vonSchröder & Kalender 02.08.2009

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert heute nicht.
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Esteban López, ›Fleisch für Vegetarier‹. Originaltitel: Vlees voor Vegetariërs‹. Aus dem Niederländischen Teil I von Helmut Homeyer, Teil II von Jürgen Hillner, Teil III von Johannes Werres und Heinz Liehr. Vom Verfasser autorisierte Bearbeitung von Jörg Schröder. Leinen, 406 Seiten, März Verlag, 1979 (nur noch antiquarisch erhältlich).
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Eine Passage aus ›Lebenslänglich‹ (24. Folge von ›Schröder erzählt‹) :
Er hatte sich in Positur gestellt: Standbein – Spielbein, jeder Zoll ein Spanier. Ein schwarzgelockter Mann mit Vollbart und Hornbrille, um ihn herum scharrten ein paar Hühner. Ich mußte lachen, denn er wirkte nicht gerade wie Miguel de Unamuno, der auf der Freitreppe seiner Villa den Verleger begrüßt, und ich sah in meinem verschwitzten T-Shirt nicht aus wie ein solcher. Esteban begriff die Komik seiner Inszenierung und mußte nun ebenfalls lachen. Kein schlechter Anfang für eine lange Freundschaft.

Seine Finca lag auf einem Hügel, ein Pfad wand sich zwischen den von Steinwällen umsäumten Terrassenfeldern zu ihr hinauf, und von oben sahst du das Meer. Das Haus war aus Natursteinen auf den gewachsenen Boden gebaut, der Fußboden aus Tonplatten, die Innenwände weißgekalkt, der Dachstuhl offen, du gucktest von unten auf Sparren und Hohlziegel. Über drei Deckenbalken lagen Bretter, dort hinauf führte eine Leiter – eine Galerie als Schlafplatz für die beiden Söhne. Es gab keine Elektrizität, nur Gasfunzeln, vor dem Haus war ein Brunnen. Wenn ich später zuweilen über das einfache Leben in südlichen Ländern mit kleinstem Geldbedarf nachdachte, fiel mir immer diese Finca ein. López lebte seit Anfang der sechziger Jahre in San Carlos auf Ibiza. Der Ort selbst, zu dem einige verstreute Gehöfte gehörten, bestand nur aus einer Kirche, davor ein Platz, begrenzt von drei einstöckigen Häusern, eins davon mit einem gemalten Schild ›Almacén de ultramarinos‹, neben dem Kolonialwarenladen gab es eine Bar.

Esteban war mit Irene verheiratet, sie hatten zwei Söhne, Waling und Ramon. Zur Familie gehörte aber seit einiger Zeit noch Carla, ein junges Mädchen von zwanzig Jahren; sie führten eine ménage à trois. Von diesem Dreiecksverhältnis wußte ich bereits aus ›Pijnlijke Vertellingen‹. Auf das Buch war ich gestoßen, als ich mit der Uitgeverij De Bezige Bij über ›Ich bin ein Provo‹ verhandelte. Ich kaufte die López-Rechte, dazu seine später erschienene Novelle ›Als Broer en Zuster‹, in der er über das Liebesverhältnis zu seiner fünf Jahre älteren Schwester Mercedes erzählt. Seine holländische Mutter hatte Ende der Zwanziger einen Spanier geheiratet, nach der Scheidung lebte Mercedes mit ihrem Vater in Barcelona, der Sohn blieb bei der Mutter in Den Haag. Als Esteban sechzehn war, besuchte Mercedes die Familie in Holland und verführte ihren Bruder. Später traf er sie in Barcelona wieder; eine Zeitlang war sie dort die Kokotte eines Geschäftsmannes und rutschte dann langsam vom Luxusleben ins Milieu ab.

Ich habe ›Wie Bruder und Schwester‹ neulich wieder mal gelesen und würde es sofort neu verlegen – eben ein guter Autor, der sich mit seinen Büchern, vor allem dem brillanten Pornoroman ›Liebe und Tarot‹, in den Niederlanden zwischen alle Stühle gesetzt hat. Die Kollegen und Kritiker verziehen ihm nicht, daß er der erste junge niederländische Schriftsteller war, der nach dem Krieg in Deutschland Erfolg hatte. Was er schrieb, gefiel mir, nicht allein wegen des erotischen Untertons, sondern weil sich diese autobiographischen Erzählungen gegen die Konventionen auflehnten. In diesem Sinne fand ich seine vie expérimentale geil und weit vorn.

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(EL / BK / JS)

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