vonSchröder & Kalender 09.01.2008

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

Was bleibt mir noch zu sagen? »Mein großes Vorbild ist Goethe«, um wieder mit Hans Henning Claer zu reden. Ich hatte ihm nämlich mal den Ratschlag gegeben, um ihn abzuschütteln, weil er ständig am Telefon hing, nachdem sein erster Roman veröffentlicht war und er schnellstens einen neuen schreiben wollte: »Bevor du jetzt zu arbeiten beginnst an deiner Autobiographie ›Bulle, Schläger, Nuttenjäger‹«, den Titel hatte er selbst erfunden, »mußt du erst mal ›Dichtung und Wahrheit‹ lesen, dann weißt du, wie man eine Autobiographie schreibt.« Er bedankte sich für den Tip. Jetzt bin ich ihn für mindestens zwei Monate los, hoffte ich. Eine Woche später kommt vom Argus Ausschnittdienst aus dem ›Kölner Stadtanzeiger‹ ein Interview: »Am Telefon Hans Henning Claer, der Kumpel-Autor aus Bergkamen«. Und was steht als Headline über dem Interview, über vier Spalten, eine Viertelseite? »Mein großes Vorbild in allen Lebenslagen ist Goethe.« So schnell hat der das verarbeitet, da kannste was von lernen.

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Die Filmrechte von ›Laß jucken, Kumpel‹ verkaufte ich 1972 an die Dynamik-Produktion des Gunter Otto mit der üblichen Beteiligung am Produzentengewinn. ›Laß jucken, Kumpel‹ wurde eilends gedreht, es war die erste einer Serie dumpfer Softporno-Klamotten. Der listige Gunter Otto hatte dem filmgeilen Kumpel Claer eine Nebenrolle gegeben und zahlte ihm fünftausend Mark Gage. Damit stellte er den Autor ruhig, denn Gunter Otto hatte nicht vor, den Anteil am Produzentengewinn an den März Verlag zu zahlen. Er behauptete, es sei bisher kein Produzentengewinn entstanden, obwohl die Leute scharenweise in die Kinos strömten. Wir hatten die Beweislast, deshalb beauftragten wir einen Sachverständigen für Filmwirtschaft. Dieser Experte aus München überprüfte beim Verleih die Liste der Kinos, in denen der Film gelaufen war. Aus den Saldenlisten ergab sich, daß die Dynamik-Filmproduktion bereits drei Monate nach Anlaufen des Films gute viertausend DM an uns hätte zahlen müssen.

Aber Dynamik spielte auf Zeit und hatte damit Erfolg, denn bald darauf mußte März Vergleich anmelden, weil sich die Verkaufsverhandlungen wegen des Schloßgrundstücks in Nieder-Florstadt hinzogen. Ich lag mit einer Hepatitis im Krankenhaus, und der Vergleichsverwalter wollte wegen des Risikos keinen Prozeß gegen die säumige Dynamik-Film führen. So kommt es, daß für ›Laß jucken, Kumpel‹ und den Folgefilm ›Das Bullenkloster‹ nie Tantiemen an den März Verlag flossen. Insgesamt spielten die ›Kumpel‹-Filme im Laufe der Jahre mehr als zwanzig Millionen Mark ein, bei zehn Prozent Beteiligung wären das für März und den Autor Claer je eine Million Mark gewesen. Also in etwa die Summe, die ich 1973 gebraucht hätte, um die März-Schulden zu bezahlen.

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Rowohlt Taschenbuch-Ausgabe und Bertelsmann Buchclub-Ausgabe

Moppel Claer verfolgte mich noch bis in die Achtziger wie der Loriotsche Spaghetti. Kaum dachte ich, ich wäre ihn los, schon klebte er wieder irgendwo anders, wenngleich das auch nur zur Hälfte an seiner ungebrochenen Autorenaufdringlichkeit lag. Ebensosehr spielte die übliche Verlegergier nach Barem eine Rolle, die mich Ärger, Geschmack und Stilgefühl immer wieder vergessen ließ, denn mit diesem Urviech war immer ein bißchen Geld zu machen. Bis hin zur Reise nach Gütersloh 1985 zum Bertelsmann Buchclub, bei dem Matthias Wegner als neuer Besen kehren sollte. Vorbei die Zeiten, in denen wir dem guten Hans Arnold pro Besuch zwei bis drei Lizenzen verkaufen konnten. Wegner hatte sich aus Rache an Holtzbrincks Rowohlt gänzlich mit dem Mohn-Imperium identifiziert, so sehr, daß er allen Dünkel fahren ließ und uns, ganz unhanseatisch begeistert, die Qualitäten eines grauslichen Bertelsmann-Club-Bikes anpries, mit dem er die Wiesen um Gütersloh angeblich lustvoll beradelte.

Nach der Lizenzbesprechung saßen wir enttäuscht in der Kantine — ›Manchmal ein großes Verlangen‹ war nicht gewünscht, Upton Sinclairs ›No Pasarán!‹ wollten sie auch nicht, ebensowenig ›Wir hielten die Vernichtung an‹ von Andreas Biss, ›Die weisen Frauen‹ war nicht mehr aktuell und ›Unsichtbar‹ von Ralph Ellison zu dick. Schon ging ich zum Entsetzen der umsitzenden Mohn-Menschen dazu über, mich lauthals über die Goldklumpenplastiken im Innenhof und vor dem Verwaltungsgebäude lustig zu machen, was denn wäre, wenn Reinhard Mohn die Dinger nicht aus Bronze, sondern wirklich in purem Gold, sozusagen als Dagobertsche Hortung, habe anfertigen lassen … Tödliche Stille um uns herum, nur Hans Arnold — Kunststück, er ist im Betriebsrat und somit unkündbar — und Barbara lachten über meine Witze. In die verbale Entweihung des Mohn-Tempels hinein aber sprach Matthias Wegner die erlösenden Worte: »Was ist denn eigentlich mit ›Laß jucken Kumpel‹?«

Claer begleitete mich also deshalb so lange, weil immer irgendwelche Gelder lockten. Ich wollte eigentlich schon längst nichts mehr mit dem zu tun haben, weil er mich ankotzte mit seinen üblen Tricks, mit denen er mich und sich selbst linkte. Gut, gut, hier das vorläufige Ende dieser Farce, die Claer und mich im Laufe der Jahre eine schlappe Million kostete: Im Herbst 1992 lief in München eine Gerichtskomödie ab. Der Filmproduzent Gunter Otto war angeklagt, verfälschte Versionen eines ›Laß jucken Kumpel‹-Films vertrieben zu haben. Kläger war einer der Hauptdarsteller, der Salzburger Grünen-Stadtrat Herbert Fux. Während des Wahlkampfes in Salzburg, bei dem die Grünen auch eine Verschärfung der Pornographiegesetze in Österreich forderten, waren Videos des Streifens aufgetaucht, die Gunter Otto, der auch sein eigener Kameramann war, mit verschärften nachgedrehten Bumsszenen aufgepeppt hatte. Zwar siegte Fux an der Gerichtsfront, aber natürlich hatte der alte halbschlaffe ›Kumpel‹-Film mit Fux als Darsteller in Österreich eine Zeitlang wieder Konjunktur.

(BK / JS)

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