vonChristian Ihle 29.10.2025

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Frightened Rabbit waren nie ein großer Name, aber für diejenigen, die sie entdeckt hatten, wurden ihre Songs zu einer Lebensader. Mit roher Ehrlichkeit, schwarzem Humor und unvergesslichen Melodien schufen Scott Hutchison und seine Band eines der intensivsten Werke der letzten 20 Jahre. Wir erzählen ihre Geschichte mit einer 20 Titel umfassende Playlist, die zeigt, warum nach wie vor gilt: the best band you’ve (probably) never heard of.

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Einige von euch kennen vielleicht schon ihre Musik oder hatten das Glück, sie live zu sehen. Viele andere haben den Namen vielleicht noch nie gehört. Meiner bescheidenen Meinung nach sind sie eine der großartigsten schottischen Indie-Rock-Bands der letzten Jahrzehnte und Scott Hutchison einer der besten Songwriter des Landes.

Wer ein Fan der lyrischen Intensität von Elliott Smith, Conor Oberst oder Adrianne Lenker ist, wird hier viel finden. Wer die emotionale Ehrlichkeit von The National, die melodische Kraft der frühen R.E.M. oder den bissigen Witz von Aidan Moffat von Arab Strap mag, wird Frightened Rabbit in seiner Welt begrüßen. Hutchison konnte brutal witzig, zärtlich, düster oder selbstzerstörerisch sein – manchmal alles in einem einzigen Vers.

Für manche Bands ist es einfach, eine Playlist zusammenzustellen: Man wählt sechs oder sieben offensichtliche Singles aus, fügt ein paar starke Albumtracks hinzu, und fertig. Frightened Rabbit sind anders.
In etwas mehr als einem Jahrzehnt haben sie fünf Studioalben und mehrere EPs veröffentlicht, neben Scotts Soloalbum als Owl John und seiner Arbeit mit der Supergroup Mastersystem. Die Qualität war bemerkenswert konstant. Songs aus dieser Liste wegzulassen, kommt einem fast wie ein Sakrileg vor – kein „Fast Blood”, „Get Out”, „Footshooter”, „Backyard Skulls”, „Woke Up Hurting”, „Nothing Like You”? Man könnte zwei oder drei weitere Playlists mit jeweils 20 Titeln erstellen, ohne dass die Qualität merklich darunter leiden würde. Selbst ihre B-Seiten und Kollaborationen (mit Julien Baker, Tracyanne Campbell und Moffat selbst) sind hörenswert.

Die Tragödie von Scott Hutchison

Es ist unmöglich, die Geschichte von Frightened Rabbit zu erzählen, ohne über den tragischen Tod von Scott Hutchison zu sprechen. Im Mai 2018 starb Scott Hutchison im Alter von nur 36 Jahren durch Selbstmord. Sein Tod war besonders erschütternd, weil er in vielen seiner Songs offen mit psychischen Problemen rang, von Angstzuständen bis hin zu Selbstmordgedanken. Der Song Floating in the Forth (2008) hatte diese Verzweiflung bereits vorweggenommen, endete jedoch mit dem hoffnungsvollen Refrain: „Ich glaube, ich verschiebe den Selbstmord um ein weiteres Jahr.“

Es läge nahe, alle seine Songs durch die Brille dieses Endes zu betrachten, aber das würde sein außergewöhnliches Werk verflachen. Hutchison war nicht nur verletzlich und geplagt – er war auch witzig, charismatisch, mitfühlend und selbstironisch. Seine Freunde und Familie erinnern sich an ihn als freundlich und großzügig, mit einem schnellen Verstand, der sowohl in seinen Texten als auch in Interviews zum Vorschein kommt (wie die folgende Zusammenstellung einiger seiner Interviews und humorvollen Momente auf YouTube zeigt):

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Selkirk nach Glasgow: Die Ursprünge einer Band

Scott Hutchison wuchs in Selkirk auf, einer kleinen Stadt in den Scottish Borders, die reich an Volksliedtraditionen ist. Als Kind litt er unter nächtlichen Angstzuständen und lähmender sozialer Angst. Bei Familienfeiern versteckte er sich zitternd – was ihm den Spitznamen „Frightened Rabbit“ (verängstigtes Kaninchen) einbrachte.

