vonSchröder & Kalender 18.03.2008

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in östlicher Richtung.

Tagebuch 15. März: Um 11 Uhr mit der S-Bahn zum Westkreuz und dann nach Potsdam. Heike und Peter Oeltze von Lobenthal holen uns vom Bahnhof ab. Wir fahren zum Markt am Nauener Tor gegenüber vom Holländischen Viertel. Eine Luxusmeile mit viel Bioprodukten und schönen Ziegenhaar-Staubwedeln, auf der dann an diesem schönen Morgen auch prompt Herr Joop mit Hund Käse einkaufen. Wir trinken einen Espresso, Heike kauft Feldsalat, Portulak und Eichblattsalat zur Sicherheit, falls das Sammeln am Schwielowsee nicht genug Ertrag bringen sollte. Zum dritten Mal wollen wir vor Ostern Frühlingskräuter für unseren Salat sammeln, und Ostern fällt dieses Jahr sehr früh.

Dann fahren wir zum See, Heike und Barbara beginnen mit dem mühsamen Einsammeln der jungen Pflänzchen. Während die beiden kräuterkundigen Frauen sammeln, reden Peter und Jörg über alles mögliche. Am Heimatmuseum vor dem Schloß Petzow redet aber fast nur noch Herr Fuchs, ein seriös und wohlhabend aussehender Grauschopf etwa Mitte Fünfzig. Er erzählt ungefragt: »Ich habe kurz nach der Wende als geschäftsführender Reisender einer Wessi-Tresorfirma wie geschnittenes Brot Geldschränke im Osten verkauft. Die Wendegewinnler, die neuen Millionäre brauchten diese dringend.« Herr Fuchs war erstaunlich gut informiert über die Rolle des Bundespräsidenten Horst Köhler beim Leeren der Rentenkassen für den Osttransfer. So etwas weiß ja nicht jeder!

Herr Fuchs wußte aber auch, daß Angela Merkel zu DDR-Zeiten nicht nur FJDlerin, sondern später auch als Gutachterin im Ausschuß für die wissenschaftlichen Westreisenden der DDR tätig war. Was eine enge Zusammenarbeit mit einer gewissen Sicherheitsbehörde bedeutet habe. War Herr Fuchs vielleicht ein ehemaliger Undercoveragent der Staatssicherheit oder sonst eine rote Socke? Aber der Mann trug nur einen langen roten Schal wie früher der Genosse Momper.

»Herr Fuchs«, fragte Jörg den Mann, dessen Boxerhund bereits ungeduldig ein Loch in die Wiese scharrte, »wenn Sie jahrelang 1,5 Millionen verdient haben, sind Sie dann vielleicht der neue Besitzer des Schlosses Petzow da hinten?« Und Povl riß den Witz: »Oder sind Sie vielleicht jetzt auf Hatz IV?« »Genau«, sagte Herr Fuchs ernsthaft, »ich bin von meinen Partnern betrogen worden und habe alles verloren. Mein Vater ist allerdings recht wohlhabend und so komme ich rum. Trotzdem ärgern mich diese ganzen Ungerechtigkeiten! Ich habe auch einen Kriminalfall in der Familie …« Es folgte eine verwickelte Rentenbetrugsgeschichte nebst verbrecherischer Verabreichung von Medikamenten mit Todesfolge, also Muttermord, und Injektionen durch die Bettdecke, bis Jörg den Mann unterbrach, der sich zwischendurch bereits als »Autor von Fernsehspielen, diversen Romanen und so weiter« geoutet hatte. »Bleiben Sie besser bei der Tresorgeschichte«, riet Jörg ihm, »die ist gut und könnte einen Markt finden.« Herr Fuchs verabschiedete sich, der Boxer schnaufte erleichtert, weil sein Herrchen nun endlich weiterging.

Povl und Jörg suchten die sammelnden Frauen und entdeckten sie auf einem Steg, der weit in den See hineinführte. Gemeinsam traten wir den Rückweg an.

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Und während wir uns gegenseitig vor einer blühenden Zierpflaume bei der Sanddorn-Fabrik fotografierten, kam eine Frau auf uns zu. »Das ist ja Astrid«, rief Heike, ihre Freundin Astrid Proll wollte sie besuchen, hatte sie aber telefonisch nicht erreicht. Wir fuhren mit der Ausbeute der jungen Pflanzen zu Heike und Povls Haus in Caputh. Povl kochte Kaffee, dazu gab es eine Bündener Nußtorte, die er aus Davos mitgebracht hatte.

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Nun begann das mühsame Putzen und Waschen der Pflänzchen. 16 Kräuter und Blüten hatten Heike und Barbara gefunden: Bärlauch, Gänseblümchen, Löwenzahn, Pfefferminze, Rauke, Schafgarbe, Sauerampfer, Veilchen und so weiter – mit dem gekauften Portulak waren es 17.

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Astrid und Jörg unterhielt sich über Bernward Vesper, die Badensche Straße 6 und andere alte und neue Geschichten. Dann wurde der Salat zelebriert, so einen findest du in keinem ***Restaurant. Es folgte ein Roastbeef mit Remoulade, die man hätte allein löffeln können, dazu ein Kartoffel-Rosmarin-Flan und Polenta-Küchlein. Zum Dessert machte Povl, unterstützt von seinem Sohn Karim, einen Flan mit Pflaumen. So muß der Frühling beginnen!

Karim zeigte Barbara noch die Mondlandschaft durch sein Teleskop bis sich die Wolken davor schoben. Astrid nahm uns dann mit nach Berlin bis vor die Tür.

Das war also die Woche, in der wir eigentlich nichts anderes hatten tun wollen, als an ›Eitelkeit auf Eitelkeit‹ zu arbeiten. Und das werden wir jetzt auch machen, bis die letzte Klappe gefallen ist. Deshalb eine Bitte: Freundinnen und Freunde der Nacht, führet uns nicht in Versuchung!

(BK / JS)

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