vonSchröder & Kalender 03.07.2015

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in westlicher Richtung.
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Ab und zu bloggen wir Zitate aus antiquarischen Büchern. Dieses Mal zogen wir ein Buch aus dem »Reading Company«-Stapel, anlässlich des sechzigjährigen Jubiläums des Tierparks Friedrichsfelde.

Reading-Company, Schröder & Kalender, Foto: Barbara Kalender

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Heinrich Dathe beginnt in seinem Buch ›Im Tierpark belauscht‹ mit der Anfangszeit: »Als wir 1954 den Park in Besitz nahmen, gab es dort keine Stockenten, trotz kleiner Tümpel. Ich musste sogar einige Enten ankaufen, damit sie in unserer Schausammlung vorhanden waren. Nach der Bevölkerung unserer Stelzvogelwiese und des Entenkanals mit Wassergeflügel zogen sich immer mehr Wildenten in den Park, besonders in den Wintermonaten, wenn ihre natürlichen Lebensräume unter Schnee und Eis verschwanden. Manchmal erscheinen bis zu 3000 Stück an den ›Fleischtöpfen‹, lies ›Körnertöpfen‹. Bis zu 1,5 Zentner Futter müssen wir an solchen Spitzentagen mehr füttern.«

Seit der Eröffnung des Tierparks Friedrichsfelde hatte dieser mehr als 90 Millionen Besucher. Die Fläche des Tierparks konnte kontinuierlich von anfänglich 60 auf 160 Hektar ausgedehnt werden.

Bereits in der Aufbauphase übernahm Heinrich Dathe die Leitung des Tierparks, die er bis zu seiner Pensionierung 1990 innehatte. Nach dem Fall der Mauer musste der achtzigjährige Direktor die Leitung abgeben, da der Einigungsvertrag eine Übernahme von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes über 60 Jahre nicht zuließ. Seit April 2014 ist Andreas Knieriem Direktor sowohl des Zoologischen Gartens als auch des Tierparks Berlin.

Heinrich Dathes Erinnerungen nehmen wir immer mal zur Hand und lesen gern seine Geschichten zum Beispiel über den entflogenen Nacktaugenkakadu, der sich so einfach nicht fangen ließ, daher kam Dathe auf die Idee, den Vogel mittels eines Wasserstrahl so zu durchnässen, dass er nicht mehr fliegen konnte. »Ein Tanklöschwagen aus Köpenick wurde herangeholt, und als wir begannen, ihn anzuspritzen, hielt er sich nicht nur mit seinen Kletterfüßen fest, sondern auch mit dem Krummschnabel.« Der Vogel war listig und erst nach mehreren Versuchen und stärkeren Wasserstrahlen flatterte er von seinem Ast ins Gras herunter.

In der Geschichte ›Wer niemals einen Rausch gehabt …‹ erfährt man, dass Ameisen planmäßig immer wieder Alkoholquellen aufsuchen. Wir lesen über betrunkene Schweine, Kaninchen, ein Eichhörnchen, das durch Fenster hereinkam und sich an zu viel Cognacbohnen gütlich tat, und vom Elefantenbullen Omar, dem man eimerweise Punsch einflößte, »um einer Erkältung des gewaltigen Tieres vorzubeugen. (…) Dann tupfte der graue Riese mit der fingerförmigen Verlängerung des Rüssels die letzten Tropfen des schmackhaften Getränks heraus. Köstlich auch das vergnügte Glitzern der kleinen Augen!«

Es gibt die lustige Geschichte vom Oberwärter Schröder mit dem Titel ›Pädagogische Unterweisung‹: In den ersten Wochen meiner Assistentenzeit im Leipziger Zoo geschah ein amüsanter Zwischenfall. Morgens bei der Runde kamen der Oberwärter Schröder und ich zum Gehege der Mufflons, das gerade vom Pfleger gesäubert wurde. Eben bückte sich dieser, um die Schaflosung auf die Schaufel zu kehren und bot dabei seine breite Rückfront unter der gespannten Hose ungeschützt dem starken Muffelwidder dar. Immer wieder wird ja jedem Pfleger eingehämmert, beim Arbeiten in einer Anlage – gleichviel in welcher – die Tiere nicht aus den Augen zu lassen, und nun sehen wir, wie der Muffelbock Anlauf nimmt, und, um sich Schwung zu holen, auf den Hinterbeinen auf aufrichtet und mit schräggestelltem, gesenktem Kopf gegen den ›vermeintlichen Eindringling‹ zielte. Schon wollte ich den Pfleger warnend anrufen, da hielt mich des Oberpflegers Hand auf meinem Arm zurück – und fast im gleichen Augenblick hatte auch schon der Bock sein Schneckengehörn mit voller Wucht an der so freigiebig zur Verfügung gestellten Stelle platziert. Der Pfleger aber schoss vierelang in seiner vollen Länge vorwärts hin, rappelte sich verdattert wieder auf und rieb mit schrägem Blick auf den Bock seinen verlängerten Rücken. Oberpfleger Schröder aber murmelte zu mir hin: ›Auf diese Weise lehrt man am besten jemand den Sinn von Anordnungen begreifen und behalten!‹«

Es fehlen hier die Geschichten, wie ein zahmes Eichhörnchen in den toupierten Haaren der Kassiererin Nüsse versteckt, wie das Baribalbärenpaar im Oktober 1957 die Bärenschlucht einweiht, über ein Stinktier und wie ein Lehrling »das Stinksekret aus den Drüsen förmlich herausmassiert« … Der Höhepunkt in Dathes Erinnerungen aber ist ›Eine weihnachtliche Tiergeschichte‹ über  Niddy und Konga, die beiden Schimpansen, die am Heiligen Abend aus dem Zoo entweichen. Diese Geschichte bringen wir dann zu Weihnachten.

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Heinrich Dathe: ›Im Tierpark belauscht‹. Mit 38 Abbildungen und 42 Textzeichnungen. 180 Seiten, Leinen, A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt 1965.

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(BK / JS)

 

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