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Der Bär flattert in nordwestlicher Richtung.
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Das alles passierte vorgestern. Jetzt überraschte uns Facebook mit der ultimativen Schweinerei: Seit dem 30. Januar des Jahres 2015 gelten die neuen Nutzungsrichtlinien. Das soziale Netzwerk gestattet seinen »Usern« großzügig diese zu lesen und zu kommentieren. Was aber keine Wirksamkeit entfaltet, weil jeder Nutzer den Bedingungen automatisch zugestimmt hat, wenn er sich einloggt. So steht es in den Richtlinien.
Diese Praxis widerspricht geltendem deutschen Recht, denn bei grundsätzlichen Änderungen der Geschäftsbedingungen steht jedem Geschäftspartner ein Widerspruchsrecht zu. Und da wären wir wieder beim Anfang unserer Geschichte angelangt: Facebook verweist auch bei seinen neuen Datenrichtlinien auf seinen Sitz in Irland und behauptet, für das Netzwerk gelte ausschließlich irisches Recht. Das ist falsch! Denn der Global Player hat in Hamburg eine deutsche Filiale als GmbH eingerichtet, und eine deutsche GmbH – wir wiederholen es – haftet für zivil- und strafrechtliche Verstöße in Deutschland. Das trifft natürlich auch für illegale Praktiken beim Datensammeln zu. Das Verfolgen seiner Nutzer durch die Ozeane des Internet bis hin zu jedem Smartphone ist eine Inbesitznahme des digitalen privaten Lebens auf kaltem Wege und somit ein Verstoß gegen die Grundrechte unseres demokratisch verfassten Staates.
Sinngemäß steht das auch in der Präambel zur Declaration of Independence, die jeder Schüler in der dritten Klasse der Public School gelernt hat, vermutlich kann Mr. Zuckerberg den Text heute noch auswendig herunterrasseln: »We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.« Von Freiheit und Glück kann keine Rede mehr sein, denn Zuckerbergs weltweiter Laden hebelt diese Grundrechte mit seiner Herrschaft über die Algorithmen mittels gezielter Manipulation der Nutzer aus. Daten sollen Menschen regieren und nicht umgekehrt, dafür sorgt die Infrastruktur seines Konzerns.
»Die Luft, die wir atmen, ist Gemeingut. Unsere Daten sind es bald nicht mehr«, mit dieser vulgärmarxistischen These hat der Harvard-Professor Evgeny Morozov die Debatte über die Digitalisierung sämtlicher Lebensverhältnisse weitgehend geprägt. Morozov schrieb zwei Bücher über das Problem: ›The Net Delusion. The Dark Side Of Internet Freedom‹ und ›To Save Everything, Click Here. The Folly Of Technological Solutionism And The Urge To Fix Problems That Don’t Exist‹. Evgeny Morozovs Thesen sind vernünftig und manchmal sogar lustig zu lesen.
In einem Interview mit den ›taz‹-Redakteuren Johannes Gernert und Daniel Schulz sagte er Ende Januar 2015: »Meine Kritik hat sich bisher auf den Technologiesektor konzentriert. Und Menschen, die Tech-Unternehmen hassen, gibt es nun wirklich genug. Es gibt auch Marktliberale, die Facebook oder Amazon kritisieren, weil das Monopole sind. Die Technologiediskussion ist so umfassend, dass ich diese Botschaft jeden Tag herausschreien kann, die Leute denken immer noch, ich will ihnen bloß ihre Maschinen nehmen und nur noch mit Schreibmaschine schreiben. So denken viele über mich. Man kann ihnen erklären, dass dem nicht so ist. Dass man für Technologie, für Fortschritt sein kann, aber für eine andere Art des Fortschritts. Die Option gibt es in den USA nicht. Und in Europa immer weniger. Derzeit gehen wir von der Annahme aus, dass Daten der jeweiligen Firma gehören, mit deren Ressourcen sie hergestellt worden sind. Suchen gehört Google. Soziale Kontakte gehören Facebook. Die Information darüber, wohin mich mein Fahrer fährt, gehört dem Taxi-Dienst Uber. Das ist das Paradigma des Silicon Valley. Gerade entsteht noch ein anderes Paradigma, das besagt: Die Daten gehören den Bürgern. Und die könnten mit ihren Daten handeln, Geld verdienen. Vielleicht ist das so ein neuer Ansatz, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Man verkauft seine Daten, damit man dafür Geld bekommt. Ich glaube, beide Ideen führen in eine demokratische und politische Sackgasse. Niemand sollte Daten besitzen. Luft gehört auch keinem. Bürger sollen mit ihren Daten etwas tun dürfen. Sie haben also eine digitale Identität, die extrem gut verschlüsselt ist und sicher. Der Staat gewährleistet den Zugang, auch Unternehmen dürfen die Daten nutzen. Vielleicht gegen eine Gebühr. Wenn ich Ortungsdienste will oder andere Features, dann gegen eine Gebühr. Ich zahle drei Dollar, und gut ist. Aber für den Basisdienst zahlt der Staat. Es gibt keine Werbung. Und mit meinen Daten passiert in diesem Basisdienst nichts. (…) Oder ein Konsortium aus unterschiedlichen Anbietern. Am besten wäre ein gemeinsamer Pool von Wissen und Fakten, um den herum auch andere Systeme entstehen dürfen. (…) Ich bin nicht gegen Unternehmen, ich möchte nur gern diesen Automatismus unterbrechen, nach dem sie immer mächtiger werden, je mehr Daten sie sammeln.« Das hört sich doch vernünftig an.
(wird morgen fortgesetzt)
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(BK / JS)
Ein Blogleser schrieb uns direkt:»Heute gibt es verschiedene Meldungen wegen der Klage aus Österreich gegen facebook:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Datenschutz-Streit-Facebook-haelt-Wiener-Gericht-nicht-fuer-zustaendig-2597993.html
Ich wollte das als Kommentar zum neuen blog stellen, aber es hat nicht geklappt.
Unsere Antwort:
Die Sammelklage des Wiener Juristen Max Schrems wird am 11. April erwähnt, das betrifft die Österreicher und wir wünschen ihnen viel Erfolg! Wir verlangen ja eben von unseren Politikern, dass sie tätig werden: Denn eine deutsche GmbH – wir wiederholen es – haftet für zivil- und strafrechtliche Verstöße in Deutschland. Das trifft natürlich auch für illegale Praktiken beim Datensammeln zu. Das Verfolgen seiner Nutzer durch die Ozeane des Internet bis hin zu jedem Smartphone ist eine Inbesitznahme des digitalen privaten Lebens auf kaltem Wege und somit ein Verstoß gegen die Grundrechte jedes demokratisch verfassten Staates.
Herzliche Grüße
Barbara und Jörg