Der Phönizische Meisterstreich (2025, Wes Anderson)
zur Leihe
Wes Anderson erzählt in seinem neuesten Spielfilm „The Phoenician Scheme“ den elaboriertesten Plost seit mindestens „Grand Budapest Hotel“, aber am Ende sind all die Haken, die die Geschichte schlägt, wohl auch herzlich egal, geht es ihm doch um den emotionalen Kern der Vater-Tochter-Verbindung, die diesen Saulus-zu-Paulus-Plot befeuert.
Alle Figuren spielen überspitzte Karikaturen von gewissen Abenteuerfilm-Tropes, bleiben aber dank ihrer stoischen Leslie-Nielsen-esquen Performances trocken genug, um nicht in Quatschgefilde abzurutschen – Ausnahme Benedict Cumberbatchs Overacting-Show als böser Onkel In der Kombination mit dem Plot-Twist-Overkill ist „Phoenician Scheme“ im Ganzen einer der unterhaltsamsten Anderson-Filme seit langem („The French Dispatch“ mal ausgenommen, der herausragende Episoden hatte).
Stilistisch ist Anderson nah an seinen im letzten Jahr auf Netflix veröffentlichten Kurzfilmen. Noch mehr als zuvor folgt er in seinen Tableaus einer 2D-Anmutung, wirken alle Bilder ohne Tiefe, als würde man durch ein bewegtes Buch blättern (was von mir beschreibend, nicht negativ gemeint ist!). (7/10)
Heretic (2024, Scott Beck & Bryan Woods)
zur Leihe
In seiner ersten Hälfte ein wirklich tolles Horror-Kammerspiel, das bis dahin ausschließlich über eine theologische / ethische Diskussion funktioniert.
Hugh Grant mit dem Spaß seines Lebens, wenn er hier seinen üblichen, suaven Heartbreaker zum smarten Bilderstürmer überspitzt und dabei glaubwürdig (und nur leicht drüber) einen am Anti-Gottes-Beweis interessierten Fanatiker gibt.
Der zweite Part des Films leidet einerseits an etwas arg unglaubwürdigen Charakterentwicklungen (warum wird die junge, eher etwas stumpfe Mormonen-Schwester auf einmal zum Debattiermonster?) und am wohl genreimmanenten Horrorhokuspokus, aber dennoch bleibt der Film unterhaltsam genug, auch wenn er nicht mehr die Flughöhe der ersten Hälfte erreicht. (6/10)
Eight Postcards from Utopia (2024, Radu Jude & Christian Ferencz-Flatz)
auf mubi
„Hey, lass uns doch den Dienstag abend damit verbringen, 71 Minuten lang Werbespots aus dem postkommunistischen Rumänien der Mitt90er zu schauen!“ – jedem anderen Partner würde man die Tür weisen, aber beim Godard aus Bukarest macht man halt sogar dann eine Ausnahme.
Also schön einen von Radu Jude (mit Christian Ferencz-Flatz) fabrizierten Supercut rumänischer TV-Spots reingezogen, der natürlich einerseits über die Unbeholfenheit und unschuldig direkte 1:1haftigkeit der damaligen Spots wirkt, andererseits aber durchaus auch ohne Off-Kommentar eine politische Aussage transportiert: den Rausch des Kapitalismus, das Fear Of Missing Out Of Privatisierung, die Gier nach Luxus (und Fleisch. Immer wieder Fleisch).
In seiner rapiden Folge hart an der Überforderung und durch das repetitive Wesen nach spätestens einer Stunde auch ermüdend, aber durchaus ein Erlebnis. (6/10)
Witches (2024, Elizabeth Sankey)
auf mubi
Der hervorragende Beginn verspricht eine popkulturell-gesättigte, filmische Neubetrachtung des Hexen-Kults aus einer feministischen Perspektive, also quasi ein „Häxan: Witchcraft Through the Ages“ für die Neuzeit.
Etwas überraschend biegt Elizabeth Sankey in ihrem Essay allerdings in eine Dokumentation über postnatale Depression ab. So wichtig das Thema auch ist, verliert „Witches“ dadurch aber erstens seinen Fokus, zweitens seinen spielerischen Umgang mit seinen Themen und wird so zu einer recht konventionellen talking-heads-Gesprächsrunde. (5/10)
This Is the Zodiac Speaking (2024, Regie: Phil Lott & Ari Mark)
auf Netflix
Muss man auch erstmal schaffen: den vielleicht mythenumranktesten Serienkiller diesseits von Jack The Ripper als so klischee-ige Netflix-Doku zu erzählen, dass ich mich nach Folge 1 verabschiedet habe.
