vonChristian Ihle 17.09.2025

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

THIS IS PERSONAL.
Eddie Huang war in den späten Nullerjahren einer jener wilden neuen Chefkoch-Superstars und in der Folge zudem Autor der Hit-Biographie „Fresh Off The Boat“, die auch in ihrer Sitcom-Fernsehadaption ein durchschlagender Erfolg wurde. In der Zeit, als sich Vice von Magazin zu Multimedia-Imperium wandelte, wurde er mit seiner dortigen Kochen-in-fremden-Ländern-Serie als empathischer Weltenbummler und Köstlichkeiten-Schnabulierer zum Tony Bourdain der Millenials.

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Nachdem Vice innerhalb weniger Jahre von einem mit fünf Millarden bewerteten Ex-Punkrock-Unternehmen zum bankrotten Kaputtski wurde, ist auch Huang auf seinem Lohn hängen geblieben. Hundertausende von Dollar an Vice-Schulden tauscht er gegen die Auflösung eines NDA und der Rechte an ’seiner‘ Serie, um diesen „Vice Is Broke“-Film machen zu können, der drei Dinge fragt: a) where did it all go wrong? b) where is my fucking money? c) wie groß ist der Arschloch-Quotient in der Vice-Führung? (Spoiler: hoch)

Warum das über eine persönliche Vendetta hinaus interessant ist, liegt an Huang, der die Attitude des frühen Vice Magazine immer noch lebt. Er ist auch heute noch ein idealistischer Bilderstürmer, eine Coolness-Maschine, ein Provokateur mit Punkrockvibes – aber mit einer Empathie für den Underdog, die Vice auf seiner Suche nach Größe verloren hat. So spürt er den Problemen des Magazins nach, spricht mit etlichen frühen Mitarbeitern und hat auch immer noch viel Love für die Wildheit des alten Magazins. Das geht sogar so weit, dass er Vice-Mitgründer Gavin McInnes, der 2007 rausgeworfen wurde und einige Jahre später Hauptakteur der rechts-chauvinistischen Proud Boys – Bewegung wurde, nicht nur interviewt, sondern ihn auch heute noch mit einer gewissen Ehrfurcht betrachtet. McInnes wird im Film ob seiner jetzigen Ansichten zwar klar angeklagt, doch Huang bringt es nicht übers Herz, in ihm einen echten Neo-Faschisten zu sehen, sondern öffnet ihm immer noch die Hintertür, dass er all das nur für das Geld, den Ruhm und die Mädchen machen würde (wobei fairerweise zu sagen ist, dass McInnes *dieser* Vorwurf wohl bei weitem fuchtiger macht als wenn man ihn einen Faschisten heißt).

Huangs eigentlicher Endgegnger ist der andere Vice-Gründer Shane Smith, den er als unkreativen Salesman zeichnet, der immer auf die Coolness von McInnes & der anderen Redaktionspunks eifersüchtig war. Smith‘ Expansionsdrang stößt Vice letztlich ins Verderben.

Dieses Abarbeiten am Ende einer Untergrundinstitution ist äußerst unterhaltsam, gerade weil der Kampf nicht von außen, sondern quasi von innen geführt wird. Huang hat den Insider-Zugang und – noch wichtiger – *immer noch* den Underdog-Gestus verinnerlicht, weswegen sein blutendes Herz imer wieder auf die Leinwand schwappt. Eine Aufarbeitung aus ökonomischer Sicht, worin der Niedergang von Vice begründet war, liefert Huang nur in Ansätzen und formuliert sie nicht unbedingt nachvollziehbar – außer dem eher aphoristischen Sellout-Punkrock-Credo „Coolness ist kein erneuerbarer und skalierbarer Faktor. Du kannst sie nur einmal verkaufen, dann ist sie weg“.

Aber für diesen financialtimesigen Blick auf die Vice-Misere wird es sicher, wie er zu Beginn seines Films sagt, irgendwann einmal eine andere Doku geben. Aber eine langweiligere, mit Menschen, die auf Stühlen sitzen und in Kameras sprechen.

„Vice Is Broke“ ist auf MUBI zu sehen.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2025/09/17/vice-is-broke-where-did-it-all-go-wrong/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert