vonSchröder & Kalender 08.08.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

Der Bär flattert in östlicher Richtung.

Wir waren Ende der Sechziger angetreten, die restriktive Gesellschaft zu verändern, aber bereits 1970, als die ›Sexfront‹ erschien, machten sich die rechten Truppen auf den langen Marsch in Richtung Reaktion. Weil gegen die massenhaften Demonstrationen wenig auszurichten war, hatten sich die reaktionären Strategen etwas anderes ausgedacht: Die Bewegung personalisieren! Man inszenierte Rädelsführerprozesse, deshalb saßen 1969 Günter Amendt, Hans-Jürgen Krahl und Karl Dietrich Wolff auf der Anklagebank. Es ging um die Blockade der Societätsdruckerei, hier wurde die ›Bild-Zeitung‹ gedruckt, die mit ihrer Hetze für das Attentat auf Rudi Dutschke verantwortlich war. Ein Demo-Spruch lautete: »›Bild‹ drillte, Bachmann killte!« Die Frankfurter Auslieferung von ›Bild‹ konnte einen Tag lang behindert werden, obwohl die Polizei mit Wasserwerfern und Reitern gegen die randalierenden Studenten vorrückte, die wiederum kämpften mit Steinen und Baulatten, die Transparente wogten: »Zwei, drei Vietnam, fangen wir bei Springer an!«, »Haut dem Springer auf die Finger!«, »Springer-Presse, halt die Fresse!«

Die Anklage gegen die drei Rädelsführer lautete: schwerer Landfriedensbruch. Krahls Vergehen als Theoretiker und Wolffs Megaphoneinpeitscherei stufte das Gericht als minder schwer ein, aber Amendt, der Logistiker und Frankfurter Straßenschlachtenkommandant, wurde als Haupttäter verurteilt. Mit Bewährung, glaube ich, denn einfahren mußte er ja nicht. Dieser Schuldspruch bei einem Strafprozeß hatte jedoch zur Folge, daß der Springer Verlag im Wege der Zivilklage Schadenersatzforderungen wegen Sachbeschädigung und entgangenen Gewinns beim Verkauf von ›Bild‹ geltend machen konnte. Die Summe belief sich auf zweihunderttausend Mark, also eine gute halbe Million heutzutage. Springer konnte Amendt für ewige Zeiten kahlpfänden. Deshalb schloß ich mit Günter einen trickreichen vordatierten Verlagsvertrag ab, in dem stand, daß er seinen Autorenanteil an Meysenbug abgetreten habe. So zahlte ich die Tantieme für ›Sexfront‹ zwei Jahre lang an Meysenbug, der ihm sein Honorar unterderhand weitergab, bis die Schadenersatzsumme zusammengekommen war. Amendt hatte bei betuchten Linken gesammelt, auch Rudolf Augstein überwies eine nicht unbeträchtliche Summe für den Rädelsführer. Es wurde also im Zweifelsfall nicht nur links argumentiert im ›Spiegel‹, sondern im Ernstfall auch für Linke gezahlt.

Solche Autorenscharade, wie Amendt sie veranstaltete, hatte einen ernsthaften Hintergrund, bei den Porno-Pseudonymen war es mehr ein Spaß. Die Namen der Übersetzer und Autoren der Olympia Press waren nämlich nicht wirklich geheim, sondern wurden von ihnen selbst großzügig an die Presse weitergegeben. Es gehörte eben zum Spiel, sich für die Olympia Press ein Pseudonym zuzulegen. Alle Übersetzer machten es: Lothar Baier, Peter M. Ladiges, Lothar Menne, Wolfgang Schuler und wie sie alle hießen. Selbst Joschka Fischer saß in der Rossertstraße und übersetzte für Olympia Press Pornos unter einem Pseudonym, obwohl ihn noch keiner kannte als fliegender Bücherdieb und Taxifahrer. Damit brüstet sich KD noch heute, daß er Joschka lukrative Aufträge vermittelt habe. Vermittelt? Das ist ein bißchen übertrieben. Wolff ging zu Hardo Wichmann, meinem Olympia-Press-Lektor: »Hör mal, da ist ein Genosse, der heißt Joscha Fischer« – das ›k‹ kam erst später hinzu –, »der würde gerne mal einen Porno übersetzen.« Und Hardo antwortete: »Warum nicht? Wenn er’s gut kann.«

Die deutschen Autoren, die ich nach dem Vorbild von Maurice Girodias aufforderte, Pornographie zu schreiben, benutzten ebenfalls Pseudonyme. Aber darauf beschränkte sich die Parallele, es war kein Alexander Trocci darunter, der gleich serienweise Titel wie ›Paula, der Graf und ich‹ ablieferte. Zum Beispiel schrieb Peter O. Chotjewitz seinen ›Film des Conte la Malfa‹ unter dem Pseudonym Alessandro Peroni, dafür zahlte ich zehntausend Mark. Der Roman war noch gar nicht erschienen, da wollte er bereits den Vorschuß für ein neues Buch, von dem keine Zeile auf dem Papier stand. Fast alle Pornos der deutschen Autoren waren der reine Krampf, es kam nichts Geiles dabei raus, wenn ich mal von Uve Schmidt absehe, der ja inzwischen als Ideenlieferant fest bei mir angestellt war.

MadeinSchweden.jpg

Auch Felix Rexhausen schrieb einen Homosexuellentitel, der, wie mir Schwule berichteten, geil war. Wirklich, die Manuskripte von Peter O. Chotjewitz, Manfred Esser, Ernst Herhaus und so weiter – alle schwach! Denn auch Pornographie ist ein Genre, das gekonnt sein will, so wie das Schreiben von Kriminalromanen. Es gehören gewisse Ingredienzen dazu, die einen Krimi spannend machen und einen Porno geil. Muß ich das näher erläutern? Nein. Jeder hat schon erotische Texte gelesen, die abgrundtief langweilen, bei deren Lektüre sich nichts hebt und gar nichts kitzelt. Während es andere gibt, wo es klappt, auch wenn sie schlicht sind und etwas Schmutz unter den Fingernägeln haben. Das konnten meine deutschen Autoren nicht, und ich hätte doch so gern viele begabte Pornoschreiber gehabt.

Gutes und Wahres von Freunden und MÄRZ-Autoren sowie natürlich auch manches von Leuten, die wir nicht so lieben, steht in Werner Piepers ›Grüner Zweig 252‹. Wir bringen unseren Beitrag zur Anthologie ›Alles schien möglich …‹ in zwei Fortsetzungen.

(BK / JS)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2007/08/08/sexfront-2/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert