Heiner war einer unserer ältesten Badegäste. Mit seinen 86 Jahren vielleicht sogar der älteste Stammgast im Prinzenbad. Jedes Jahr zum Saisonabschluss verkündete er, den kommenden Winter nicht zu überstehen. Nun ist er in der letzten Wintersaison tatsächlich gestorben.
Heiner war eine Institution – eine feste, unverrückbare Größe im Sommerbad Kreuzberg. Es schien, als sei das Freibad um ihn herum gebaut worden. Gleich zu Beginn einer jeden Sommersaison tauchte er auf und kam dann tagtäglich bis zum Saisonabschluss. Wenn Heiner im strömenden Regen unter dem Schutzdach der Cafeteria-Terrasse saß und prognostierte, das Wetter würde bald besser werden, so wurde es auch besser. Er war der wahre Wetterfrosch und seine Wettervorhersagen waren in der Regel verläßlicher als die der deutschen Wetterdienste.
Der Bade-Morgen begann für ihn mit der Zeitungslektüre und zwischendurch unterhielt er sich mit den unterschiedlichsten Badegästen. Mit den Worten „Nun will ich erstmal zum Strand gehen“, verließ er uns dann in Richtung Sportbecken, verbrachte einige Zeit auf seiner Liege, denn das Schwimmen wurde ihm nach einer Hüft-Operation und einem anschließenden Schwimmversuch, der im Urban-Krankenhaus endete, verboten.
Zur Essenszeit kehrte er in die Cafeteria zurück. Dagmar und Matze kochten täglich für ihn. Die übrigen Gäste erkundigten sich bei der Cafeteria-Crew nicht nach dem Mittagsangebot, sondern fragten ganz einfach „Was bekommt Heiner heute zu Mittag?“. Gab es Reis als Beilage, ließ er den frechen Spatzen etwas davon übrig. Wespen mochte er gar nicht und verfolgte sie unermüdlich mit seinem Badelatschen.
Jahrelang besuchte er nachmittags seine Frau im Pflegeheim und obwohl sie ihn schon längst nicht mehr erkannte, gab er diese Gewohnheit nicht auf. Er wolle schauen, ob sie dort gut behandelt würde, erzählte er mir mal beiläufig. Sechs Jahre las er seiner Frau Märchen vor, zum Schluss Goethes Faust, weil ihm die Märchen ausgegangen waren…
Trotz aller Schicksalsschläge – eine Tochter starb kurz nach der Geburt und sein Sohn kam bei einem Schwimmunfall ums Leben – war er ein unglaublich positiv denkender Mensch, erzählte mir Dagmar von der Cafeteria-Crew. Sie erinnert sich, dass Heiner vor ein paar Jahren, obwohl er selber sehr schwer erkrankt war, seine Schwägerin am Sterbebett besuchte, um ihr beizustehen.
Heiner, das Freibad-Universum ist durch Deinen Tod ein bißchen durcheinander geraten. Dagmar und Matze müssen die B.Z. nicht mehr kaufen, Dein tägliches Mittagessen fällt aus, wir PrinzenbadlerInnen haben keine verläßlichen Wetteraussagen mehr und müssen nun lernen, uns auf die Wetter-Apps und sonstigen Wettervorhersagen zu verlassen.
Wir wünschen Dir am Strand im Freibad-Himmel auch so eine gute Mittagsküche wie hier unten im Prinzenbad, Dein dunkles Bier dazu und eine bequeme Liege am Beckenrand, ein Freiabo für die taz, denn die hast Du auch hin und wieder gelesen. Badegäste, die Dir zuhören, wenn Du Deine Lebenseinstellungen zu den verschiedenen Wetterlagen kund tust. Was hast Du immer zum Besten gegeben? Der Regen ist gut für die Pflanzen und ein Gewitter ist romantisch. Also: Kein Grund zum Jammern!
Foto oben (Heiner, einer unserer ältesten Prinzenbad-Stammgäste – hier vertieft in die taz-Zeitungslektüre): ©Sigrid Deitelhoff
Der Braungebrannte Heiner – wir dachten immer er heißt Reiner – mit seinem morgentlichen Schwarzbier und der B.Z. das war immer das erste!!! Dann sein typischer Gang zum Schwimmerbecken auf den Treppen – zuschauen war sein Motto – nachdem er selber nicht mehr durfte!!! Aber das war ja – sein Sinn wenn ich nicht dann wenigstens die anderen <3 ! Ein guten Morgen haben wir immer mit ihm ausgetauscht – wir haben ihn vermisst als er nicht da war bei unserem 1 Schwimmtag – Wir fragten Matze und Daggi und dann haben wir erfahren – !!! Heiner sitzt jetzt oben und schaut uns beim Schwimmen zu <3 Wir danken für diesen lieben Nachruf Gabi und Reiner