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Der Bär flattert in westlicher Richtung.
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An einem der letzten warmen Tage dieses Jahres fuhren wir mit der S-Bahn zur Station Wannsee und dann mit dem Bus zur Liebermann-Villa. Max Liebermann baute sein »Schloss am See«, um dort die Sommermonate zu verbringen. Auf dem großen Grundstück ließ er unterschiedliche Gärten anlegen. Sein Freund Alfred Lichwark, Direktor der Hamburger Kunsthalle, war ein begeisterter Gartenreformer, er gestaltete einen üppigen Bauerngarten mit Blumen und Gemüse, außerdem einen Heckengarten sowie eine großzügige Rasenfläche bis ans Ufer des Wannsees.
In der Dauerausstellung der Villa hängt Liebermanns Zeichnung ›Blick auf den Birkenweg in Wannsee‹, Pastell, um 1920, und so sieht der Birkenpfad heute aus.
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Besonders beeindruckt hat uns Liebermanns Gemälde ›Kartoffelernte in Barbizon‹. Im Museumstext erfuhren wir mehr über die Schule von Barbizon: Wegen einer Choleraepidemie war der Künstler Jean-François Millet 1849 mit seiner Familie in das südlich von Paris am Rande des Waldes von Fontainebleau gelegene Dorf Barbizon gezogen. Dort entstand eines seiner berühmtesten Gemälde ›Die Ährenleserinnen‹. Es zeigt drei gebeugte Frauen auf einem gemähten Kornfeld, sie sammeln mühselig die bei der Ernte übersehenen Ähren in ihre Schürzen. Dieses Werk und andere Bilder aus der Schule von Barbizon prägten die Malerei ihrer Zeit und wurden als Druckgrafik europaweit verbreitet.
Liebermann sah die Werke des Barbizon-Künstlers Jean-François Millet erstmals in einem Pariser Salon, sie eröffneten ihm eine neue Idee von Landschaftsmalerei und waren eine Bestätigung der eigenen realistischen Arbeitsweise. Im Sommer 1874 fuhr er dann für einen Studienaufenthalt nach Barbizon. Er reiste in Begleitung des schwedischen Künstlers Carl Fredrik Hill und des ungarischen Kollegen Lázló Paál, die er aus Paris kannte. Max Liebermann wohnte im Gasthof Mère Véron, der direkt an Millets Wohnhaus grenzte. Trotzdem lernten sich die beiden Künstler nie persönlich kennen.
Max Liebermann folgte seinem Vorbild und fertigte Studien an von der Landarbeit auf den Feldern und Äckern. Eine Kompositionsskizze mit jätenden Arbeitern im Rübenfeld benutzte er für seine berühmte Arbeit ›Kartoffelernte in Barbizon‹. Anders als Millet, der in seinen Werken die Beziehung der Bauern zur Natur religiös überhöhte, betrachtete Liebermann ›Arbeit‹ als Schicksal des menschlichen Daseins. Diese Manier trug ihm wegen des Verzichts auf ästhetische Überhöhungen zunächst den Schimpfnamen ›Schmutzmaler‹ ein. Max Liebermann wurde zum Motor einer Opposition gegen die wilhelminische Kunstpolitik.
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Fotos: Barbara Kalender
Der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin ist es zu verdanken, dass sein ›Schloss am See‹ wieder hergestellt wurde. Auf der Terrasse, bei Kaffee und Kuchen, genossen wir die letzten Sonnenstrahlen im Altweibersommer.
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(BK / JS)