdient ein größeres Publikum — und Pulp scheinen das ähnlich zu sehen, da „O.U. (Gone, Gone)“ seit diesem Jahr auch live wieder gespielt wird, u.a. überraschend in Glastonbury unter dem Namen Patchwork. Wer ganz puristisch bleiben will, kann auch ‘Styleroc (Nites of Suburbia)’ wählen.

Cocaine Socialism’ – Noch eine B-Seite zu ‘A Little Soul’. Es ist nahezu ein Skandal, dass dieser bissige Angriff auf Tony Blairs Annäherung an die Britpop-Szene (und Jarvis’ eigenen Kokainkonsum) nie als Single erschien. Jarvis schrieb den Song später als ‘Glory Days’ um — damit ging die Welt nicht ganz leer aus, besonders nicht um Zeilen wie:
„I used to do the I Ching / But then I had to feed the meter / Now I can’t see into the future / But at least I can use the heater.“

Inside Susan’ – Eine B-Seite zu ‘Razzmatazz’ — und ein weiterer der vier brillanten Songs über Susan aus der Vor-„His ‘n’ Hers“-Ära.

Deep Fried in Kelvin’ – Ein fast zehnminütiges Klagelied über eines der größten und berüchtigtsten Nachkriegswohnprojekte in Sheffield — und über die Menschen, die dort zurückblieben (sowie gutmeinende, aber naive Sozialarbeiter, die ihnen helfen wollten). Angetrieben von einer donnernden Gitarrenlinie und einigen von Jarvis’ beißendsten Texten neben ‘I Spy’, war der Song kurz im Film „The Full Monty“ zu hören. B-Seite von ‘Lipgloss’, aber er hätte viel, viel mehr Aufmerksamkeit verdient.

His ‘n’ Hers’ – Der letzte Track der The Sisters EP. Inspiriert den Titel des folgenden Albums, schaffte es aber seltsamerweise nicht auf die Platte. Jarvis singt hier von seiner Angst vor dem bürgerlichen Leben, indem er Innenarchitektur mit seiner ungezügelten Sexualität kontrastiert. Typisch Pulp.

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(Text & Playlist-Zusammenstellung: Danny McBride)

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