vonSchröder & Kalender 21.09.2014

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

 

 

***

Der Bär flattert in südöstlicher Richtung.

***

 

 

Fenster im Atelier des Bundesministerium für Bildung und Forschung. Alle Fotos: Barbara Kalender

 

Fenster im Atelier des Bundesministerium für Bildung und Forschung. Alle Fotos: Barbara Kalender

***

 

Am Freitag besuchten wir die Ausstellung ›Wendezeit. Die deutsche Einheit im Spiegel von Künstlerbüchern aus der Sammlung Reinhard Grüner‹ im Bundesministerium für Bildung und Forschung, das im ehemaligen Sitz der »Ständigen Vertretung« residiert. Die »Ständige Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR« war zwischen 1974 und 1990 die Zentrale der von Egon Bahr so benannten »Politik der kleinen Schritte«. Sie sollte auf beiden Seiten der Grenze die Folgen der deutschen Teilung mildern. Der Sitz der Ständigen Vertretung war im »weißen Haus« in der Hannoverschen Straße in Mitte. Hier, im Dachatelier, planten die Architekten Hans Scharoun und Hermann Henselmann die Umgestaltung des Ost-Berliner Stadtzentrums und den Wiederaufbau der östlichen Stadtviertel. Henselmann entwarf hier auch den Plan für die Stalin- / Karl-Marx-Allee.

 

Wendezeit-Ausstellung. Fenster im Atelier des Bundesministerium für Bildung und Forschung. Alle Fotos: Barbara Kalender

***

Eröffnet wurde die Finissage der ›Wendezeit‹-Ausstellung von Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung. In ihrer ungespielt emotionalen Rede über Kunst und Kultur in der Umbruchzeit von DDR und BRD sagte sie einen Satz, der uns beeindruckte: »Ich wollte nicht gehen, ich wollte bleiben und verändern.« Also ein mutiges Wort für eine Ministerin der Bundesrepublik. Die Mathematikerin gehörte im September 1989 zu den Gründungsmitgliedern des ›Neuen Forums‹ in Merseburg.

 

Nach der Ministerin unternahm der Verleger, Künstler und Autor Uwe Warnke eine Tour d’horizon über die Aufbruchstimmung am Beispiel von Künstlerbüchern. Uwe Warnke gibt u. a. die Untergrundzeitschrift ENTWERTER / ODER heraus.

 

Common Sense 1990, herausgegeben von Jörg Kowalski und Ulrich Tarlatt

Common Sense 1990, herausgegeben von Jörg Kowalski und Ulrich Tarlatt

***

 

Im ehemaligen Dachatelier der Architekten wurden 33 bibliophile Exponate präsentiert. Sie gehören zur großen Sammlung mit insgesamt über tausend Künstlerbüchern, die der Münchner Lehrer Reinhard Grüner seit seiner Studienzeit zusammengetragen hat. 1989 erwarb er Bücher der Edition Augenweide aus Halle / Bernburg und anderer Verlage. Bücher etwa mit Seidenspitze und hautfarbenem Leder, Seiten mit aufgenähtem Siebdruck oder dünner Keramik. Die Texte dieser Kunstwerke hinterfragen versteckt, oft auch direkt und sarkastisch autoritäre Ordnungsstrukturen und den alltäglichen Kontrollwahn. Matthias Biskupek und Karl-Georg Hirsch erzählen beispielsweise von verzweifelten Fluchtgedanken – mit düsteren Holzschnitten illustriert.

 

 

Die ›Ostberliner Treppengespräche‹ von Jan Silberschuh und Hans Ticha

 

Die ›Ostberliner Treppengespräche‹ von Jan Silberschuh und Hans Ticha wurden am 2. Oktober 1990, um 23:59 Uhr in Berlin ausgeliefert und rechnen als letztes Buch der DDR mit den ehemals Mächtigen des Regimes ab. Dieses Künstlerbuch ist damit das letzte Buch der DDR. Eine Minute später begann die Geschichte des wiedervereinigten Deutschland.

 

 

Jörg Schröder, Reinhard Grüner, Frau Tarlatt, Cornelia Göbel, Ulrich Tarlatt. Foto: Barbara Kalender

 

v.l.n.r.: Jörg Schröder, Reinhard Grüner, Frau Tarlatt, Cornelia Göbel, Ulrich Tarlatt (Edition Augenweide)

***

 

Wir freuten uns Reinhard Grüner und Cornelia Göbel, die ihren Mann seit langem unterstützt, wieder einmal zu sehen – und ihre Bücher natürlich. Darunter fanden wir auch ›Des Kaisers Bart‹ aus der Edition Augenweide mit einem Beitrag unseres Freundes Florian Felix Weyh mit dem sprechenden Titel ›Porträt eines Vereinigungskanzlers als sitzender Kaiser‹.

 

 

Des Kaisers Bart‹ aus der Edition Augenweide, Text von Florian Felix Weyh, Foto: Barbara Kalender

 

 

Ach, und wer als ambulanter Stadthistoriker die Ausstellung zur Geschichte des Gebäudes der Ständigen Vertretung besuchen möchte, muss sich bald beim Besucherdienst des Ministeriums anmelden. Denn Johanna Wanka erwähnte in ihrer Rede, dass das Ministerium demnächst umziehen werde. Und was dann aus dem Gebäude wird, steht in den Sternen.

 

***

(BK / JS)

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2014/09/21/die-letzte-minute-der-ddr/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert