vonSchröder & Kalender 25.10.2011

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Es ist dunkel, wir sehen nicht, wie der Bär flattert.
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Am Freitag, den 28. Oktober 2011, um 20 Uhr

im Café Zettels Traum
Altstadtstraße 20
in Leverkusen-Opladen

stellen wir unser neues Buch vor: ›Immer radikal, niemals konsequent. Der März Verlag – erweitertes Verlegertum, postmoderne Literatur und Business Art‹ von Jan-Frederik Bandel, Barbara Kalender und Jörg Schröder.

Christine Weihermüller-Curylo vom Zentra-Antiquariat, Michael Meierjohann und Hans Schneider vom Café Zettels Traum
haben uns eingeladen.

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Dass Barbara und ich unsere Geschichten in Opladen lesen, entbehrt nicht einer gewissen Nostalgie, denn im Jahr 1960 begann ich (JS) als Werbeassistent im Westdeutschen Verlag meine Karriere als Verleger und so ging es damals in Opladen los:

Ich kam als belletristisch gefärbter Buchhändler in diesen Fachverlag für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und sollte etwas verkaufen, von dem ich keinen Schimmer hatte, geschweige denn von der Werbung selbst. Auch von Typographie hatte ich damals nicht die blasseste Ahnung. Brigitte Langenberg, die spinöse Werbeassistentin, wies mich ein. Sie war sehr von ihren Kenntnissen überzeugt, obwohl sie selbst kaum eine Ahnung hatte. Es wurden Werbebriefe verfasst, »Mailings«, wie man so etwas jetzt nennt, noch nicht so kess formuliert wie heute, bieder und dumpf, es waren eigentlich Prospekthandzettel mit Anrede. Wenn beispielsweise eine Neuauflage von Erich Schäfers ›Die Unternehmung‹ erschien, wurde das mittels eines Inserats im ›Börsenblatt für den deutschen Buchhandel‹ angezeigt, darüber hinaus bekamen die Fachbuchhandlungen Handzettel, ebenso die Privatinteressenten, die in einer Adressenkartei geführt wurden. Die tonnenschweren Adrema-Schränke mit den in Metall geprägten Adressen standen wegen des Gewichts im Parterre und wurden von Herrn Schaub geführt, der auch die Umdrucknudel bediente, mit der die Werbebriefe auf Saugpostpapier abgezogen wurden. Schaub war eine komische Kruke, er erfand ständig neue Staubsauger oder ähnliches, was es aber immer schon gab.

Ich machte »biederste Kleinarbeit«, wie sie mein lebenslanger Neidhammel Klaus G. Saur noch heute süffisant zu bezeichnen pflegt. Er neidete mir alles, sogar meine Freundin Leane, über die er mich auszufragen versuchte. Sie holte mich abends vom Bus ab, mit dem auch Saur manchmal fuhr, und dann lispelte er am nächsten Morgen im Verlag, um mich vor den anderen bloßzustellen: »Dafff war ja wieder eine ffehr geschminkte Dame am Bufff.« Auch an ihrem Vornamen hatte der Lispler grinsend etwas auszusetzen: »Leane, dafff ifft wohl ein Künfftlername …« Dabei hieß sie tatsächlich so, stand in ihrem Ausweis.

Biederste Kleinstarbeit hin oder her, nicht einmal davon war genug vorhanden. Das sollte aber der Verlagsleiter Zänker unter keinen Umständen merken. Kaluza, der strebsame Werbeleiter, verließ bald den Verlag, um eine größere Aufgabe zu übernehmen. Herr Doktor Hanssen ging in seinen väterlichen Verlag nach Essen. Der nächste Werbeleiter war der Diplombetriebswirt Baier. Er hatte dünnes blondes Haar, einen Allgäuer Seppelzinken, war überhaupt ein gestandenes Mannsbild und hatte ursprünglich in Weihenstephan Brauereiingenieur studiert. Es bleibt sein Geheimnis, warum er das aufgab, denn er soff Bier wie ein zurückgemendelter Kelte aus Epfach. Für Doktor Hanssen kam der Diplomkaufmann Doktor Siebert, ein Luftwaffenexleutnant, in seinem roten Skoda-Cabriolet angefahren, das er mit seinen hundertzehn Höchstgeschwindigkeit für den schärfsten Sportwagen der Welt hielt.

Fräulein Seger trauerte ihrem Chef Hanssen nach, den sie natürlich liebte und der als cleverer Manager erst am Tage seines Ausstands mit ihr vögelte. Danach war Fräulein Seger wieder nierenkrank. Sie schwankte zwischen verliebter Euphorie, wenn sie zum Beispiel einen Porschefahrer ergattert hatte, und tiefster Depression – »Machen Sie bitte sofort das Fenster zu! Meine Nieren!« –, wenn der Porsche sie versetzte. Dem bulligen Leutnant Siebert gingen ihre zickigen Marotten auf die Nerven, er stellte als erste Rationalisierungsmaßnahme eine zusätzliche Sekretärin ein, Sabine Riemer, eine niedliche schwarzhaarige Frau. Die beiden neuen Betriebswirtschaftler sollten den Laden auf Vordermann bringen. Die Werbeabteilung bestand insgesamt aus zehn Personen: Baier, Leiter der neuen Linienführung; Kohl, erste Assistentin; Seger, Sekretärin; Langenberg, zweite Assistentin; Schröder, dritter Assistent; Erika Witte, eine vollbusige ehemalige FDJ-Funktionärin, Bürohilfskraft; Herr Schaub, Adrema-Präger; Frau Schaub, Schreibkraft für Anatol Losseff – ein ehemaliger Filmschauspieler, der die Rezensionen zu den Forschungsberichten des Landes Nordrhein-Westfalen ausschnitt –, Saur und ein Lehrling, die sich, bis auf Familie Schaub, diese zwei Glaskastenbüros teilten. Es gab aber nur für höchstens fünf Leute etwas zu tun. Allerdings sollten die beiden neuen Kämpen ja auch den Umsatz verdoppeln. Stattdessen soffen sie nächtelang miteinander, und Siebert zeigte Baier als Trophäen die Höschen seiner neuen Sekretärin, was wir wiederum von Unikum Schaub wussten, der mit Baier soff, wenn Siebert diese Höschen klaute. Dennoch saßen die beiden Diplomkaufleute morgens immer pünktlich an ihrem Schreibtisch.

Wie es weiterging in diesem fidelen Verlag der frühen Jahre, erzählen wir am Freitag in Leverkusen-Opladen.

(BK / JS)

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