Schade, eine große Enttäuschung. Lieber Finchers „Zodiac“ das xte Mal schauen. (4/10)
Contra (2020, Sönke Wortmann)
auf Netflix & RTL+
Betulich menschelnder Film, der Zynismus und Rassismus verhandeln möchte, dabei aber doch immer nach dem Guten sucht.
Sönke Wortmanns Remake des französischen „Die brillante Mademoiselle Neïla“ war in einem schwierigen Kinojahr 2021 sogar der zehnterfolgreichte Film des Jahres, vielleicht aber gerade weil er es am Ende doch so gut meint und sich wirklich bemüht, alles in Wohlgefallen aufzulösen.
Der an cringe-Szenen reiche Film hat sicher seine besten Momente, wenn er Christoph Maria Herbst die Plattform gibt, sich als rhetorisch gewandten Zyniker zu inszenieren, aber gerade seine zentrale Geschichte – junge, vom Professor (Herbst) rassistisch beleidigte Studentin nimmt an Debattierwettbewerb teil, ihr Professor wird nach dem Eklat als Mentor zwangsverpflichtet – wird nie glaubwürdig hergeleitet. Es wird stattdessen schlicht behauptet, dass die junge Naima dank ihres Professors auf einmal zur Debattierbiene erster Brummklasse wird. (5/10)
Die feige Schönheit (2024, Moritz Krämer)
ZDF Mediathek
Elliptisch erzähltes Familien-und-Liebes-Drama aus der Skaterszene, das nach gut zehn Minuten den Zuschauer völlig unvermittelt in einen krassen Unfall wirft, an dessen Folgen alle Beteiligten für den restlichen Film zu knabbern haben.
Starke Bilder, die erfolgreich einen Überinsta-Look wie beispielsweise noch „Futur Drei“ vermeiden und dankenswerterweise eine gewisse Roughness behalten. Für mehr Eindruck dann doch zu ziellos und verschlossen, aber mit Momenten und einer guten Performance im Zentrum von Pascale Numan. (6/10)
Terminal Island / Männer wie die Tiger (1973, Stephanie Rothman)
zur Leihe bei Cultpix
Stephanie Rothman ist eine der wenigen Regisseurinnen, die auch im Exploitation-Genre tätig war. So merkt man ihrem „Terminal Island“ (deutscher Titel: „Männer wie die Tiger“) durchaus an, dass hier jemand zwar die Tropes bedient, aber auch soweit wie möglich subvertiert.
„Terminal Island“ spielt wie eine Mischung aus „Battle Royale“ und „Punishment Park“. Strafgefangene werden auf einer Insel ausgesetzt und dort sich selbst überlassen. Faszinierend ist dabei aber, wie Rothman hier eine reale Grundierung einbringt und in einer wirklich sehr starken Exposition dieses Konzept im Film via (echter!) Straßeninterviews einführt: so werden Passanten befragt, was sie davon halten, dass mit Abschaffung der Todesstrafe die Verurteilten stattdessen auf einer Insel ausgesetzt werden und dort mit Natur und Mitgefangenen um ihr Überleben kämpfen müssen. Wenig überraschend: großes, zustimmendes Nicken der Bevölkerung!
Zwar hält der restliche Film nicht ganz, was dieser durchaus auch politischer Einstieg verspricht (hierzu empfehle ich „Punishment Park“, einen wirklich verstörenden Film mit ähnlicher Thematik), aber bleibt bis zum Ende unterhaltsam. (6/10)
…
Film im Barbican in London gesehen mit einem langen Q&A mit der Regisseurin, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters (89!) per Video aus den USA zugeschalten war. Voller Empathie und politischer Schärfe kommentierte Rothman die amerikanische Gegenwart ebenso wie die Bedingungen für Frauen in der Filmindustrie in den 60er bis 80ern. Ein tolles Gespräch und man wünscht sich, mit 89 auch noch halbwegs so fit zu sein!