Musik und Kunst wurden zu seinem Zufluchtsort. Als talentierter Illustrator studierte er an der Glasgow School of Art, wo er sowohl Selbstvertrauen als auch eine Gemeinschaft fand. Ermutigt durch Freunde begann er 2003 unter dem Namen Frightened Rabbit aufzutreten. Sein jüngerer Bruder Grant kam bald als Schlagzeuger dazu, und mit dem Gitarristen Billy Kennedy wurde die Band zu einem Trio.

Alben in Fokus

Sing the Greys (2006)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Ihr Debüt deutete bereits auf Scotts Brillanz hin, auch wenn die Lo-Fi-Produktion die Konturen etwas verwischte. Songs wie „The Greys“, „Behave“ und „Be Less Rude“ zeigten sowohl Punk-Energie als auch lyrisches Potenzial.

The Midnight Organ Fight (2008)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Mit ihrem zweiten Album änderte sich alles. Es entstand nach einer schmerzhaften Trennung und wird oft als „Trennungsalbum“ bezeichnet, ist aber viel mehr als das: ein rohes, bekennendes Meisterwerk über Sex, Liebeskummer, Depressionen und Überleben. Es wurde vielfach gelobt, gilt als eines der besten Alben Schottlands und festigte Hutchisons Ruf als einer der besten Texter seiner Generation.

The Winter of Mixed Drinks (2010)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Dieses Album, das Scott nach seinem Rückzug in die Küstenstadt Crail (Heimat des legendären Indie-Folk-Exzentrikers King Creosote) geschrieben hat, strotzt nur so vor wässrigen Metaphern der Flucht und Erneuerung. Es ist optimistischer und klanglich ausladender und war das erste FR-Album, das nicht live aufgenommen wurde und Overdubs enthält.

Pedestrian Verse (2013)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Ihr Major-Label-Debüt für Atlantic. Hier wurde das Songwriting kooperativer, obwohl Scott weiterhin der Haupttexter blieb. Die Singles „The Woodpile“, „Backyard Skulls“ und „Late March, Death March“ wurden nicht nur auf der Insel häufig im Radio gespielt, so dass die Band das größte Publikum ihrer Karriere erreichte, insbesondere in den USA, wo sie sowohl in Late-Night-Talkshows als auch im Indie-Radio zu festen Favoriten wurden. Doch die unermüdlichen Tourneen forderten ihren Tribut und hätten die Band beinahe auseinandergebracht.

Painting of a Panic Attack (2016)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Dieses letzte Album, produziert von Aaron Dessner von The National, kehrte zu einem reduzierteren, intimeren Sound zurück. Es wurde teilweise in Los Angeles geschrieben und spiegelte die Spannungen innerhalb der Band und Scotts eigene Kämpfe wider, enthielt aber dennoch Momente von großer Schönheit wie „I Wish I Was Sober“, „Die Like a Rich Boy“ und „Death Dream“.

Das Ende und was danach kam

Der letzte Auftritt von Frightened Rabbit mit Scott fand im März 2018 in der O2 Academy in Glasgow statt, während einer Tour zum 10-jährigen Jubiläum von „The Midnight Organ Fight“. Wochen später wurde Scott als vermisst gemeldet. Am folgenden Tag wurde sein Selbstmord bekannt gegeben.

Die verbleibenden Bandmitglieder bestätigten, dass Frightened Rabbit ohne ihn nicht weitermachen könne. Sie spielten nur zwei Benefizkonzerte mit Gastsängern. In Gedenken an Scott gründete seine Familie die Wohltätigkeitsorganisation für psychische Gesundheit Tiny Changes, benannt nach einer Zeile aus Head Rolls Off: „While I’m alive I’ll make tiny changes to Earth” (Solange ich lebe, werde ich kleine Veränderungen auf der Erde bewirken). Die Wohltätigkeitsorganisation setzt sich für junge Menschen ein, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, und möchte die Art und Weise verändern, wie in Schottland über Selbstmord gesprochen wird.

