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Der Bär flattert in östlicher Richtung.
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Lange schon wollten wir uns das Rudolf-Virchow-Krankenhaus ansehen, weil ich (JS) dort geboren bin. Meine Mutter fuhr, als die Wehen begannen, mit dem Taxi von Niederschönhausen nach Wedding, weil dieses Krankenhaus damals als das modernste Berlins galt.
Heute heißt es Charité Campus Virchow-Klinikum, auch das Deutsche Herzzentrum befindet sich in einem der alten Gebäude. Natürlich besichtigten wir auch den Wasserturm und sahen etwa 40 »Pro Organspende«-Radfahrer, die mit ihrer Tour auf den Organmangel in Deutschland aufmerksam machen wollen.
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Dann fuhren wir mit der U9 Richtung Steglitz. Neben uns raschelte ein älterer Mann lange in zwei Plastiktüten, zog einige Bücher heraus, packte sie wieder in die Tüte zurück. Endlich hatte er das Buch gefunden, schlug es auf, las kurz, suchte etwas in den Taschen seines Jacketts, das er trotz der Hitze trug. Schließlich zog er ein kleines Lineal und eine Tipp-ex-Fläschchen hervor, suchte das gefundene Wort, legte das Lineal sorgfältig unter die Zeile und trug die weisse Korrekturflüssigkeit auf. Zufrieden, mit einem leichten Lächeln, las er weiter, fand wieder ein Wort, das ihn störte. Das Lineal wurde abermals sorgfältig platziert und ein Wort mit Tipp-ex überstrichen. Dann lächelte er wieder zufrieden, bis die nächste Unmutsfalte auf der Stirn erschien und das nächste Wort gelöscht wurde.
Vermutlich wird der alte Mann, der uns sehr an den Döblinschen Schornsteinfeger in der Bibliothek erinnerte, seine Tütenbücher langsam und stetig Wort für Wort redigieren, bis nur noch weiße Seiten übrig sind. Und zuletzt – stellen wir uns vor – tilgt er wohl Autor und Titel. Das Buch hat es dann für ihn nie gegeben. Die ultimative Literaturkritik.
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(BK / JS)
Aktien kaufen wir nicht, dafür fehlt uns das Geld. Aber eine Kurpackung Tipp-ex haben wir immer in Reserve.