vonSchröder & Kalender 08.01.2008

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nordöstlicher Richtung.

An diesem Abend, nachdem die zehn Kumpels lauthals weiterdiskutierend im Bus nach Bergkamen zurückfuhren, alle voll wie die Haubitzen, hatte ich zur Buchpremiere Moppel und seine Frau zum Essen eingeladen. Biggi war eine Ruhrpott-Barbie-Puppe, eine grobknochige niederrheinische Frau mit breiten Schultern, Pralltitten und ebensolchem Arsch, gebleichter Hochfrisur, eine freigebige Zahnfleischzeigerin, und wegen des ›Laß jucken Kumpel‹-Coming-outs mit den entsprechenden Reizklamotten angetan, dem Schärfsten, was Witt Weiden und Beate Uhse damals lieferten. Damit machte sie sich für die Abendgala zurecht. Ich hatte dem Ehepaar ein Essen im besten Hotel Dortmunds und für die Nacht ein Zimmer in diesem ›Römischen Kaiser‹ versprochen. Horst-Dieter Ebert und ich wollten ebenfalls dort logieren.

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Als wir das Hotelrestaurant betraten, war unsere kleine Gesellschaft recht aufgeräumt. Die beiden Claers lasen sich gegenseitig begeistert die Speisekarte vor, sehr vernehmlich, was dem dünkelnden Kellner nicht gefiel. Wir waren in einem zweitklassigen Erstklassehotel gelandet, das ist immer schlimmer als umgekehrt. Die animierten Claers merkten davon nichts, sondern waren glücklich, das Luxusleben genießen zu können. Offenbar hatten die Hotelangestellten das Ehepaar bereits in der ›Bild‹-Zeitung gesehen und fanden es unter der Würde ihres Hotels, daß diese Porno-Prolos bei ihnen essen, wo sonst der Stahl-AG-Idiot Klönne oder der Bergassessor Huyssen die lauwarme Schildkrötensuppe von Lacroix reinschlürfen.

Der unerfreuliche Service irritierte Ebert und mich, denn wir sind Leute, die gern ordentlich bedient werden wollen. Wir bestellten beide ein Filet, was meine Gäste orderten, weiß ich nicht mehr, nur, daß sie mit dem Schlangenfraß zufrieden waren. Sie fühlten sich auch nicht von den Kellnern angemacht, sondern waren vom Glanz dieses Grandhotels geblendet. Ich glaube, du hättest ihnen einen Haufen Scheiße servieren können, sie hätten immer noch verzückt die Maraschinokirsche davon runtergefressen. Also: Die Claers fingen zivilisiert an zu essen ohne Mucken und Mosern. Ebert schnitt sein Steak an, es war grau und trocken – »gut durch« wie man damals in Dortmund zu sagen pflegte –, und rief verärgert, aber doch einigermaßen höflich: »Herr Ober, bringen Sie das Filet bitte wieder in die Küche, man kann es nicht essen!« Darauf der Kellner patzig: »Wenn Sie so gut über Essen Bescheid wissen, dann müssen Sie dahin gehen, wo Sie herkommen!« Da rastete Ebert aus, er schrieb als Lifestyle-Kritiker für das ›FAZ‹-Magazin, da war keine »Freundin aus Pöseldorf« in der Nähe, da saß das Ehepaar Claer und glotzte mit aufgerissenen Augen den Spielverderber an. »Mein Steak ist ungenießbar! Sie können sich als Kellner auch Ihr Lehrgeld zurückgeben lassen!« schnappte Ebert. Dann forderte er das Blödeste: »Ich möchte sofort den Oberkellner sprechen!« Der kam, nicht weniger arrogant, schließlich auch der Hoteldirektor, der sich mit seinen Leuten solidarisierte. Eine dieser Situationen, die sich hochschaukeln, der Direktor brüllte Ebert an, Ebert brüllte zurück, dotzte schließlich wie ein Vollgummiball auf und ab und japste nur noch: »›Spiegel‹! ›Spiegel‹! Ich bin beim ›Spiegel‹!« Das hat den Hotelchef nun erst recht nicht mehr gejuckt, er hätte sich wahrscheinlich sogar rausschmeißen lassen, um uns rausschmeißen zu können: »Interessiert mich nicht, ob Sie beim ›Spiegel‹ sind!« Ebert drohte jetzt brüllend mit einer hotelvernichtenden ›Spiegel‹-Kampagne, daran glaubt man ja selbst, wenn man wütend ist. Die Quintessenz dieses Auftritts war, daß die armen Claers stinksauer mit ihren Reisetaschen wieder ihr Prachtzimmer räumen mußten und daß auch Ebert und ich um halb zwölf in Dortmund ohne Zimmer dastanden.

