„Die ARD-Serien-Produktion „Mozart/Mozart“ zeigt in nahezu sensationellem Ausmaß total miserables Fernsehen. Lieber Gott, bitte mach, dass es keine zweite Staffel gibt!
Die Tragik deutscher Fernsehproduktionen liegt darin, dass die Macher die Zuschauer für dümmer halten als sich selbst. „Das versteht der Zuschauer/die Zuschauerin nicht“ ist ein beliebter Satz in Drehbuch-Konferenzen. Bevorzugt macht man fürs hiesige Fernsehpublikum, was anderswo schon einmal Erfolg hatte – nur in schlecht. Aber jetzt wird noch mal eine neue Stufe gezündet. Die ARD bringt das womöglich Schlechteste, was das deutsche Fernsehen jemals hervorgebracht hat. (…)
Man kann sich die Serie vorstellen wie „Bridgerton“ meets „Amadeus“ meets Rondò Veneziano meets Female Empowerment à la Physikerin-Barbie, nur in schlecht. (…) Schauplatz ist Österreich, auch der ORF hat mitproduziert, doch jeder mögliche Anflug österreichischen Charmes wurde effizient eliminiert. (…)
Mozart, der von Eren M. Güvercin, 23, gespielt wird, nuschelt jedenfalls wie ein heutiger Typ aus Friedrichshain nach durchzechter Nacht und sagt „Isch“ wie ein moderner Berliner. Mag sein, dass diese Schauspieler in anderen Produktionen glänzen, in „Mozart/Mozart“ jedoch agieren beide auf unterstem Soap-Niveau. Güvercin spielt hauptsächlich mit den Nasenflügeln, die er immer wieder aufbläht, sei es im Zorn oder aus Kummer. Andere Emotionen stellt er mit dem Kaumuskel dar. Nur wenn er richtig wütend spielt, was im Laufe der Serie zweimal vorkommt, wechselt er in ein athletischeres Fach.
Dann schreit er ganz aufgeregt herum, reißt die Augen auf und wirkt wie ein Rumpelstilzchen, das gleich in die Luft geht, wenn ihm nicht vorher noch Rauch aus der Nase steigt. Nein, das hat Mozart nicht verdient, trotz all der mittelmäßigen Musik, die er auch komponiert hat, während seine geniale Schwester aus Gründen des noch nicht erfundenen Feminismus einfach nicht zum Zuge kam.
Havana Joy sieht als Anna Maria Mozart aus wie Victoria Beckham heute. Sie spielt mit bebenden Lippen und weit aufgerissenen Augen, wie man es sonst eigentlich nur aus animierten Filmen kennt, wenn im Hintergrund die Welt brennt und jemand noch etwas final Wichtiges zu sagen hat. In diesem Stil sagt Havana Joy: „Setz dich.“
Zu Güvercins und Joys Verteidigung sei angebracht, dass die beiden es mit unfassbar schlechten Dialogen zu tun haben. Oft sagt in dieser Serie jemand etwas, das Gegenüber wiederholt dann das Verb als Frage und bekommt es hinwiederum von der ersten Person anders umschrieben. Etwa so:
Sie: „Lass uns verschwinden.“
Amadeus: „Verschwinden?“
Sie: „Abhauen.“
(…) weil Schauspieler ja sagen müssen, was im Drehbuch steht, mögen die oft rätselhaft geweiteten Augen der beiden Hauptdarsteller Ausdruck stummer Hilfeschreie sein. (…)
Da es aber eine moderne Serie über Mozart beziehungsweise Mozarts Schwester sein soll, bemühte man sich redlich, Mozarts Musik darin unkenntlich zu überkleistern. Offenbar traut man heutigen Ohren das Ertragen klassischer Musik nicht zu. Kaum ertönt etwas von Mozart, werden schnell klebrige Synthesizer darübergelegt und Beats, und es klingt dann nach diesem unerträglichen irischen New-Age-Geheule von Enya oder eben nach Björk. (…) warum ist man dann mit dem billigsten Zusatz-Berieselungssoundtrack, wie er schwachsinniger nicht in einem Beruhigungsvideo für Angstpatienten auf dem Zahnarzt-Deckenbildschirm laufen könnte, zufrieden? (…)
Die Serie ist zu solide sehr schlecht, um auf gut schlecht gemeint zu sein. Da gibt es keine doppelte Ebene, kein Zwinkern der Macher an ihre für intelligent gehaltenen Zuschauer wie etwa bei „Emily in Paris“, eine Serie, die auch schlecht ist, aber in bestgelaunter Absicht. „Mozart/Mozart“ hingegen ist einfach nur schlecht. (…)
Wenn Güvercin traurig spielt, sieht es aus, als sei sein Kaugummi schlecht geworden. Wenn er Dirigieren spielt, sieht es aus, als versuche er, einen Hühnerstall unter Kontrolle zu bringen. Wenn Havana Joy spielt, dass eine Kutsche jäh anhält, guckt sie versehentlich beleidigt statt erschrocken. Wenn sie dirigiert, sieht es aus, als schiebe sie einen stecken gebliebenen VW-Bus wieder an. (…) Ganz zuletzt ist sie am Ziel. Da dirigiert sie vor Publikum eine eigene Komposition (…) Mozarts Schwester wirkt dabei, mit beiden Armen unaufhörlich den imaginierten VW-Bus in Richtung Serienfinale schiebend, richtig zufrieden, es soll also offenbar super Musik sein.
Ach, ist das alles blöd. So viel verschwendetes Geld, so viel verschwendete Zeit. Es hilft der Gleichberechtigung nichts, sich im Nachhinein die Geschichte schönzudichten, es hilft der ARD nicht, das mit so wenig Geist und Sinn zu tun. Es ist wirklich ein grauenhaftes Produkt herausgekommen. Historiencontent für eine für dumm verkaufte Welt.“
(Johanna Adorján in der Süddeutschen Zeitung)