vonLeisz Shernhart 21.05.2024

Poetik des Postfaktischen

Zu viel Form für zu wenig Inhalt: Zur Rolle des Kulturschaffenden in der postfaktischen Gesellschaft. Betrachtungen ohne abschließende Bewertung.

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Nach einem langen und harten Arbeitstag in der nahegelegenen Schiffswerft kommt ein schwarz gekleideter Hafenarbeiter, verschwitzt und durchnässt, gegen 18:45 Uhr vor seiner garnierten Pension an. Er streift sich die Reflektoren von der staubigen Hose, legt den Überzieher ab und versieht sein in die Jahre gekommenes Fahrrad mit einem Schloss aus Zahlen. Es hat noch immer dieselbe Kombination, das Datum der Geburt seiner Schwester, die er vor knapp drei Jahren zu Grabe getragen hatte. Aus einem regendurchnässten Parker kramt er mühselig seine zahlreichen Schlüssel. Einige der Schlösser, zu denen diese einst passten, gibt es seit langem nicht mehr. Die abgeschaffte Gestalt nickt dem üblen Riecher, der ihn vom Fenster aus begafft, zu und betritt den Windfang. Aus dem Schlitz seiner Postbox, die auf einem abgegriffenen Einheitsschildchen den Namen Mundus verrät, fingert er eine Hand voll Prospekte, ohne den Kasten zu öffnen. Der Inhalt scheint den Besitzer nicht weiter zu scheren. Gerade so hinterlässt er den Kasten, dass die Klappe des Briefschlitzes sich wieder verschließen lässt. Dann steigt der Mieter die knarrende Holztreppe empor, bis zu der Türe seiner spartanischen Behausung, welche er zögernd aufsperrt. Fürs Erste wähnt er sich in Sicherheit. Ermattet und beseelt von dem Gedanken, er werde sich ruinieren, bettet er sich nach einem Moment des Zögerns zur Ruhe. Er schließt die Augen und sagt sich, wie müde er sei. Noch ein letztes Mal, bevor er beschließt zu sterben, doch will es ihm nicht gelingen. Erst geht er zum Fenster, öffnet es, schließt es, setzt sich schließlich an den alten Tisch und schreibt für die Welt den folgenden Text:

Fortbestand ohne Benehmen, morbider Einwand eines himmlischen Rektors im Kettengewand.

Das Glück ist eine unerhörte Begebenheit, Polemik in ruppigem Umgangston.

Die Mühe durchseufzender marternder Moder belästigt die geistige Wiedergeburt.

 

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