Meine enttäuschten Gäste fuhren unter Absingen schmutziger Lieder gegen Ebert mit dem Taxi in ihr heimisches Bergkamen. Noch jahrelang elendete mich Moppel damit, daß »ein blöder Hund vom ›Spiegel‹« ihnen die tolle Nacht im ›Römischen Kaiser‹ versaute: »Der Mann hatte ja überhaupt kein Benehmen! Diese ›Spiegel‹-Redakteure haben wirklich kein Benehmen! Wenn der sich anständig aufgeführt hätte, wären wir da nicht rausgeflogen.« Ich versackte in selbiger Nacht noch in Dortmund. Ebert? Was weiß ich, wo der abgeblieben ist. Wahrscheinlich ist er irgendwie mit dem D-Zug nach Hamburg zurückgerattert.

Am nächsten Tag sollten die Claers mit mir nach Frankfurt fahren, um dort den Verlag und mein Florstädter Schloß zu besichtigen. Halt, es fehlt noch eine Nervensäge! Nach dem Auftritt im ›Römischen Kaiser‹ hatte ich doch noch irgendein muffiges Hotel gefunden, schräg gegenüber gab es eine Neppbar, dort war ich versackt und blieb zwei Tage lang verschollen. Kurz vor der Pressekonferenz war Thea, eine unbeholfene Schweizerin, von mir für die Presseabteilung engagiert worden. Das Dortmunder Ereignis war ihr erster Einsatz, sie war wirklich sehr umständlich und hatte nun wegen meines Untertauchens die wütenden Claers am Hals, die auf den Verleger warteten. Biggi hatte Marengo gekocht, ein kompliziertes Gericht nach einem Rezept aus der ›Bunten‹. Moppel machte mir später eine Verlustrechnung auf, in der er minutiös auflistete, was ihm nach der Pressekonferenz an materiellem und immateriellem Schaden entstanden sei: Erstens, daß ich ihn versetzt hatte; zweitens: wegen des blöden ›Spiegel‹-Redakteurs = keine schöne Nacht im ›Römischen Kaiser‹; drittens: ein Abendessen nicht gehabt; viertens: Marengo verdorben = dreiundsechzig Mark – jeder Posten plus Schmerzensgeldbezifferung auf Heller und Pfennig.

Schließlich waren sie doch mit Thea nach Frankfurt gefahren, ohne mich. Der Autor mußte ihr sogar noch das Fahrgeld vorstrecken, denn meine Pressefrau hatte die Schecks vergessen. Als ich einen Tag später in Frankfurt ankam, saßen die Claers verbiestert in meiner Wohnung in der Günthersburgallee, er angesoffen und aggressiv. Er war im Suff unangenehm, schwankte immer zwischen bedudelten Umarmungen und Polizeiboxsportverein Berlin. Schließlich riß mir die Geduld: »Interessiert mich nicht, wie du dir einen Verleger vorstellst! Wenn dir das alles nicht paßt, könnt ihr sofort wieder nach Hause fahren. Und jetzt wird zur Versöhnung ein Eiswein getrunken.« Obersteiger Schröder hatte gesprochen. In meinem Keller gab es damals viel Wein, ich holte zwei Flaschen Bernkasteler Eiswein von Hütwohl hoch – ›Die Sonne selbst‹. Das schmeckte Moppel Claer: »Würde gut zu Marengo passen.« Wir killten sechs Flaschen, Biggi war schon lange ins Hotel gefahren. So besänftigte ich Moppel und entschädigte ihn für den ›Römischen Kaiser‹ mit einer Eisweinorgie.

(BK / JS)

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