Auf dem Tribute-Album „Tiny Changes: A Celebration of Frightened Rabbit’s The Midnight Organ Fight“ coverten Künstler wie Biffy Clyro, The Twilight Sad, Josh Ritter und Julien Baker Songs der Band.
Obwohl Frightened Rabbit nur knapp über ein Jahrzehnt lang existierten, hinterließen sie ein bleibendes Vermächtnis. Sie verbanden die Folk-Traditionen Schottlands mit der eindringlichen Intensität des Indie-Rock und hinterließen Alben, die weiterhin trösten, herausfordern und inspirieren.

Es gab Gerüchte, dass ein Film über Frightened Rabbit in Arbeit sei, und Scotts Bruder Grant sagte, dass er neue Demos aufgenommen habe, die die Band auf einem neuen Album veröffentlichen wollte. Ob diese jemals das Licht der Welt erblicken werden, bleibt abzuwarten.

The Playlist – An introduction to Frightened Rabbit:

1. The Modern Leper (The Midnight Organ Fight – 2008)
Einer der kraftvollsten Opener von Frightened Rabbit – zerklüftet, aber seltsam triumphierend. Es ist ein Song über das Gefühl, emotional gebrochen zu sein und dennoch nach Verbindung zu sehnen: “Is that you in front of me, coming back for even more of exactly the same? You must be a masochist to love a modern leper on his last leg.

2. The Greys (Sing the Greys – 2006)
Ein rauer, punkiger früher Track, der Depressionen mit unverblümten, lebhaften Strichen einfängt. Man hört bereits Scotts lyrische Schärfe durchscheinen: “I woke up this afternoon thinking the world might be a more colourful place. There’s no luck — it’s still just grey.”

3. Holy (Pedestrian Verse – 2013)
Stampfend, sarkastisch und voller Wut. Holy nimmt die Heuchelei und leere Moral vom Boden eines Whiskyglas aus ins Visier, angetrieben von einem der ausgefeiltesten Indie-Rock-Arrangements der Band.

4. The Wrestle (The Winter of Mixed Drinks – 2010)
Ein Song über Sex als Intimität und Kampf, der Themen wie Begierde und Veränderung mit den Wasserbildern verbindet, die sich durch The Winter of Mixed Drinks ziehen.

5. The Woodpile (Pedestrian Verse – 2013)
Ihr größter Radiohit, aber immer noch unverkennbar FR: ein Plädoyer für Verbundenheit, vorgetragen mit Dringlichkeit und Herz. “Will you come back to my corner? I’ve spent too long alone tonight.”

6. The Loneliness and the Scream (The Winter of Mixed Drinks – 2010)
Ein Fan-Favorit und regelmäßiger Set-Closer, der Isolation in einen gemeinsamen Aufschrei verwandelt. Kathartisch, euphorisch und tief bewegend.

7. Swim Until You Can’t See Land (The Winter of Mixed Drinks – 2010)
Metaphernreich und still hoffnungsvoll handelt dieser Song davon, Gewissheiten hinter sich zu lassen und Veränderungen anzunehmen. “And if I hadn’t come now to the coast to disappear, I may have died in the landslide of rocks and hopes and fears.”

8. The Twist (The Midnight Organ Fight – 2008)
Eine verzweifelte, zerbrechliche Bitte um Nähe, auch wenn sie chaotisch und lieblos ist. Scott singt: “You twist and whisper the wrong name, I don’t care and nor do my ears.”

9. My Backwards Walk (The Midnight Organ Fight – 2008)
Eine Hymne an den Herzschmerz, wenn man versucht – und dabei scheitert –, jemanden hinter sich zu lassen. Die ironischen Bilder machen den Schmerz umso schmerzhafter: “I’m working hard on walking out, shoes keep sticking to the ground, my clothes won’t let me close the door, trousers seem to love your floor.”

