vonSchröder & Kalender 15.04.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in westlicher Richtung.

Die einen stören sich am Knoblauch, andere, wie Albrecht Götz von Olenhusen, seines Zeichens Erbschatz- und Küchenmeister im Lande zwischen Deister und Leine, ekeln sich vor Kaviar. Wegen solcher Marotten führt Barbara inzwischen ein ulkiges Gästebuch, in dem Vorlieben und Abneigungen festgehalten sind. Bevor wir uns angewöhnt hatten, die Gäste nach ihren Idiosynkrasien zu fragen, quälten wir einmal unseren Freund Blalla Hallmann mit einer quarkartigen Speise. Zum Wein gab es eine Avocado mit Roquefortcreme, die er partout nicht essen wollte, weil er, als es ihm dreckig ging, jahrelang von Leinölquark und Pellkartoffeln gelebt hatte – die Nahrung der armen Maler. »Ich kann das Zeug nicht mehr sehen, da muß ich kotzen!«, meinte er und schob den Teller weit von sich.

Die eigentlichen Vornamen des Malers Hallmann waren Ewald Wolfgang, aber wegen seiner verrückten Bilder verpaßte man ihm auf der Akademie den Übernamen ›Blalla‹, unter diesem Pseudonym ist er in der Kunstwelt bekannt geworden. Ich lernte ihn 1993 nach einer Lesung in der Berliner Volksbühne kennen, zu der Wiglaf Droste und Michael Stein mich eingeladen hatten. Im ›Roten Salon‹ stürzte ein großer ausgemergelter Mann auf mich zu, eine Hornbrille mit starken Gläsern saß auf seinen hohen Backenknochen. Er trug einen eleganten blauen Anzug und bordeauxrote italienische Stiefeletten. Später erfuhr ich, daß Blalla diesen korrekten Kleidungsstil als Kontrast zu seinem Bohemeleben pflegte. Blalla erzählte mir im ›Roten Salon‹, daß er schon durch seinen Galeristen Jes Petersen von ›Schröder erzählt‹ gehört habe, und bestellte nun alle bisher erschienenen vierzehn Folgen. Das ist ja immer das schönste Kompliment für Barbara und mich.

Bald darauf schickte uns der Künstler den Katalog seiner letzten Ausstellung, ›Heim, mir reicht’s!‹, in der Berliner Neuen Gesellschaft für bildende Kunst. Böse Bilder! Hier malte ein pornographischer Brutalist mit sardonischem Lachen: alte Faschisten, neue Demokraten, SS-Schergen, Leichenberge, Nonnen und Päpste, Mösen, Schwänze und Ärsche. In einer Reihe von Hinterglasbildern hatte er eine Kreuzigungsserie mit Mickey Mouse, Goofy, Donald Duck geschaffen, die Heilige Familie trägt Gasmasken und weiße B-Waffen-Schutzanzüge mit Stars-and-Stripes-Emblemen – die Künstler sind immer noch die besseren Propheten. Wir waren von der Rigorosität dieser Arbeiten beeindruckt, er wiederum schrieb uns begeisterte Briefe über die Folgen von ›Schröder erzählt‹.

Kurz vor Pfingsten rief Blalla an und fragte, ob er uns mal besuchen könne, er wolle über ein neues Projekt reden. Er kam mit einem großen Volvo-Kombi angefahren, den er sich gerade für den Transport seiner Bilder gekauft hatte, und zeigte uns die ersten Linolschnitte aus seinem geplanten Buch ›Der Weg, die Wahrheit und das Leben‹. Frans Masareels ›Stundenbuch‹ und die ›Schröder erzählt‹-Geschichten hatten ihn zu diesem Curriculum vitae angeregt. Die Linolschnitte gefielen uns, dazu hatte er kleine Texte geschrieben, die sollten wir mal eben kurz durchlesen. Eben kurz? Ein Manuskript lesen und redigieren kostet Zeit und Energie, und wir haben mit den eigenen Texten genug zu tun. Aber in diesem Falle sagte ich: »Na gut, wir lesen es.« Natürlich wurde daraus eine eingehende Redaktion, und eine zweite folgte. Nach der dritten setzten wir dann den gesamten Text und schickten die Diskette an Walther König, der das Buch verlegte. Das war richtig Arbeit, aber sie hat Spaß gemacht, und währenddessen schlossen wir mit Blalla Freundschaft.

Bei Blallas erstem Besuch saßen wir in der Loggia und aßen Ossobuco mit Gremolata. Es war ein schöner Tag, die Pfingstrosen blühten, er bewunderte den dunkelroten Strauß auf dem Tisch. Da erzählten wir ihm die wahre Geschichte hinter der bayerischen Idylle, wie wir bewaffnet auf dem Philosophenpfad spazierengehen. »Das Verrückte ist doch«, sagte Barbara, »tagsüber sammeln die Jungen für Misereor, und nachts schreien dieselben Typen: »Komm raus, du Fotze, wir ficken dich!« Blalla war der einzige, der sich für unsere Erlebnisse in diesem bayerischen Dorf interessierte, wo die grünen Blätter auf den braunen Ästen wachsen. Das war es ja, was auch er in seinen Bildern darstellte. Mit anderen sprachen wir kaum darüber, man beginnt sonst nämlich zu stinken, und zwar nach Unglück, das ist intensiver als Knoblauch.

Fortsetzung folgt

(BK / JS)

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