Der Bär ist immer noch um den Mast gewickelt und flattert daher nur mit halber Kraft nach Nordosten.
Günther Gerstenberg schrieb uns am 6. Dezember 2004 folgende Mail:
»Liebe Barbara, lieber Jörg, wenn nicht gerade Weihnachtszeit wäre, hätte ich beim Öffnen Eures Packerls gemeint: Das ist ja wie am Nikolaustag, und bleibt mir nur danke zu sagen.
Gerade habe ich beim Aufräumen im Valentin-Musäum unter einem Stapel vergilbter Aktzeichnungen die folgenden Verse entdeckt, die Karl Georg von Maassen etwa um 1910 verfasst hat. Wenn Ihr schon die südlichen Gefilde verlassen wollt – die Gründe dafür kann nun wirklich jeder verstehen –, dann will ich Euch dieses kleine Opus mit auf den Weg geben.
Ihr wißt, Ihr seid bei mir immer willkommen.
Euch beiden die besten Wünsche und Grüße
vom Günther.«
Das Edelweiß
Du kraxelst auf, um deine faulen Knochen
Im sauren Schweiße gründlich durchzukochen.
In deiner Kehle glüht Titanendurst,
Von fettem Schmarrn träumst du oder einer Wurst.
Doch oben winkt dir statt der Eierspeis
Das kleine filz’ge Greuel, das Edelweiß.
Du steckst das winz’ge Unding an den Hut
Und denkst verblödet: Ei, das steht mir gut.
Und über Steingeröll und losen Sand
Rutschst wieder runter du ins flache Land.
Auf deinem Haupte zwischen Tran und Schweiß
Klebt dir das lächerliche Edelweiß.
Dem Sachsen prangt’s an seinem Lodenhut,
Auch dem Berliner gibt es Kraft und Mut,
Auf Ansichtskarten reist es durch die Welt,
Und jeder tut, als ob es ihm gefällt.
Stolz zieht er heimwärts, der verhasste Preiß,
Mit Bayerns Rache, seinem Edelweiß.
(Karl Georg von Maassen)
Wir sind wieder einmal dabei Briefe, Manuskripte, Notizen und Zettelkästen aus den Jahren 2001 bis 2005 für das Deutsche Literaturarchiv zu ordnen. Während wir diese Materialien in die grauen Mappen der Handschriftenabteilung und schließlich in die grünen Kästen betten, greifen wir einige schöne, absurde oder sonst wie interessante Blätter heraus und werden diese in loser Folge in unser tazblog stellen.
(GG / KGvM / BK / JS)