Am 2. Oktober kommt Geert Wilders nach Berlin – ich glaube nicht wirklich, dass Wolfgang Schäuble unter die Gegendemonstranten einreihen wird (oder kann, er hat schon ein Attentat hinter sich, wenn auch aus anderen Gründen, als es Wilders droht).
In einem Gespräch mit ausländischen Journalisten, so berichten diverse niederländische Websites, hat er sich äusserst kritisch mit der Politik von Geert Wilders befasst. Dieser bestreite den „total falschen Weg für die Politik des 21. Jahrhunderts“ (rückübersetzt), auch benutzte Schäuble Wörter wie Xenophobie und Rassismus. Noch vor zehn Jahren habe sich jemand so etwas für die Niederlande nicht vorstellen können.
Nun, er vielleicht nicht. Aber die Debatte, die wir in den Niederlanden haben, geht halt doch länger. Die wurde Mitte der 90er vom damaligen VVD-Spitzenmann Frits Bolkestein, dem späteren EU-Kommissar, angestoßen (vielleicht noch früher, aber da war ich noch nicht da). Ich habe ihn damals für die niederländische Zeitschrift „Nieuwe Revu“ (Spezial: Was denken deutsche Journalisten über die Niederlande?) sowohl interviewt als auch auf Reisen begleitet, Arnheim glaube ich. Bolkesteins Bücher gelesen. Naja, Geert Wilders habe ich damals nicht direkt gesehen (trotz seiner verrückten Haare), er war aber in der Fraktion jemand, der Bolkestein viel zuhörte. Bolkestein hat natürlich eine viel geschliffene Zunge als Wilders, aber damals muss es irgendwie angefangen haben mit dem Wilders und den Einwanderern.
Und dann ja noch Professor Pim Fortyun. Der hat definitiv in Elsevier (Zeitschrift) gern zu dem Thema Einwanderung geschrieben, manchmal zutreffend, manchmal auch so etwas wie „Die Niederlande ist voll“. Der Ton wurde grimmiger, der gute alte Pim war aber auch lustig. Der offen homosexuelle Mann sagte mal zum ‚Thema, er habe nichts gegen marrokanische Jungs, er lasse sich sogar gern von denen einen blasen. Das war so flapsig und 2001 wurde Pim ermordert, von einem linksradikalen Tierschützer. Heute haben viele Homosexuelle in Amsterdam ein ungutes Gefühl, wenn sie durch bestimmte Stadtteile laufen und alle wissen warum.
Später wurde dann Theo van Gogh, Kolumnist der Tageszeitung „Metro“ (ich war Miteigentümer), in seiner repektlosen und wenig lustigen Kolumne Moslems immer unter dem Namen „Zickenficker“ nannte, ermordet.
Ich fuhr an deinem Tag mit dem Zug von Weesp nach Amersfoort, las in seiner Kolumne schon wieder Ziegenficker, hörte wie ein paar marokkanische Schüler wütend über den Ausdruck waren und erhielt dann ich glaube einen Tag später im Büro von einem Freund per SMS die Nachricht, dass Theo van Gogh ermordet sei. Und noch später spalteten sich nacheinander Geert Wilders, Ayaan Hirsi Ali und Geert Wilders von der VVD ab. Wilders wurde immer radikaler und wird seit Jahren zu immensen Kosten rund um die Uhr bewacht, Hirsi Ali lebt sehr vorsichtig (der Staat will ihren Schutz nicht mehr bezahlen).
Interessant ist jetzt folgendes:
– In Deutschland scheint die Diskussion rund um Thilo Sarrazins Buch, seine Vorabdrucke, zu eskalieren. Die SPD will ihn loswerden, Angela Merkel verteilt ihn mit scharfen Worten und der Zentralrat der Juden will ihn gleich zur NPD schicken. Schäuble greift bewusst Wilders an.
– Werden Angela Merkel und Wolfgang Schäuble ihren CDA-Kollegen Maxime Verhagen, der der Motor hinter der möglichen Zusammenarbeit mit Wilders ist, versuchen zu beeinflussen? Die niederländischen Christdemokraten wollen ja eine Art Koalition mit Wilders eingehen, ohne dass der in der Regierung sitzen wird. Welche Rolle werden all die anderen niederländisch-deutschen Politik-Kontakte spielen? NRW-CDU, Europarlement, Euregios?
Ich finde übrigens selbst, dass es zwischen Sarrazin und Wilders ein paar Unterschiede gibt. Sarrazin schreibt kurz zusammen gefasst, die moslemischen Einwanderer kosten nur und bringen nicht ein. Kopftücher sehen doof aus. Aber er meint es vor allem ökonomisch. Kommt mit Zahlen. Wilders führt mehr einen ideologischen Krieg, denn der Islam sei keine Religion sonder eine faschistische Ideologie und der Koran eben vergleichbar mit „Mein Kampf“. Kopftücher findet er auch doof aussehend.
Wilders fährt auch in der Weltgeschichte (Dänemark, Israel, Großbritannien, Deutschland, USA usw.), um dort zu zu predigen. Sarrazin redet in einem arroganten herablassenden Ton. Und das nicht in der ganzen Weltgeschichte, wozu auch.
Gut. In den kommenden Monaten haben wir in Sachen Wilders und Sarrazin einiges zu erwarten. Von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen in Deutschland und den Niederlanden kann übrigens erwartet werden, dass sie sich mehr mit den offen liegenden Themen rund um Einwanderung und Integration beschäftigen. Wenn so ein Kind türkischen Ursprungs im Land der Eltern bzw. Amsterdam oder Berlin hier geboren ist und hier lebt, dann ist eben wirklich so:
– IAmsterdam (Ich bin ein Amsterdammer)
– BE Berlin (Ich bin ein Berliner, ist natürlich nicht wortwörtlich übersetzt)
Dann müssen wir halt um jedes einzelne Kind kämpfen.