Pavement, deconstructing rock&roll since 1989!
Die von Alex Ross Perry gedrehte Bandbetrachtung darf sicher als eine der ungewöhnlichsten, um-die-ecke-gedachtesten Musikdokus überhaupt gelten. Zeitgleich ist „Pavements“ nämlich ein Musical über die Gruppe („Slanted! Enchanted!“), ein Making Of eines Hollywood-Bio-Pics über die Band („Range Life – A Pavement Story“) und eine reguläre Interview/historische-Clips-Doku, die aber in einer leicht alternativen Welt spielt, in der Pavement ‚the world’s most important and influential band‘ ist.
Jede dieser (mindestens) drei Ebenen hat ihre Quirks und ganz eigene Surrealität. Wie weird es doch ist, ausgerechnet Pavements Hymnen der Kakophonie in einem Musical-Setting mit engagierten TänzerInnen und ausgebildeten Sängern zu sehen, aber zugleich zu entdecken, wie melodisch sehnend diese Lieder ja auch klingen können. Perry zeigt die Musical-Sequenzen eben auch gerade nicht als Witz, sondern mehr im Sinn, dem Zuschauer einen anderen Blick auf die Band anzubieten, der sich von dem vorherrschenden Alternative-Slacker-Image löst. Ähnlich funktioniert auch die Biopic-Version, die allerdings, bei allem ernsthaften Spiel, über deutlich mehr Augenzwinkern wirkt und damit zum Meta-Kommentar wird, nun im Gegensatz zum Musical aber nicht über die Gruppe, sondern das Wesen einer Bandverfilmung selbst.
Wie gelungen „Pavements“ all seine disparaten Elemente zusammenbringt, und damit selbst wie die besten Pavement-Songs funktioniert, wird in der dritten Ebene, der klassischen Band-Doku deutlich. Hier mischt Perry echte Ereignisse wie den Lollapalooza-Skandal (als das ROCK-Publikum die unwirschen Slacker-Pavements bis zum Konzertabbruch mit Schlamm beworfen hatte) mit einer fiktionalen Überhöhung der Band, bei der wirklich nicht mehr auseinanderzuhalten ist, was denn nun echt ist (Malkmus in einer Apple-Werbung? Eine Platin-Auszeichnung für „Crooked Rain, Crooked Rain“? „Here“ mit seinem „I was dressed for success / but success it never comes“ – Chorus als Soundtrack einer Abercrombie & Fitch – Werbung? Ich mein, die 90er waren WIRKLICH eine andere Zeit für diese Art von Musik), aber glaubwürdig das Gefühl der Wichtigkeit der Band vermittelt. Als Irritations-Sahnehäubchen wiederum stehen die echten Pavements nun in der halbfiktionalen Ausstellung ihres eigenen Lebens und haben offensichtlich selbst keine Ahnung wieviel Witz und Ernst nun in dieser Situation steckt.
Ein unbedingt sehenswertes Experiment, das mit viel Finesse und offensichtlichem Fantum die Essenz einer Band einfängt, die immer auf der Flucht vor sich selbst war. Oder wie Stephen Malkmus 1997 in „Shady Lane“ so treffend dichtete:
„Freeze, don’t move /
You’ve been chosen as an extra in the movie adaptation of the sequel to your life“
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