vonChristian Ihle 01.10.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Als schönen Abschluß der Festivalsaison hat sich in der Zwischenzeit das Reeperbahnfestival in Hamburg etabliert. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den klassischen Sommerfestivals von Immergut über Haldern zu Hurricane und Berlinfestival um eine Indoor-Veranstaltung – man nutzt also vorhande Clubs und Spielstätten statt große Bühnen aufzubauen. Folge ist eine heimelige Atmosphäre auch bei kleineren Bands, was einen enormen Vorteil zu den großen Festivalbühnen und den immer recht unverdient traurigen Auftritten am Frühnachmittag vor ein paar hand voll Unentwegter bedeutet.

Im Gegensatz zu dem einen oder anderen Vorjahr wurde der Zeitplan so aufgestellt, dass kaum Überfüllungen zu beklagen waren, man also tatsächlich all die geplanten Bands sehen konnte, auch wenn wir beim allerersten Act, Pelle Carlberg, doch ein – für die Hafenstadt Hamburg vielleicht nicht unpassendes – Sardinendosenfeeling inklusive bekamen. Carlberg trat allein und nur mit Gitarre auf, was den Songs aber sogar nützt. Das manchmal allzu Süssliche bei voller Bandformation wird so zugunsten eines verhuschten Früh – Belle & Sebastian – Auftritts zurückgedrängt.

Etwas kräftiger instrumentiert und in Dreimannformation, aber ebenfalls dem immer leicht twee-igen Singer/Songwriter-Tum verbunden, ging es mit Herman Düne weiter, die einen stark auf das neue Album fokussierten Gig absolvierten, was bei Songs wie „Tell Me Something I Don’t Know“ aber auch mehr als verständlich ist.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=hY_wuw2u5lY[/youtube]
.

Als harten Gegensatz zu unserem Indieboy-Programm am frühen Abend beschließen wir dann EMA zu besuchen, die auf der stilistischen Seite mit ihrer Debbie-Harry-Anmutung und den blonden kurzen Haaren erstmal heftig Pluspunkte sammelt und mit ihren eigenen Stücken auch durchaus zu überzeugen weiß. Gar nicht sein muss aber das aufgesexte Cover „Add It Up“ der Violent Femmes, inklusive in-den-Schritt-fass-Moves bei Why can’t I get just one fuck – Textstellen. Brr.

Den zweiten Tag beginnen wir mit dem melodisch-krachigen Indiepop von Let’s Wrestle. An diesem Beispiel lässt sich schön der Vorteil des Reeperbahnfestivals verdeutlichen: bei einem Open-Air-Festival müssten die drei britischen Slacker nachmittags um 14.00 Uhr vor einer leeren Bühne versuchen, ihre für Kellerclubs geschriebenen Songs hörbar zu machen, während sie auf dem Reeperbahnfestival in einer vollgestopften Kneipe mit Bühne auf St. Pauli ihre Lieder über Schlägereien mit den Pokemons („In my dreams, there were Pokemon beating me up. I punched Pidgeotto right in the face.“) Interessierten nahe bringen dürfen.

Gleiches gilt auch für Locas In Love, die in der wunderbaren Prinzenbar ein hervorragendes, vom Publikum enthusiastisch aufgenommenes Konzert spielen. Zwar vermissen wir mit Stephanie Sagt und Egal Wie Weit BEIDE Übersongs aus dem Locas-Backcatalog…

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=m8pVCIltPoA[/youtube]
.

…aber werden dafür dennoch mit einem guten Set belohnt. Die Staatsakt-Label-Kollegen von Ja, Panik bilden dann den Abschluß des Wochenendes und haben anfänglich dank eines fremden Mischers mit erheblichen Tonproblemen zu kämpfen. Zwar wird dann doch nach zwei Songs noch der Regler für die rechte Hälfte der Lautsprecherwand gefunden, aber die auf der letzten eigenen Tour präsentierte, sehr ausgefeilte akustische Abstimmung leider nie ganz erreicht. Die Band verzichtet zwar auf ihr Herz-Stück „DMD KIU LIDT“ („das hat ein Festivalpublikum nicht verdient. Da muss man schon zu richtigen Konzerten von uns kommen wollen.“), spielt aber sonst die zentralen Lieder des neuen Albums: Run From The Ones That Say I Love You, Norma Desmond & Mr. Jones sowie die neue Single Nevermind werden nicht so stark von jenem Endstück überstrahlt und bekommen dadurch sogar mehr Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Trotzdem: im Oktober sind die Österreicher wieder auf Einzeltour, dann (hoffentlich) mit besserem Sound und (sicherlich) mit DMD KIU LIDT. Man sieht sich.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Btp-qUCrESs[/youtube]
.

Im Netz:
* Homepage

(Fotos: Nina Zimmermann, Stefan Malzkorn)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/reeperbahnfestival_2011_tell_me_something_i_dont_know/

aktuell auf taz.de

kommentare