Laut Behördenangaben starben im Jahr 2010 etwa 100.000 Russen an den Folgen ihres Drogenkonsums. So berichtete die Sächsische Zeitung am Mittwoch, 22. Dezember 2010, unter dem Titel »Apokalyptische Zahl: 100.000 Drogentote in Russland«, dass der Chef der nationalen Drogenkontrollbehörde (Gosnarkokontrol), Viktor Iwanow, der Agentur Interfax sagte, wer auf russischen Friedhöfen die vielen Gräber junger Menschen sehe, begreife schnell die »apokalyptische Dimension dieser Tragödie im Land«.
Die Internetzeitung Russland Aktuell berichtete am Mittwoch, 01. Dezember 2010, unter dem Titel »Anzahl der Drogentoten in Russland verdreifacht sich«, dass früher die Drogenbehörde regelmäßig von jährlich 30.000 Drogentoten gesprochen hatte. Russland, amtlich Russische Föderation genannt, hat etwa 142 Millionen Einwohner. Demnach zählte man in Russland bisher etwa 21 Drogentote pro 100.000 Einwohner, im letzten Jahr jedoch über 70. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im Jahr 2009 gemäß Bundeskriminalamt 1.331 Drogentote gezählt, das sind etwa 1,6 pro 100.000 Einwohner.
Die Mehrzahl der Drogenabhängigen sterben an Heroin aus Afghanistan und Desomorphin, das sich viele Abhängige aus in der Apotheke frei erhältlichen Präparaten selbst zusammenstellen, erklärte Viktor Iwanow. Laut Iwanow ist die Lage so kritisch, dass es einer speziellen Sitzung des Staatsrats bedarf. Iwanow schlägt vor, jedem Gouverneur einen Berater in Sachen Drogenpolitik zur Seite zu stellen, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Laut der russischen Drogenbehörde gibt es im Land rund 2,5 Millionen Drogenabhängige, die meisten davon sind heroinabhängig. Weitere drei Millionen Russen nehmen ab und zu Drogen, sie rauchen Haschisch und Marihuana oder nehmen synthetische Drogen.
In Russland ist Substitution verboten
Russische Fixer können nicht zum Arzt gehen um sich Substitutionsmittel wie Methadon verschreiben lassen, wie dies in Deutschland der Fall ist – Originalstoffabgabe, das heißt ärztliche Verschreibung von Diacetylmorphin, ist in Russland völlig undenkbar. Russland ist eines der weniger Länder, wo Methadon und Buprenorphil bei der Behandlung der Drogenabhängigkeit verboten ist. Laut einem Mitarbeiter der russischen Drogenkontrollbehörde sei Russlands Einstellung zu dieser Methode tatsächlich negativ, da die Effektivität der Methadon-Therapie wissenschaftlich nicht begründet sei.
Da es in Russland für Drogengabhängige keine Maßnahmen zu Schadensminderung (harm reduction) gibt und Russland auch darauf verzichtet, wissenschaftlich begründete Maßnahmen zur Vorbeugung von HIV zu nutzen, hatten im Sommer 2010 zwei Dutzend führende internationale Nichtregierungsorganisationen im Bereich des Kampfes gegen die Verbreitung von HIV und AIDS einen Brief an den UN-Generalsekretär geschrieben, um zu verhindern, dass der Russe Juri Fedotow, seinerzeit russischer Botschafter in Großbritannien, zum Exekutivdirektor des UN-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC) und Chef des UN-Büros in Wien werde. Dies berichtete die Agentur RIA Novosti am 19. Juli 2010 unter dem Titel »Personalie sorgt für Ärger: Russe übernimmt Leitung von UN-Büro für Drogenbekämpfung«. Fedotow wurde trotzdem Leiter des UNODC.
Wer dealt, fliegt raus: Russland verschärft Drogengesetz
Statt des Einrichtens eines Hilfesystems für Drogenabhängige verschärft Russland die Gesetze. So berichtete die Agentur RIA Novosti am 25. Dezember 2010 unter dem Titel »Wer dealt, fliegt raus: Russland verschärft Drogengesetz«, dass der Föderationsrat (russisches Parlamentsoberhaus) einen Gesetzentwurf zur Möglichkeit der Ausweisung von Ausländern und Personen ohne Staatsbürgerschaft wegen illegalen Handels mit Rauschgift, Psychopharmaka bzw. deren Vorläufersubstanzen gebilligt habe. Das Gesetz erlaube es zudem, ausländischen Staatsbürgern, die illegalen Drogenhandel betrieben oder administrative Rechtsverstöße in diesem Bereich begangen haben, die Einreise zu verweigern. Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew unterzeichnete das Gesetz noch im Jahr 2010.
Drogendelikte, die von Ausländern begangen worden sind, werden zudem mit dem Entzug des zeitweiligen Aufenthaltsrechtes bzw. des Flüchtlingsstatus bestraft. Der Kauf, die Lagerung, der Transport, die Herstellung bzw. die Verarbeitung von illegalisierten Betäubungsmitteln ohne Verkaufsabsicht werden mit einer Geldstrafe von 4.000 bis 5.000 Rubel (umgerechnet 100 bis 125 Euro) oder einer Haftstrafe von bis zu 15 Tagen mit anschließender Abschiebung aus Russland geahndet.
Laut einer Erläuterungsschrift zu dem Gesetzentwurf sind in Russland immer wieder Ausländer als Drogenkuriere und Dealer aktiv, vor allem Einwohner von Zentralasien, vor allem tadschikische, usbekische und kirgisische Staatsbürger, wie auch Aserbaidschaner.