vonStephanie Grimm 04.09.2006

Prinzenbad-Blog

Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur, Gespräche und Gedanken unter der Dusche – der Blog über Deutschlands berühmteste Badeanstalt.

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Über die vorgezogene Schließung unseres Prinzenbads – beschlossen bzw von den Bäderbertrieben an die Öffentlichkeit kommuniziert zu einem Zeitpunkt, als es für jegliche Intervention zu spät war -, wird und darf hier in den kommenden Tagen noch ausreichend gejammert und geschimpft werden.
Vorhernochmal ein kleine Anekdote zum Trost, die belegt, dass die Verhältnisse woanders nicht durchsichtiger sind und man als Freibadfan auch in prosperierden Städten unter Willkür zu leiden hat.
Vorgangene Woche weilte ich in London. Weil die schönen Seen in Hampstead Heath für ein spontanes Schwimmvergnügen dank der Wohnlage meines Gastgebers zu weit weg waren, guckte ich mal Internetnach – und fand tatsächlich ein Schwimmbad in der Nähe: das Charlton Lido. Auf der Webseite war die Einschränkung zu lesen, dass das Bad nur bei gutem Wetter geöffnet sei. Weil das ein ebenso dehnbarer wie nichtssagender Begriff ist und es an dem Tag bei 21 Grad bedeckt war – was ist das nun, gut oder schlecht ? – rief ich an. Siehe da: Es ging jemand ran, das Bad war also offen.
Als ich dort ankam, relativierte sich dieser Eindruck. Die Kassierin wirkte verstört, als ich sie beim Lesen des Daily Mirror stört. Ihre Kasse war offensichtlich lang nicht benutzt worden, die Schublade klemmte. Als sie dann endlich aufsprang, war kein penny Wechselgeld drin. Also durfte ich erst mal so rein. Der Bademeister war ebenfalls verstört und rief mir noch hinterher, dass ich bloss aufpasse solle, er wolle wegen mir nicht ins Wasser müssen.
Ich fragte dann doch mal noch mal nach, wie warm das Wasser denn nun sei. Man hatte mir zwar gesagt, dass das Becken nicht geheizt werde. Ich war davon ausgegangen, dass das Wasser trotzdem mindestens so warm wie das Sportbecken im Prinzenbad war, also etwa 18 Grad.
Es waren aber nur 14 Grad. Das erklärte auch, warum der erste Gast seit drei Tagen war. Darauf hatte mich der Bademeister, der in seinem Ausguck viel kollegiale Verstärkung hatte (insgesamt rannten ungefähr 5 Angestellte in dieser völlig menschenleere Badeanstalt herum) noch explizit hingewiesen. Auf die Frage, warum nicht geheizt werde, dann würden ja schließlich auch ein paar mehr Leute kommen, bekam ich die etwas rätselhafte Antwort, dass das Bad schließlich schon 100 Jahre alt sei. Stimmt, hübsch und alt sah es hier wirklich aus, aber das würde es doch auch, wenn das Wasser ein bisschen wärmer sei
Ich fragte nicht weiter nach, und sprang statt dessen ins kalte Wasser. Es war erstaunlich erquicklich und eigentlich auch gar nicht schlimm – zumindest die ersten 10 Bahnen lang. Dann musste ich schnell unter die Dusche, die man übrigens auch nicht wärmeregulieren konnte: sie war genauso warm, wie das Becken kalt war. Beim Rausgehen musste ich dann doch noch den Eintritt abdrücken. Das wirkte nach der Heldentat des Kaltschwimmens fast ein bisschen kleinlich.
Weil’s unterm Strich doch sehr schön war, fragte ich den Bademeister zum Abschied, wie das mit der Schönwetterlage und den Öffnungszeiten denn nun genau zu verstehen sein. Die Antwort war, ich solle mir mal keine Sorgen machen, er wäre immer da.
Drei Tage später, immerhin hatte es 23 Grad und die Sonne schien, wollte ich den Spaß wiederholen. Die Eingangstür war jedoch verrammelt. Offiziell schließen sollte dieses Bad übrigens am 3. September.
Der Unterschied zu der vorgezogenen Schließung in Kreuzberg: Dort scheint es niemand zu stören. Drei Tage ohne Badegast: das gab’s im Prinzenbad sicher noch nie.

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https://blogs.taz.de/prinzenbad/2006/09/04/woanders-ist-die-welt-auch-schlecht/

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