10. Late March, Death March (Pedestrian Verse – 2013)
Eine Trennung vor dem Hintergrund eines nächtlichen Spaziergangs im betrunkenen Zustand. Hochfliegend, zynisch und bittersüß. Die Geschichte eines Mannes, der seinen Glauben verliert und, wie es scheint, auch seine Beziehung.

11. Acts of Man (Pedestrian Verse – 2013)
Pedestrian Verse beginnt mit einem Schlag in die Magengrube: “I am that dickhead in the kitchen, giving wine to your best girl’s glass“ – dieser Track ist ein vernichtender Angriff auf Frauenfeindlichkeit und toxische Männlichkeit. Nur wenige Texte sind so unerbittlich wie: “Man he breeds although he shouldn’t, breeding just because he comes, acts the father for a minute until the worst instincts return.”

12. State Hospital (Pedestrian Verse – 2013)
Eine eindringliche Ballade über eine Frau, die den schlimmsten Start ins Leben hatte, geprägt von Gewalt und Vernachlässigung. Doch inmitten der Dunkelheit findet Scott einen Funken Hoffnung.

13. Good Arms vs Bad Arms (The Midnight Organ Fight – 2008)
Eifersucht und Herzschmerz destilliert zu einer vernichtenden Ballade. Der Song schmerzt gleichzeitig vor Bitterkeit und Zärtlichkeit: “I might not want you back, but I want to kill him.”

14. Keep Yourself Warm (The Midnight Organ Fight – 2008)
Vielleicht ihr charakteristischster Song. Direkt, roh und unvergesslich, bewegt er sich von der derben Glasgower Umgangssprache zu einer tiefgründigen Wahrheit: “You won’t fine love in a hole, It takes more than fucking someone you don’t know to keep yourself warm.”

15. Death Dream (Painting of a Panic Attack – 2016)
Traumhaft, surreal und erschütternd. Ein Highlight aus ihrer späteren Schaffensphase, inspiriert von Scotts lebenslangen wiederkehrenden Nachtangstzuständen und ihrer Beschäftigung mit dem Tod.

16. I Wish I Was Sober (Painting of a Panic Attack – 2016)
Dieser zerbrechliche und bekennende Song legt Scotts Kampf mit dem Alkohol und seine Sehnsucht nach Klarheit offen. Rückblickend herzzerreißend, aber auffallend ehrlich.

17. Poke (The Midnight Organ Fight – 2008)
Reduziert und intim, einer der erschütterndsten Songs der Band. Er fängt die stille Grausamkeit des Endes einer Liebe ein: “And now we’re unrelated and rid of all the shit we hated. But I hate when I feel like this, and I never hated you.”

18. Living in Colour (The Winter of Mixed Drinks – 2010)
Das Gegenteil von The Greys – hell, hoffnungsvoll und feierlich. Ein seltener Lichtblick im Repertoire, in dem es darum geht, Liebe und Freude anzunehmen.

19. Head Rolls Off (The Midnight Organ Fight – 2008)
Eine beliebte Hymne über Sterblichkeit, Vermächtnis und kleine Veränderungen. Der Refrain ist zum ewigen Epitaph der Band geworden: “While I’m alive I’ll make tiny changes to Earth.” – Das hast du getan, Scott.

20. The Oil Slick (Pedestrian Verse – 2013)
Selbstironisch, scharfsinnig und letztendlich hoffnungsvoll. Scott verspottet sein eigenes Songwriting – “Took to the ocean in a boat this time, only an idiot would swim through the shit I write” –, schließt aber mit Trotz: “There’s still hope so I think we’ll be fine.”

(Text & Playlist: Danny McBride)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Anmerkung der taz Blogs Redaktion: Haben Sie suizidale Gedanken oder machen Sie sich Sorgen um eine Person in Ihrem Bekanntenkreis? Eine Liste mit Hilfsangeboten finden Sie unter taz.de/suizidgedanken

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2025/10/29/an-introduction-frightened-rabbit/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert