vonNora 23.03.2023

Gesellschaft auseinander puzzlen

Gesellschaft: ein Puzzle aus vielen Teilen. Blog-Autorin Nora nimmt es kritisch auseinander und schafft ein gerechteres Bild.

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Ich frage mich so oft: Wie kann es sein, dass es immer noch Menschen gibt, die den Klimawandel, die Klimakatastrophe nicht ernst nehmen?

Der neue AR6 Synthesis Report: Climate Change 2023 von IPCC ist erschienen und es ist erschütternd: Die Erdoberfläche hat in 2011-2020 im Vergleich zu 1850-1900 bereits eine Erwärmung von 1,1°C erreicht (S. 4). Diese Erwärmung führt bereits zu Wetter- und Klimaextremen und trifft besonders Gemeinschaften, die historisch am Wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben (S. 5). Nach den aktuellen (Oktober 2021) Richtlinien und Gesetzen ist es wahrscheinlich, dass eine Erwärmung von 1,5°C im 21. Jahrhundert überschritten wird und sie erschweren es sogar, dass die Erderwärmung unter 2°C gehalten wird (S. 10).

Dieser Bericht ist erschütternd und macht mir regelrecht Panik. Ich frage mich, warum so wenig passiert. So wenig, dass es eben nicht genug ist. Warum fühlen wir uns nicht alle in unserem Leben bedroht? Denn das sollten wir. Die Klimakatastrophe ist eine Katastrophe und sie ist lebensbedrohlich. Es gibt Aktivist:innen, die sich seit Jahrzehnten für den Umweltschutz einsetzen. Seit so langer Zeit wird vor verschiedensten Schäden in der Umwelt und der Klimaerwärmung gewarnt und dennoch werden nicht die Maßnahmen ergriffen, die es braucht. Ich kann mir nicht vorstellen wie es ist, als Aktivist:in jeden Tag mit dieser Frustration konfrontiert zu sein. Es lässt uns so hilflos fühlen, so machlos, unser eigenes Leben zu schützen.

Denn individualisierte Konsumkritik, die etwa durch den CO₂-Fußabdruck ausgelöst wird, kann nicht die Lösung sein. Individualisierte Konsumkritik verschiebt den Fokus von den entscheidenden Punkten auf die Individuen. Das Problem ist das klimaschädliche System, in dem wir leben, und das muss geändert werden. Wir als Einzelpersonen, Angestellte mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Gehalt, sollen mit dem Fahrrad statt mit dem Auto fahren, nicht zu viel heizen, regionale Produkte kaufen und und und. Klar macht es einen Unterschied, ob ich neue Kleidung kaufe oder gebraucht, vegan esse anstatt Fleisch und damit kann der Markt auch in bestimmte Richtungen gelenkt werden. Das konnte man in den letzten Jahre z.B. bei veganen Ersatzprodukten, Angeboten in Supermarkt und Restaurants erkennen, aber leider, und diese Erkenntnis trifft hart, können wir dadurch das System nicht verändern.

Der Öl-Konzern BP führte 2004 das Konzept des CO₂-Fußabdrucks als geschickte Werbekampagne ein, um von ihrem eigenen Einfluss auf die CO₂-Emissionen abzulenken. So machen uns Öl-Konzerne mit riesigen CO₂-Emissionen ein schlechtes Gewissen und ziehen sich selbst aus der Verantwortung. Lenken wir also endlich wieder den Blick auf die Konzerne und das System, die sich verändern müssen.

Der Kapitalismus ist auf die Vermehrung von Kapital ausgerichtet, nicht darauf, dass die Erde erhalten bleibt, die Menschen gut versorgt und glücklich sind und Lebewesen nicht gequält werden. Es geht letztendlich ums Kapital, auch wenn das das Aus der Menschheit bedeuten kann. Das Willow Project von ConocoPhillips wurde beispielsweise letzte Woche von Joe Biden genehmigt. Bei der Umsetzung dieses Projekts werden 600 Millionen Barrel Öl in Alaska gefördert. Beim Verbrennen dieses Öls werden wohl 280 Millionen Tonnen CO₂ in die Luft gepustet. Und die Gewinne kommen natürlich dem Konzern zugute. Wie kann es sein, dass Menschen so selbstzerstörerisch sind beim Streben nach Gewinnen?

Letztendlich kann ich es verstehen, dass sich viele Einzelpersonen auf ihren eigenen Einfluss auf die Umwelt konzentrieren, weil man sich dadurch etwas weniger machtlos fühlt und glaubt, das Beste zu tun, was man machen kann. Auch ich werde dies weiter tun. Die einzelne Entscheidung für eine umweltfreundlichere Alternative macht zwar einen Unterschied, aber er ist so gering, dass wir unseren Fokus auf die großen Unterschiede lenken sollten. Auch wenn es oft aussichtslos erschient, übt weiter Druck auf die Politik aus, damit es irgendwann nicht mehr um die Gewinne, sondern die Menschen, die Tiere und die Natur geht.

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