vonSchröder & Kalender 17.12.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in südwestlicher Richtung.

Während der Debatte über Klimaschutz wird regelmäßig auch über das Für und Wider von Windkraftparks geredet. Vor drei Jahren besuchten wir Hermann Nitschs ›Orgien Mysterien Theater‹ in Niederösterreich. Dort gibt es rund um sein Schloß Prinzendorf einen Wald aus hunderten von Windrädern. Wir sprachen mit zwei Monteuren, die solche Dinger aufbauen:

Wir fuhren zurück ins Städtchen, an diesem lauen Sommerabend wollten wir natürlich draußen essen, aber nur ein Türke hatte vor seinem Imbiß Tische stehen. Dort saßen zwei junge Männer und aßen Pizza, an einem anderen Tisch tranken zwei Frauen Wein. Wir hatten eigentlich keine Lust, uns mit Pizza zuzukleistern, trotzdem bestellten wir eine, weil die jungen Männer am Nebentisch ständig »sehr gut« sagten. Der Jüngere trug ein ärmelloses T-Shirt, die Oberarme waren mit Drachen tätowiert, der Ältere hatte keine Tattoos. Wir kamen ins Gespräch, der Tätowierte sagte: »Ich bin der Dirk.« Der andere stellte sich als Ralf vor und erklärte ungefragt: »Wir sind Monteure und bauen Windkraftanlagen.«

So saßen wir in der Zistersdorfer Nacht, die Monteure gaben uns einen Veltliner aus und wir ihnen darauf ein Bier, so ging es dreimal, und langsam dudelten wir uns einen an. Die beiden wohnten immer im Eldu, wenn sie einen neuen Windpark bauten. Wir lachten über das komische Hotel-Labyrinth und das Schwimmbad, welches nur Duchs Enkel benutzen durften.

Dann interviewten wir die Windradtechniker, das war interessanter als ein Gespräch mit Hermann Nitsch. Beide stammten aus Husum. Ralf war bei einer Werft in Kiel beschäftigt gewesen, die Pleite gemacht und dreitausend Leute entlassen hatte. Nur er und vier Kollegen bekamen sofort einen Job bei der Windkraftindustrie. Dirk, der Mann mit den Tattoos, hatte eine Kfz-Mechaniker-Lehre gemacht und sich noch während des letzten Lehrjahres beworben. »Ohne Erfolg«, sagte er, »aber ich hatte mir fest vorgenommen, nicht arbeitslos zu werden und wollte jede Arbeit annehmen, habe ja Frau und Kind. So kam ich zu den Windrädern.« Ralf war also der Meister und Dirk der Geselle.

Nichts tun Menschen lieber, als von ihrer Arbeit zu erzählen, wenn jemand sich dafür interessiert. Ralf legte los: Im Laufe der Zeit hatte ihre Firma hundertvierzig Windräder im Weinviertel aufgestellt. Die Gegend sei ideal wegen der Wetterverhältnisse. Zur Zeit bauten sie hier noch Windräder mit hundertzwanzig Meter Höhe, aber schon im nächsten Jahr seien Anlagen von hundertachtzig Metern geplant, die dann bei günstigem Wind siebzehn Millionen Kilowattstunden liefern würden – der Jahresbedarf von viertausendfünfhundert Drei-Personen-Haushalten. »Das ist ja alles schön und gut«, sagte Barbara, »aber diese Windräder verschandeln die Landschaft.« »Alles nur vorübergehend«, meinte Ralf, »irgendwann bauen wir die kleinen Dinger wieder ab, weil sie sich nicht mehr lohnen. Dann stellen wir Sieben-Megawatt-Anlagen weit vor die Küste, damit sie keine Umweltschäden anrichten können.«

Nun hatte der ›Spiegel‹ kurz vorher in der Titelgeschichte ›Der Windmühlenwahn‹ haufenweise ökonomische und technische Argumente gegen die Windindustrie zusammengetragen: Sie sei ein Subventionsfresser, der Arbeitskräfte vernichte, anstatt welche zu schaffen. »Quatsch!«, protestierte Dirk, »habe ich etwa Arbeit bekommen als Kfz-Mechaniker? Die Autobranche ist doch auf dem absterbenden Ast, aber bei uns in der Windbranche gibt es massenhaft neue Arbeit. Unser Chef sagt immer: ›In fünfzehn Jahren wird die Umweltindustrie mehr Leute ernähren als heute die gesamte Automobilindustrie‹.«

Ich versuchte es mit dem nächsten Gegenargument, das die Alarmisten vom ›Spiegel‹ präsentiert hatten, nämlich: Die Windräder strapazieren die Stromnetze, bei Windspitzen wird zuviel Strom produziert, bei Windstille zuwenig. Also müßten sogenannte ›Schattenkraftwerke‹ gebaut werden, um die Regelversorgung sicherzustellen. Das sei sinnlos, weil auf diese Weise wiederum Kohle, Öl, Gas oder Atomenergie benötigt würden, welche eigentlich durch die Windräder eingespart werden sollten. Das fand ich einleuchtend. Selbst darauf hatte der kluge Techniker Ralf eine Antwort parat: Überall auf der Welt planten Ingenieure Speicherwasserkraftwerke. Zum Beispiel in den Bergregionen könnte man mit dem zeitweise überschüssigen Strom Wasser in Stauseen hochpumpen. Bei Bedarf könne dieses Wasser zur Stromgewinnung wieder abgelassen werden. Und das sei nur eine der Speichermöglichkeiten. Außerdem arbeite man an gigantischen unterirdischen Druckluftspeichern und neuen Batteriesystemen. Die beiden hatten es richtig drauf, sie waren nicht nur als Windkrafttechniker zu gebrauchen, sondern auch als PR-Leute. Und wieder einmal wurde mir klar, wie leicht wir alle auf Mediensubstrate hereinfallen, wenn irgendwelche Lobbyisten erfolgreich Pressearbeit machen.

Wir gaben uns geschlagen, was die Windkraft angeht, und wandten uns dem menschlich allzu Menschlichen zu. »Ist die Arbeit da oben nicht gefährlich?«, fragte Barbara. »Nein«, sagte Ralf, »das wirkliche Risiko ist die Sorglosigkeit beim Auf- und Absteigen.« »Zwei sind schon mal umgeknickt«, erzählte Dirk, »wenn so eine Anlage installiert ist, versetzt man sie in künstliche Schwingungen, dabei ist es passiert. Bei diesem Test wird ein Orkan simuliert, zwei Meter Ausschlag müssen die Dinger aushalten. Trotzdem, bei den zwei Anlagen, die umgefallen sind, wurde kein Mensch verletzt. Die Kollegen hörten es knacken und kletterten schnell runter.«

Nachdem wir sie so über ihre Arbeit ausgefragt hatten, wollten die beiden wissen, was uns in diese gottverlassene Gegend führe. Wir erklärten es ihnen. Doch das einzige, was sie am ›Orgien Mysterien Theater‹-Vortrag interessierte, war das Wort »Orgien«. »Was?! In Prinzendorf gibt es morgen eine Orgie?!« »Nein«, sagte ich, »ich muß euch enttäuschen, keine richtige Orgie. Das ist Kunst, das sind Kopf-Orgien. Also, um es deutlich zu sagen: Da wird nicht gevögelt.« »Ach so«, meinte Ralf, »na, dann ist das ja uninteressant! Wenn es nur so ein Theater ist, interessiert es mich nicht.«

(BK / JS)

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