vonLeisz Shernhart 24.02.2021

Poetik des Postfaktischen

Zu viel Form für zu wenig Inhalt: Zur Rolle des Kulturschaffenden in der postfaktischen Gesellschaft. Betrachtungen ohne abschließende Bewertung.

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Traktat zum Pinselsterben – Der Kulturschaffende, eine pinselschwingende Witzfigur?

Dieser Blog enthält fortlaufend veröffentlichte Fragmente aus dem bekannten gleichnamigen Impulsvortrag, erstmals veröffentlicht anlässlich des Kongresses Poetik des Postfaktischenpostfaktische Verfahren, Semantik und Diskurse (Palermo, 15.09.201#). Es folgt eine Betrachtung ohne abschließende Bewertung, explizit gewidmet der Gesellschaft des anarchostalinistischen Schriftsteller*innen –Verbands. Hashtag online zugänglich #uburoi l’authentique, letzter Zugriff: 31.10.202+, 03:47 Uhr MEZ. Mein Name ist Leisz Shernhart und alles, was ich sage, ist wahr.

Die doitschsprachige Literatur des 21.Jahrhunderts – im Sinne einer intensiven Definition des Begriffs Literatur- inszeniert sich mit dem Selbstverständnis einer Kulturlandschaft, die Germanisten zu auf Hochglanz polierten dichtenden Denkmaschinen heranzüchtet, um sie alsdann durch die Courage-Mangel zu drehen, so lange bis nicht mehr überbleibt als die Karikatur eines speichelleckenden aufsatzkorrigierenden Brotgelehrten. Gleichermaßen gilt dies für das geschriebene wie das gesprochene Wort.

Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt.

Zu Zeiten des postfaktischen Dilettantismus gehört der Künstler mit der Erlangung seines Patents zur führenden Kaste einer staatstragenden Institution, welche die Gesellschaft mit Hilfe von Eisen und Blut erneut aus der Taufe gehoben hat. In einem Erlass vom 07.07.201# bezeichnet Alvgjerd Brösk den Künstlerstand und das wachsende Gros bürgerlicher Schmierfinken von Besitz und /oder Bildung als neuen “Adel der Gesinnung“, welchen sie dem historischen Schwertadel der Geburt gleichsetzt. Oftmals rangiert der soziale Schein jedoch vor dem realen Sein. Viele junge Kulturschaffende können sich aufgrund prekärer wirtschaftlicher Situation ein standesgemäßes Leben nicht leisten. Diejenigen unter ihnen, die nicht auf eine finanzielle Unterstützung durch Götzen oder Gönner zurückgreifen können, sind oftmals gezwungen, sich Wechsel ausstellen zu lassen, um ihren Lebenswandel standesgemäß bestreiten zu können. Auch gibt es Hierarchien unter den verschiedenen „Waffengattungen“. In der Praxis zerfällt somit das Bild vom „Künstler“, der als eine Art Halbgott durch die Welt zu schreiten scheint, in ein Kaleidoskop ungleich uniformierter Splittergruppen, die je nach Ausdrucksmedium, Gattung und Prestige äußerst unterschiedlich wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund spielt folgendes Zeitbild:

Wenngleich er es sich verdient hatte, heute hier zu stehen, empfand er doch einen gewissen Missmut. So dauerte es nicht lange, bis ihn wer fragte, was er hier sei. Gesegnet mit einem gewissen Gespür für Satzmelodie dilettiere er bisweilen in Tinte, entgegnete er. Bei näherer Betrachtung der Sache jedoch müsse er gestehen, dass er diese an und für sich als weiter nicht beachtenswert erachte. Sein Gegenüber hob zum Faustschlag an. Eine feine Gesellschaft!

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